LEIPZIGER ZEITUNG/Auszug Ausg. 68Kann man mit Moral Einfluss auf die Dopingentscheidung von Sportlern nehmen? Das versuchen gerade Leipziger Forscher der Universität Leipzig herauszufinden. Die Forscher wollen Lehrmaterialien für Sportler zum Thema Doping entwickeln, die die moralische Entscheidung und nicht etwa die gesundheitlichen Folgen in den Vordergrund rücken sollen. Projektleiterin Prof. Dr. Anne-Marie Elbe in einem Gespräch über den verflossenen Genuss von Sportveranstaltungen, das Spannungsfeld, in dem sich Athleten empfinden und die Neuartigkeit des Ansatzes.
Frau Prof. Dr. Elbe, Sie haben ein dreijähriges Forschungsprojekt initiiert, um letztlich Lehrmaterialien gegen Doping zu entwickeln. Ist das überhaupt notwendig?
Lehrmaterialien zur Drogenprävention gibt es schon auf der ganzen Welt. Uns interessiert eine neue Form der Materialien, denn bisher sind die Materialien von WADA (World Anti-Doping Agency) und NADA (Nationale Anti-Doping Agentur Deutschland) auf Wissensvermittlung ausgerichtet. Es geht beispielsweise um Gesundheitsrisiken. Wir sind der Meinung, dass Material, das auf Wissensvermittlung und Abschreckung abzielt, nicht ganz so effektiv ist.
Deshalb geht es uns um die Ethik des Sports, das Einhalten der Regeln, ethisches Entscheiden, moralische Dilemmas, in die ich kommen könnte und darum, diese durchzuspielen. Darüber hinaus geht es auch um die Stärkung von Werten innerhalb der Trainingsgruppe.
Die Athleten haben alle eine Schule besucht und kennen die Beschäftigung mit Moral aus dem Ethik- oder Religionsunterricht …
Das stimmt. Die Beschäftigung mit dem Thema Doping ist Teil des Rahmenplanes an den Sportschulen, diese Art des Trainings gibt es bisher aber noch nicht.
In welchem Spannungsfeld bewegen sich junge Athleten beim Thema Doping?
Sie sind Teil eines Systems, möchten Erwartungen gegenüber sich selbst, Eltern, Freunden erfüllen und in der Trainingsgruppe erfolgreich sein. Wenn sie finanziell gefördert werden, wollen sie dem Verband gerecht werden. Es geht um Kaderzugehörigkeit und Qualifikationsnormen.
Wie gehen Sie methodisch vor, um diese Materialien zu entwickeln?
Ganz wichtig war es, eine Partnerschaft aufzubauen, um dann auch die Möglichkeit zu bekommen, Daten sammeln zu können. Beteiligt sind der Olympiastützpunkt Leipzig, der Landessportbund, der Sächsische Kanuverband, die Sportschule in Leipzig, der Sächsische Hockeyverband und die NADA. Nun sind wir gerade dabei, unsere Messinstrumente, also Fragebögen zu entwickeln.
Unsere Studierenden haben diese bereits ausgefüllt, und die Nachwuchssportler sind danach dran. Danach schauen wir, ob die Fragebögen in Ordnung sind. Anschließend geht es darum, mit zwei Sport- und Ethiklehrern die Materialien zu entwickeln. Eine Gruppe erhält das Standardprogramm für die Wissensvermittlung mit Material von der WADA. Die andere die neue Unterrichtsform, die basierend auf unseren Ideen entwickelt werden muss.
Was fragen Sie die Athleten konkret?
Wir fragen beispielsweise, wie wahrscheinlich es wäre, in Leistungssituationen oder nach einer Verletzung zu Dopingmitteln zu greifen oder wie schuldig sie sich fühlen würden, wenn sie dopen würden. Außerdem geht es auch um etwas, was wir „Moral disengagement“ nennen.
Das sind Strategien, um falsches Verhalten zu rechtfertigen, beispielsweise: Ich nehme das Dopingmittel, weil alle in meiner Trainingsgruppe dieses Mittel nehmen. Es geht auch um das ethische Klima und die Einstellung zum Thema Doping in der Trainingsgruppe. Wichtig ist dabei, dass wir nach hypothetischen Situationen und nicht nach der Vergangenheit fragen. Sonst würden wir unwahre Antworten bekommen.
Das Forschungsprojekt ist auf drei Jahre angelegt. Was benötigt so lange Zeit?
Wir müssen die sechs Einheiten jeweils planen, die Fragebögen werden wir zuvor noch mal testen und überarbeiten, dann wird es einen Probedurchlauf der sechs Einheiten geben, und dann werden wir das Ganze noch mal überarbeiten.
Vermutlich Mitte nächsten Jahres werden wir mit der richtigen Intervention anfangen. Dafür wird viel Zeit benötigt. Drei Monate nach Abschluss der Intervention werden wir noch mal mit den Interventionsgruppen überprüfen, wie dauerhaft der Effekt war.
Wie lang dauert eine Einheit?
Jede Einheit dauert 45 Minuten, also eine Schulstunde.
Was wäre denn, wenn niemand im Fragebogen angibt, dass er oder sie dopen will?
Dann hätten wir in der Tat ein Problem und könnten mit unserer Intervention keine positiven Effekte nachweisen.
Wie sind Sie darauf gekommen, haben Sie früher selbst mit Doping zu tun gehabt?
Man kann weltweit beobachten, dass es einen leichten Zuwachs an Forschungsmitteln für Dopingprävention gibt. Die WADA investiert viel Geld, ich bin selbst an einem IOC-Projekt zur Dopingprävention beteiligt. Ich habe als Leichtathletin etwas Leistungssport betrieben, aber nicht auf internationalem Niveau.
Während des Sports bin ich daher nie in Kontakt mit Doping gekommen, und ich hatte auch nie eine Dopingkontrolle, weil ich nicht so gut war. Im Sportstudium kursierten aber unter den Studierenden angeblich auch „Mittel“ um Prüfungen zu bestehen.
Können Sie Sportveranstaltungen noch genießen, ohne an Doping denken zu müssen?
Nein, leider nicht. Bei den Erstplatzierten habe ich immer Zweifel, ob die Leistung wirklich sauber erbracht wurde.
Die Leipziger Zeitung Nr. 68 ist da: Game over! Keine Angst vor neuen Wegen
Die Leipziger Zeitung Nr. 68 ist da: Game over! Keine Angst vor neuen Wegen
Keine Kommentare bisher