Es ist keine erfreuliche, aber eine hilfreiche Gelegenheit, die sich fรผr die Wasserforscher des Leipziger Umweltforschungszentrums (UFZ) auftut, seit die Elbe auf hunderten Kilometern Niedrigwasser fรผhrt. Frachtschiffe kรถnnen da seit Monaten nicht mehr fahren. Dafรผr eignet sich das โ€žRestwasserโ€œ gut zur Erforschung der Frage: Wie geht der Fluss eigentlich mit den ganzen Schadstoffen um, die er aufnimmt?

Auf mehr als 580 Kilometer zieht sich die Elbe von der deutsch-tschechischen Grenze in Schmilka bis nach Geesthacht kurz vor Hamburg. Wie sich das extreme Niedrigwasser auf die Wasserqualitรคt auswirkt, ist eine der zentralen Fragen, auf die Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums fรผr Umweltforschung (UFZ) Antworten finden wollen.

Sie starteten deshalb am Donnerstag, 29. August, von Schmilka aus ihre neuntรคgige Fahrt auf dem UFZ-Forschungsschiff Albis. Eingebettet ist die Messkampagne in die MOSES-Initiative, bei der Wissenschaftler/-innen aus neun Helmholtz-Einrichtungen unter anderem untersuchen, wie sich infolge des Klimawandels hydrologische Extremereignisse wie Hoch- und Niedrigwasser auf den Wassereintrag in Bรถden, die Wasserqualitรคt der Binnengewรคsser und den stofflichen Eintrag ins Meer auswirken.

An 24 Standorten von Schmilka bis Geesthacht, jeweils links- und rechtsseitig sowie mittig der Elbe, wollen die UFZ-Wissenschaftler Proben nehmen. In Absprache mit den Landesbehรถrden in Sachsen und Sachsen-Anhalt messen sie mit einer Multiparametersonde Temperatur, Sauerstoff, die Konzentrationen schwebender Algen oder die Trรผbung des FlieรŸgewรคssers sowie chemische Parameter von Wasserproben wie partikulรคre und gelรถste Nรคhrstoffe, Schwermetalle, seltene Erden und Mikroschadstoffe.

Ein Schwerpunkt der Messkampagne ist die Analyse von Phytoplankton, das sind im Wasser schwebende einzellige Algen. Sie dienen vielen Tieren im Gewรคsser als Nahrung und nehmen gleichzeitig Nรคhrstoffe wie Phosphat und Nitrat auf. So kann moderates Algenwachstum einen positiven Einfluss auf das Gewรคsser haben. รœbermรครŸiges Algenwachstum fรผhrt hingegen zu einer Abwertung der Wasserqualitรคt โ€“ man spricht dann von Eutrophierung. Es kommt also fรผr die Elbe und auch fรผr die nachgelagerten Kรผstengewรคsser auf die richtige Balance an. Und diese kann durch ein extremes Niedrigwasser gestรถrt werden.

Im Fokus der Testfahrt steht zudem eine genaue Charakterisierung von gelรถstem organischem Material. Dabei kรถnnen die Wissenschaftler mit Hilfe hochauflรถsender Massenspektrometrie mehr als 1.000 Elementarkomponenten in diesen hochkomplexen Gemischen identifizieren und deren Verรคnderung entlang der Elbe auf bakterielle Aktivitรคt und Biomasseproduktion zurรผckfรผhren.

Zusรคtzlich finden auf der Flussfahrt nach dem gleichen Schema auch Messungen an den Mรผndungen von Saale, Mulde, Schwarzer Elster und Havel statt. Diese Zuflรผsse sind von groรŸem Interesse, weil sie die Wasserqualitรคt der Elbe stark beeinflussen kรถnnen. So prรคgt beispielsweise die Saale als grรถรŸter Zufluss die Elbe durch eine hohe Salzbelastung.

Anders als mit Standardmessungen vom Ufer aus ist es mit dieser Messfahrt mรถglich, sich รผber 580 Kilometer ein detailliertes Bild zu machen, welche Prozesse etwa bei der Umwandlung von Nรคhrstoffen und Schadstoffen im Wasserkรถrper der Elbe ablaufen. Zudem fanden die Messkampagnen der vergangenen Jahre nie bei einem solch extremen Niedrigwasser statt. So liegt derzeit zum Beispiel in Magdeburg der Pegel bei rund 53 Zentimetern nur knapp รผber dem Rekordniedrigstand von 46 Zentimetern.

โ€žDie Umsetzung von Kohlen- und Stickstoff sowie Phosphor bei diesem extremen Niedrigwasser zu analysieren, ist fรผr uns besonders interessant und hilft uns, Prognosen fรผr zukรผnftige Extremsituationen zu erstellenโ€œ, sagt UFZ-FlieรŸgewรคsserรถkologe Prof. Dr. Markus Weitere und Mitglied der MOSES-Arbeitsgruppe Hydrologische Extreme. Da bei diesem Wasserstand die Elbe sehr langsam flieรŸe und stark besonnt sei, kรถnnte es besonders in unteren Flussabschnitten zu starken Eutrophierungserscheinungen kommen.

Eingebettet ist die jetzige Elbe-Fahrt in weitere Testkampagnen, die im Rahmen der MOSES-Initiative im April und Juni zwischen der Elbemรผndung in Cuxhaven und Helgoland stattfanden und die im September noch um eine weitere Fahrt ergรคnzt werden soll. Beteiligt sind daran Helmholtz-Wissenschaftler/-innen auf Forschungsschiffen des Helmholtz-Zentrums Geesthacht, des Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrums fรผr Polar- und Meeresforschung und des GEOMAR Helmholtz-Zentrums fรผr Ozeanforschung Kiel.

โ€žDie Testfahrten in diesem Jahr dienen dazu, wichtige wissenschaftliche Daten zu erheben und in Kooperation zwischen den Helmholtz-Einrichtungen die Ablรคufe der umfangreichen Messeinsรคtze zu รผbenโ€œ, sagt die MOSES-Projektleiterin Dr. Ute Weber. Sie seien zugleich Generalprobe fรผr eine noch grรถรŸere Elbe-Testkampagne, die im kommenden Jahr unter Leitung des UFZ stattfindet und an der weitere sieben an MOSES beteiligte Helmholtz-Einrichtungen dabei sein werden.

Diese soll sich von Schmilka bis in die Nordsee erstrecken. Ziel wird dann sein, in einer Prozesskette die Auswirkungen auf terrestrische und marine ร–kosysteme zu analysieren โ€“ beginnend von Starkregen- und Gewitter-Ereignissen an Land, รผber hydrologische Abflรผsse bis hin zur Analyse einer Vielzahl von Stoffen, die in der Elbe und schlieรŸlich in der Nordsee landen.

MOSES steht fรผr โ€žModular Observation Solutions for Earth Systemsโ€œ. In dieser vom UFZ koordinierten Initiative bauen neun Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft zwischen 2017 und 2022 gemeinsam mobile und modular einsatzfรคhige Beobachtungssysteme auf, um die Auswirkungen zeitlich und rรคumlich begrenzter dynamischer Ereignisse, wie extremer Niederschlags- und Abflussereignisse, auf die langfristige Entwicklung von Erd- und Umweltsystemen zu untersuchen.

Grรผne fordern umfassende Strategie fรผr das Erlebnis von Naturrรคumen und Kulturlandschaften an der Elbe

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