In 15 Jahren kann eine Menge geschehen โ€“ wenn die Politik nicht bremst und Minister sich nicht als Bremsklรถtze im Dienst alter Konzerne verstehen. Aber selbst das, was bis 2015 schon geschehen ist, beeindruckt, wenn man es einfach mal in eine digitale Karte packt, wie es Wissenschaftler/-innen des UFZ jetzt in einem sehr anschaulichen Projekt getan haben. Es zeigt die โ€žvirtuelle Vergangenheit der Erneuerbaren Energienโ€œ.

Darรผber berichtet das aktuelle Magazin โ€žUmweltperspektivenโ€œ des UFZ.

Die Wissenschaftler haben dafรผr einen detaillierten Datensatz erstellt, der den jรคhrlichen Zubau von Windenergieanlagen, Photovoltaik-Freiflรคchenanlagen und Bioenergieanlagen in Deutschland seit 1990 sowohl in ihrer Anzahl als auch in ihrer installierten elektrischen Leistung erfasst und lokalisiert. Seit 2019 ist der Datensatz รถffentlich zugรคnglich. Jeder Interessierte kann recherchieren, wie sich die Erneuerbaren Energien lokal vor seiner Haustรผr, in seinem Landkreis oder Bundesland im Vergleich zu anderen Regionen entwickelt haben.

โ€žWarum ist das wichtig?โ€œ, fragt die Autorin Prof. Daniela Thrรคn, Leiterin des Departements Bioenergie im UFZ. โ€žIm Unterschied zu den fossilen Kraftwerken, die sich rรคumlich konzentrieren, sind die EE-Anlagen in hoher Anzahl dezentral im Raum angeordnet. Ihr Ausbau geht mit einem deutlich hรถheren Flรคchenbedarf einher sowie einer breiter gestreuten und weit in den Raum hineinreichenden Wirkung. Um diese Wirkungen auf Natur und Landschaft zu verstehen, ist es wichtig, die rรคumliche Lage und die rรคumlichen Beziehungen der EE-Anlagen zu erfassen.โ€œ

Aber da man die historischen Werte aufrufen kann, sieht man, was das 2000 von Rot-Grรผn auf den Weg gebrachte EEG tatsรคchlich binnen 15 Jahren bewirkt hat, denn es hat tatsรคchlich tausende Akteure dazu gebracht, Solaranlagen zu installieren und Windparks aufzustellen. Wer vor dem Jahr 2000 durch Deutschland fuhr, sah fast nirgendwo Windkraftanlagen. Sie galten geradezu typisch fรผr die Kรผstengebiete an der Nordsee.

An der Stromproduktion hatte Windkraft gerade einmal 2 Prozent Anteil, war also keine ernst zu nehmende GrรถรŸe, um รผberhaupt daran zu denken, auch nur eines der alten groรŸen Fossilkraftwerke zu ersetzen. Aber das EEG รคnderte alles. Und da parallel auch gleich noch der Atomausstieg beschlossen wurde bis 2022, wirkt es gar so, als wรคren die Autoren des EEG viel zu wagemutig gewesen.

Waren sie aber nicht. Sie wussten, wie weit die Technologien fรผr die Energiewende lรคngst gediehen waren. Und sie wussten, dass die alten konventionellen Kraftwerke parallel zum Ausbau der Erneuerbaren vom Netz gehen kรถnnten, ohne irgendwo im Land die Versorgungssicherheit zu gefรคhrden.

Und der Blick auf die Entwicklung zeigt, dass die Atomkraftwerke beim Strom schon lรคngst ersetzt sind. 2006 wurde die 10-Prozent-Marke an der Stromproduktion von Alternativen Energieanlagen รผberschritten, 2012 die 20-Prozent-Marke, 2016 die 30-Prozent-Marke und 2019 die 40-Prozent-Marke. Und das, obwohl die Bundesregierung und einzelne Bundeslรคnder seit einigen Jahren auf der Bremse stehen und den weiteren Windkraftausbau zu verhindern versuchen. Weshalb der Zuwachs der letzten Jahre vor allem auf die verstรคrkte Einspeisung bestehender Anlagen zurรผckgeht als auf weiteren Zubau.

Die Anlagendichte von Windkraftanlagen in Deutschland 2015. Karte: UFZ
Die Anlagendichte von Windkraftanlagen in Deutschland 2015. Karte: UFZ

Das sind lรคngst Stromanteile, die in den Chefetagen der groรŸen Energiekonzerne die Alarmglocken klingeln lassen. Sie kรคmpfen inzwischen mit allen Bandagen darum, dass ihre fossilen Kraftwerke noch mรถglichst lange am Netz bleiben, obwohl sie kaum noch Gewinne erzielen. Denn Wind- und Solar-Anlagen haben einen Vorteil, den kein konventionelles Kraftwerk je erreichen wird: Ihr โ€žBrennstoffโ€œ ist kostenlos.

