Das menschliche Gehirn ist ein Hochleistungsorgan. „Das Gehirn benötigt bis zu 20 Prozent des Energieverbrauchs und ist damit unter den Organen ein regelrechter Energiefresser“, schrieb zum Beispiel die „Welt“ in einem Beitrag zum Thema im Jahr 2009. Die Denkvorgänge selbst fressen gar nicht so viel Energie. Doch die „Hardware“ bekommt sehr schnell Probleme, wenn sie nicht mehr ausreichend durchblutet wird.

Denn das Blut transportiert ja den wichtigsten Stoff, den unser Gehirn für seine Funktionstätigkeit braucht: Pumpt das Herz zu wenig Blut in den Körper, wird meist auch das Gehirn nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt.

Bislang war jedoch unklar, wie sich das auf die Hirnstruktur auswirkt. Forscher des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften (MPI CBS) haben nun in Zusammenarbeit mit dem Herzzentrum Leipzig herausgefunden, dass darunter auch die graue Hirnsubstanz leidet.

Und hier kommt dann das von der „Welt“ angesprochene Problem zum Tragen. Denn wenn das Herz nicht mehr kräftig genug pumpt, wird das Gehirn auch schlechter versorgt. Mit gravierenden Folgen.

Etwa 1,8 Millionen Menschen leiden in Deutschland an einer Herzschwäche, auch Herzinsuffizienz genannt. Die wirkt sich nicht nur auf die Leistungsfähigkeit der Patienten aus – sie sind schneller erschöpft und klagen über Atemnot bei Belastungen. Auch ihr Gehirn ist davon betroffen. Wissenschaftler des MPI CBS haben nun belegt, auch die Dichte der grauen Substanz sinkt. Besonders groß ist der Schaden nach einem Herzinfarkt.

„Je schwächer das Herz, desto geringer die Dichte der grauen Substanz“, erklärt Matthias Schroeter, Leiter der Forschungsgruppe für Kognitive Neuropsychiatrie am MPI CBS, das zentrale Ergebnis der Studie. Besonders betroffen seien dabei das mittlere Stirnhirn und der sogenannte Precuneus innerhalb der Großhirnrinde sowie der Hippocampus. Diese Regionen verarbeiten vor allem Aufmerksamkeitsprozesse und Gedächtnisinhalte. Und nicht nur das: „Ein Abbau von grauer Substanz in diesen Bereichen kann die Entstehung von Demenz begünstigen.“

Untersucht haben die Wissenschaftler den Zusammenhang zwischen grauer Substanz und Herzfunktion an 80 Patienten des Herzzentrums Leipzig mithilfe der Magnetresonanztomographie (MRT) und zweier Faktoren: Der Menge an Blut, die bei einem Herzschlag ausgestoßen wird, und der Konzentration eines bestimmten Hormons in der Blutbahn. Dabei zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Grad der Herzinsuffizienz und den Veränderungen in der grauen Substanz.

Als graue Substanz bezeichnet man im Gehirn die Gebiete, die vorwiegend aus den Zellkörpern der Nervenzellen bestehen. Die langen Enden der Nervenzellen, die Nervenfasern, bilden hingegen die weiße Substanz. Der bekannteste Teil der grauen Substanz ist die Großhirnrinde, die das Gehirn als äußerer, zwei bis fünf Millimeter dicker Mantel mit seinen zahlreichen Windungen umgibt. Hier werden die eigentlichen höheren geistigen Fähigkeiten des Menschen – von den Sinneseindrücken über Sprache bis zu Kreativität – verarbeitet.

„Bei einer Herzschwäche muss also auch bedacht werden, dass dabei die Hirnstruktur geschädigt wird“, sagt der Mediziner. Frühere Studien hatten gezeigt, was dem Abbau am besten entgegenwirkt: Sport und soziale Aktivitäten. Logisch: Sie fördern die Durchblutung des Gehirns und damit die Versorgung mit Sauerstoff.

„Natürlich muss man auch die verminderte Herzfunktion selbst behandeln“, betont Matthias Schroeter. Soll heißen: Man muss die Ursachen wie Rauchen, Diabetes oder Adipositas angehen, die allesamt die Sauerstoffzufuhr zum Gehirn beeinträchtigen.

Originalpublikation: Karsten Mueller, F. Thiel , F. Beutner, A. Teren, Tommaso Ballarini, Harald E. Möller, Kristin Ihle, Arno Villringer, and Matthias L. Schroeter (2020) Brain change with heart failure: Cardiac biomarker alterations and gray matter decline. Circulation Research

Der Leipziger OBM-Wahlkampf in Interviews, Analyse und mit Erfurter Begleitmusik

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