Wir strecken mittendrin in einer Veränderung, von der die meisten noch nicht einmal ahnen, wie sehr sie unser Leben umkrempeln wird. Und ein Leipziger Forschungsergebnis zeigt jetzt ganz und gar nicht überraschend, dass Menschen, die Veränderungen als Herausforderung begreifen, auch mit den Corona-Folgen besser zurechtkommen. Dabei hat auch Prof. Dr. Hannes Zacher nicht damit rechnen können, dass Corona einmal seine Langzeit-Studie beeinflusst.

Wobei die Studie des Arbeitspsychologen natürlich so angelegt ist, dass sich darin auch die Krisen niederschlagen müssen, die ganz selbstverständlich zum menschlichen Leben und Wirtschaften gehören. Nur haben viele Menschen vergessen, dass Krisen zum Leben gehören. Warnungen vor einer Pandemie mit einem aggressiven SARS-Virus gab es seit Jahren. Jede Regierung hat die dazu nötigen Informationen von der WHO bekommen.

Doch die meisten Regierungen haben nicht wirklich vorgesorgt, haben ihre Wähler/-innen lieber eingelullt in den üblichen Versprechen „mehr Wachstum, mehr Wohlstand, mehr Sicherheit“. Und: natürlich rundum verschont zu werden von den Unsicherheiten einer Welt, die man meinte unter Kontrolle zu haben.

Nicht einmal in der Schule lernen Kinder noch, dass Unsicherheit noch immer zu unserem Leben gehört, dass es einen 100-prozentigen Schutz nicht gibt und dass man eigentlich fürs Leben lernen sollte, mit krisenhaften Herausforderungen umzugehen.

Und eben nicht so zu tun, als wäre das Coronavirus nur eine Erfindung böswilliger Regierungen.

Aber genau an dieser Stelle hapert es. Schulen bereiten nicht auf ein Leben vor, in dem Menschen ein Rüstzeug brauchen, Probleme und Krisen mit klugen Lösungen zu bewältigen, Krisen sogar als echte Herausforderung an die eigene Kraft und Lösungskompetenz zu begreifen.

Und das zeigt sich nun auch in den Ergebnissen der Langzeitstudie: Wer Krisen als Herausforderung sieht, kam auch mit den Corona-Folgen besser zurecht.

Was die Studie genau erfasst, ist scheinbar nur ein ganz weicher Parameter: das Wohlbefinden der Studienteilnehmer.

Die Corona-Pandemie hat neben der medizinischen und ökonomischen Krise auch bei vielen Menschen zu Beeinträchtigungen des subjektiven Wohlbefindens geführt. Das ergab nun die Langzeit-Studie von Psychologen der Universität Leipzig mit 979 Personen aus ganz Deutschland. Untersucht wurden ihre Veränderungen im subjektiven Wohlbefinden zwischen Dezember 2019 und Mai 2020.

Die Forscher unter der Leitung des Arbeitspsychologen Prof. Dr. Hannes Zacher stellten fest, dass zwischen März und Mai 2020 – im frühen Stadium der Pandemie – die durchschnittliche Lebenszufriedenheit und das Erleben positiver Gefühle signifikant abnahmen, durchschnittlich jeweils ungefähr 0,2 Punkte auf einer siebenstufigen Skala.

Überraschenderweise sei es während dieser Phase aber auch zu einer leichten Abnahme im Erleben negativer Gefühle wie Ärger und Angst gekommen, teilt die Universität mit. Was natürlich noch ganz andere Überlegungen anregt. Denn der Shutdown hat ja auch bei vielen Menschen einen stressbeladenen Alltag unterbrochen, hat die Lärm- und Schadstoffbelastung in den Städten gemindert und auch mehr Zeit zur Besinnung gelassen.

Die Forscher haben die Ergebnisse ihrer Studie gerade in dem renommierten Fachjournal „American Psychologist“ veröffentlicht.

In der Untersuchung, die Hannes Zacher zusammen mit Prof. Dr. Cort Rudolph von der Saint Louis University in den USA durchgeführt hat, wurde subjektives Wohlbefinden als hohe Lebenszufriedenheit und das häufige Erleben positiver Gefühle, wie Freude, sowie das seltene Erleben negativer Gefühle, wie Ärger oder Angst, definiert und gemessen.

Als Einflussfaktoren auf das subjektive Wohlbefinden während des frühen Stadiums der Corona-Pandemie wurden die persönliche Bewertung der Pandemie, etwa als Bedrohung oder als Herausforderung, sowie verschiedene funktionale und dysfunktionale Bewältigungsstrategien, wie Problemlösen oder Alkoholkonsum, untersucht.

Während die Wissenschaftler bei der Befragung der Menschen in der Zeit vor der Corona-Pandemie, zwischen Dezember 2019 und März 2020, keine Hinweise auf Veränderungen des subjektiven Wohlbefindens fanden, habe sich das in den Wochen danach durch die Coronakrise signifikant verändert. Personen, die die Corona-Pandemie als Herausforderung und die Folgen der Pandemie als kontrollierbar bewerteten, wiesen generell ein höheres subjektives Wohlbefinden auf.

Außerdem hatten Menschen ein höheres subjektives Wohlbefinden, die Probleme aktiv gelöst, die positiven Seiten der Krise gesehen und soziale Unterstützung erfahren haben. Wer dagegen die Krise als Bedrohung wahrgenommen, sie verleugnet oder sich selbst für die Folgen der Krise beschuldigt hat, fühlte sich weniger gut. Das galt auch für Personen, die versucht haben, die Krise mit Alkohol oder Drogen zu bewältigen.

„Psychologen können die Ergebnisse nutzen, indem sie dazu beitragen, die allgemeinen Fähigkeiten ihrer Klienten zu erhöhen, in Krisenzeiten konstruktive Bewertungen vorzunehmen und erfolgreiche Bewältigungsstrategien zu nutzen“, sagt Zacher.

Für die Fortsetzung der Langzeit-Studie über die nächsten 18 Monate stellt die VolkswagenStiftung 50.000 Euro zur Verfügung. Dabei soll insbesondere untersucht werden, wie sich die Corona-Pandemie auf Veränderungen in der Arbeitswelt, wie zum Beispiel die Akzeptanz des Homeoffice, virtuelle Teamarbeit und Arbeitsplatzunsicherheit, sowie auf die Entwicklung der physischen und psychischen Gesundheit auswirkt.

Originaltitel der Veröffentlichung in „American Psychologist“: „Individual differences and changes in subjective well-being during the early stages of the COVID-19 pandemic“, http://dx.doi.org/10.1037/amp0000702 (Open Access).

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