Wo die Anderen Milliarden in die Fรถrderung von Erdรถl, Gas und Kohle investieren mรผssen, um ihre Kraftwerke zu fรผttern, haben Wind- und Solaranlagen Produktionskosten nahe Null. Sie kosten nur in der Installation, der Wartung und der spรคteren Entsorgung. Das Ergebnis ist: Sie produzieren preiswerteren Strom als die groรŸen Konzerne.

Der groรŸe Kampf findet lรคngst in den Netzen statt. Denn um die alten Kraftwerke nicht stilllegen zu mรผssen, werden sie auch noch mitten im Sommer weiter geheizt. Den leichtglรคubigen Politikern wird dann eingeredet, das sei lebensnotwendig fรผr die Grundlast. Aber dieser Strom, der รผberhaupt nicht gebraucht wird, sorgt dafรผr, dass mitten in besten Wind- und Solarzeiten die erneuernbaren Anlagen vom Netz genommen werden, weil der alte, fossil erzeugte Strom die Netze verstopft.

Und nicht nur die deutschen Netze. Denn weil er spottbillig ist, weil die schiere Menge an Strom an der Bรถrse die Preise in den Keller treibt, wird er einfach ins benachbarte Ausland exportiert. Deutschland ist zum Exporteuropameister an dreckigem Strom geworden.

Aber die nรคchsten Schritte werden nicht mehr zu gehen sein, wenn nicht endlich Meiler um Meiler vom Netz geht (und damit aufhรถrt, mit seinem Strom die Netze zu verstopfen). Denn bis 2030 sollen die Erneuerbaren โ€“ nach dem mehr als konservativen Ausbauziel des weichgekochten EEG von 2017 โ€“ 60 Prozent des Stroms in Deutschland produzieren.

Tatsรคchlich aber sind Solar- und Windanlagen mittlerweile so kostengรผnstig und leistungsfรคhig, dass sich ihre Anschaffung auch ohne EEG-Umlage lohnt. Selbst die Stadtwerke Leipzig decken sich, wo sie kรถnnen, mit eigenen Windparks ein. Von denen viel zu wenige neu an den Markt kommen.

Denn mit dem EEG von 2017 hat sich die Bundesregierung den wohl genialsten SpaรŸ einfallen lassen, um den Windkraftausbau zum Erliegen zu bringen โ€“ neben der nun auch noch im Klimapaket auftauchenden vรถllig sinnfreien Abstandsregel: Neue Windparks dรผrfen nur noch mit einer groรŸen Ausschreibung an Bewerber gehen.

Das sorgt nicht nur dafรผr, dass Bรผrgerinitiativen und Genossenschaften kaum noch eine Chance haben, den Zuschlag zu erhalten, sondern ist sogar so demotivierend, dass nicht einmal mehr groรŸe Windparkbetreiber versuchen, bei solchen Ausschreibungen einen Zuschlag zu erlangen.

Die Schlacht findet gerade auf allen Ebenen statt. Und Sachsen ist nicht gerade das Land, das bei diesem Eiertanz nicht mitmacht. Im Gegenteil: Seit 2010, der Zeit der CDU/FDP-Regierung, stagniert der Windkraftausbau und die Staatsregierung tut alles, um sich selbst einzureden, man kรถnnte die Kohlekraftwerke noch bis 2038 laufen lassen.

Axel Berg betont in seinem Buch โ€žEnergiewende einfach durchsetzenโ€œ dazu freilich auch noch etwas nicht ganz Unwichtiges: Da die Gestehungskosten fรผr Strom aus regenerativen Anlagen seit 2016 unter denen der hochsubventionierten Fossilkraftwerke liegen, wรคre in einem funktionierenden Markt eigentlich alles entschieden: Die Erneuerbaren wรผrden binnen kรผrzester Zeit die komplette Stromversorgung รผbernehmen und die Strompreise wรผrden fallen.

Das wissen die Energiekonzerne auch und tun natรผrlich alles, ein ganz anderes Bild zu malen und ihre Unverzichtbarkeit vor allem in die Kรถpfe von Politikern zu hรคmmern, die sich von den alten Argumenten nur zu gern einschรผchtern lassen.

Energiewende einfach durchsetzen: In zehn Jahren kรถnnte Deutschland den Komplettausstieg aus der Fossilwirtschaft hinkriegen

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