Wie beeinflusst das Spielverhalten von Kindern ihr prosoziales Verhalten? Diese Frage haben sich Wissenschaftler des Leipziger Forschungszentrums fรผr frรผhkindliche Entwicklung (LFE) der Universitรคt Leipzig und des Max-Planck-Instituts fรผr evolutionรคre Anthropologie Leipzig gestellt. Es zeigte sich, dass kooperative Spiele die Bereitschaft, mit anderen Kindern zu teilen, fรถrderte. Ihre neuen Erkenntnisse haben die Forscher jetzt im Fachjournal โPLoS ONEโ verรถffentlicht.
Gemeinsam Lego-Tรผrme bauen, beim Mensch-รคrgere-dich-nicht-Spielen gegeneinander oder einfach fรผr sich allein spielen: Kinder spielen fast den ganzen Tag und das auf ganz unterschiedliche Arten. In der neuen Studie des LFE wurde nรคher erforscht, wie sich diese Formen des Spielens auf kindliches Verhalten auswirken. Hat es Auswirkungen auf Kinder, wenn sie miteinander oder gegeneinander spielen?
Einige Studien legen bereits nahe, dass kooperatives โ also gemeinsames โ Spielen das prosoziale Verhalten von Kindern fรถrdert. Sie teilen mehr mit ihren Mitspielern und helfen sich hรคufiger. Diese Ergebnisse bezogen sich aber bisher immer nur auf den Spielpartner. Die aktuelle Studie der Leipziger Forscher bezieht in diese รberlegungen nun auch das Handeln gegenรผber dritten, unbeteiligten Kindern mit ein. Lassen sich auch hier Unterschiede zwischen den Spielkontexten erkennen?
Erstmals wurde dafรผr ein neues Spiel mit Namen โKoKoโ entwickelt. Das Besondere an KoKo ist, dass es gegeneinander, miteinander und alleine gespielt werden kann. Dies hatte vor allem den Hintergrund, dass die Spielsituationen besser verglichen werden konnten, wie LFE-Doktorand Theo Toppe beschreibt: โBisher gab es keine Studie, die all diese drei Arten zu spielen untersucht hat. Wir wollten mit dieser Studie herausfinden, was hinter den Effekten bisheriger Untersuchungen steckt. Das Spiel sollte natรผrlich einfach verstรคndlich sein und Kindern Spaร machen. Das gab es so noch nicht.โ
Daher wurde in Zusammenarbeit mit der Spieledesignerin Sabrina Sgoda ein neues Spiel entwickelt. Dabei kรถnnen Kinder Murmeln in einer Box balancieren. Die Spielenden sitzen sich gegenรผber und versuchen durch das Ziehen an Schnรผren die Box so zu bewegen, dass die Kugel in die richtige Richtung rollt. Und es kam an.
โDie Kinder haben es schnell verstanden und gerade beim kooperativen Spielen viel Spaร gehabt. Viele Eltern haben gefragt, ob sie das Spiel mit nach Hause nehmen kรถnnen oder wo es das Spiel kaufen gibtโ, berichtet Toppe, der jetzt beim Max-Planck-Institut fรผr evolutionรคre Anthropologie tรคtig ist.
Fรผr die Stichprobe wurden 96 Kinder im Alter von vier bis sechs Jahren ausgewรคhlt. In diesem Alter haben Kinder bereits ein Verstรคndnis fรผr die drei verschiedenen Spielformen. Nachdem zwei Kinder entweder alleine, mit- oder gegeneinander gespielt hatten, beobachteten die Wissenschaftler, wie sie sich verhielten. Dabei wurden drei Aspekte berรผcksichtigt: Zum einen konnten die Kinder nach dem Spielen einige Aufkleber mit einem anderen Kind teilen, welches nicht mitgespielt hatte. Zudem wurde beobachtet, wie Kinder sich in einem Puppenspiel verhalten, indem sie jemand anderes in ein Ballspiel einbinden konnten. Am Schluss wurden die zwei Kinder, die vorher KoKo gespielt hatten, im freien Spiel beobachtet. Schon wรคhrend die Kinder KoKo spielten, zeigten sich sehr interessante Verhaltensweisen.
โAls die Kinder unser Spiel alleine gespielt haben, haben sie sich manchmal miteinander verglichen und einen Wettkampf erzeugt, obwohl wir das gar nicht wollten. Ich fand das spannend, da es zeigt, dass Kinder in Deutschland es sehr gewohnt sind, Spiele gegeneinander zu spielenโ, erklรคrt Toppe.
Nach kooperativen Spielen waren die Kinder eher bereit, mit einem ihnen unbekannten anderen Kind zu teilen. Die Ergebnisse stรผtzen also die Annahme, dass die Art des Spielens das prosoziale Verhalten von Kindern beeinflussen kann und damit eine wichtige Grundlage fรผr ihre moralische Entwicklung sein kann. Diese Erkenntnisse kรถnnen wichtige Informationen fรผr die Erziehungswissenschaft liefern.
Toppe sagt: โDas Wissen um diese bestimmten Effekte kann uns helfen, neue Spiele zu entwickeln, welche die Offenheit und Gutmรผtigkeit von Kindern fรถrdern sollen.โ Allerdings seien diese Ergebnisse nicht auf die Inklusionsbereitschaft รผbertragbar. โKooperative Spiele sind also keine Pauschallรถsung โ sie haben ganz bestimmte Effekteโ, erklรคrt der Experte.
Auf der ganzen Welt werden Spiele in verschiedenen Kulturen auf ganz unterschiedliche Arten gespielt. Die Ergebnisse dieser Studie kรถnnten deswegen nicht einfach verallgemeinert werden, betont Toppe. Um mehr รผber den Einfluss von Spielen auf die kindliche Entwicklung zu lernen, sei es wichtig, die Studie als Fortsetzung des Projekts in anderen Kulturen durchzufรผhren.
Originaltitel der Verรถffentlichung in โPLoS ONEโ: โPlaying a cooperative game promotes preschoolersโ sharing with third-parties, but not social inclusion.โ, doi.org/10.1371/journal.pone.0221092
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