Die groรen Stรคdte im Lockdown waren fรผr einige Wochen auch Orte der Ruhe, der leeren Straรen und der sauberen Luft. Und so mancher Groรstรคdter sah auf einmal Tiere in der Stadt, die sich sonst tagsรผber gar nicht zu piepsen trauen. Eine eher friedliche Erinnerung daran, dass die Corona-Pandemie gar nicht unser grรถรtes Problem ist. Klimawandel und Artensterben gehen unvermindert weiter. Nun gibt es im Nationalatlas mal eine besondere Wรผrdigung fรผr die immer rarer werdende Turteltaube.
In Leipzig ist sie schon lange verschwunden. Die groรe Stadt gehรถrt den Ringeltauben. In den steinernen Lebenswelten, die sich Menschen bauen, kommt es weltweit zu einer Homogenisierung und Verarmung der Artenvielfalt. Aber so wie auรerhalb der Metropolen die Vielfalt der Lebensrรคume schwindet, verschwinden auch dort die einst typischen Tierarten. Und die Turteltaube ist auf dem absteigenden Ast. Denn die moderne Landwirtschaft hat ihre Nist- und Rรผckzugsrรคume verschwinden lassen. Die Tauben finden in der ausgerรคumten Landschaft kaum noch Nistplรคtze.
Die kleinsten Vertreter unter den Wildtaubenarten kehren in diesen Tagen aus ihren Winterquartieren in Afrika zurรผck. Aktuelle Karten des Leibniz-Instituts fรผr Lรคnderkunde (IfL) zeigen, wo sich die bunt gefiederten Vรถgel hierzulande zum Brรผten aufhalten, und veranschaulichen den dramatischen Rรผckgang der Bestรคnde.
โUm die Mitte des vergangenen Jahrhunderts war das markante Gurren der Turteltaube an jedem Dorfrand oder Flussufer zu hรถren. Doch seitdem sind die Bestรคnde stark rรผcklรคufig. Man geht derzeit von einem bundesweiten Bestand von nur noch 12.500 bis 22.000 Brutpaaren aus. 2009 war er noch etwa doppelt so hoch.โ
So beschreiben Christopher Kรถnig, Bettina Gerlach, Sven Trautmann und Johannes Wahl vom Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) im Nationalatlas aktuell des Leibniz-Instituts fรผr Lรคnderkunde (IfL) die besorgniserregende Entwicklung. Anlรคsslich der unmittelbar bevorstehenden Brutzeit der Turteltaube haben die Ornithologen Wissenswertes รผber das Verhalten, die Verbreitung und vor allem die Gefรคhrdung des in der รffentlichkeit wenig bekannten โVogels des Jahres 2020โ zusammengefasst.
Um die negative Bestandsentwicklung zu veranschaulichen, haben Kartografen am IfL ein kleingerastertes Netz รผber Deutschland gelegt und die Quadrate anhand von Beobachtungsdaten der Jahre 2005 bis 2009 und 2015 bis 2019 mit unterschiedlichen Farben gefรผllt: Grรผn eingefรคrbte Rasterfelder bezeichnen Bereiche mit Brutvorkommen der Turteltaube in beiden Zeitintervallen; die Farbe Blau steht fรผr Bereiche, in denen im Beobachtungszeitraum 2015 bis 2019 keine Brutvorkommen mehr festgestellt werden konnten.
Auf der aktuellen Deutschlandkarte dominieren die blauen Quadrate insbesondere in den nรถrdlichen Landesteilen sowie in Bayern. Hier ist die Turteltauben-Population zuletzt am stรคrksten zurรผckgegangen.
In Mecklenburg-Vorpommern dominiert die blaue Farbe sogar. Aber man findet die blauen Felder auch in Brandenburg und Sachsen, Zeichen dafรผr, dass in keinem dieser Bundeslรคnder das Artensterben auch nur gebremst wurde. Man setzt weiter auf eine industrielle Landwirtschaft, riesige Monokulturen und den massiven Einsatz von Insektiziden.
Als Ursache des Verschwindens haben Vogelkundler den Verlust geeigneter Lebensrรคume wie strukturreiche Wald- und Feldrรคnder ausgemacht. Die Intensivierung der Landwirtschaft habe dazu gefรผhrt, dass Wildkrรคutersamen, die Hauptnahrungsquelle der Turteltaube, immer weniger werden und die Vรถgel in der ausgerรคumten Landschaft kaum noch Nistplรคtze finden. Zudem ist die Jagd auf Turteltauben trotz ihrer weltweiten Gefรคhrdung selbst in vielen Lรคndern Europas erlaubt. Experten schรคtzen, dass jedes Jahr 1,4 bis 2,2 Millionen Turteltauben zum Abschuss kommen.
Der Beitrag รผber die Turteltaube ist aus einer Kooperation des Leibniz-Instituts fรผr Lรคnderkunde mit dem Dachverband Deutscher Avifaunisten und dem Leibniz-Institut fรผr Wissensmedien hervorgegangen. Im Rahmen des Projekts โArtenvielfalt erlebenโ entwickeln Forscher und Vogelkundler gemeinsam eine neue Generation interaktiver Online-Karten fรผr das vom DDA betriebene Webportal ornitho.de.
Das Vorhaben zielt darauf ab, noch mehr Menschen fรผr die Erfassung der Artenvielfalt zu begeistern. Es ist eines von 13 Projekten zur Fรถrderung bรผrgerwissenschaftlicher Vorhaben, fรผr die das Bundesministerium fรผr Bildung und Forschung insgesamt rund fรผnf Millionen Euro im Zeitraum 2018 bis 2021 zur Verfรผgung stellt.
รber 5.000 Unterstรผtzer fordern mehr Artenschutz im Leipziger Stadtgebiet
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Letztens 2 Tรผrkentauben in Bรถhlitz-Ehrenberg das erste Mal (!) beobachtet. Markant ist der schwarze Ring am Hinterkopf.
(Tรผrkentauben gehรถren zu den Turteltauben.)