Es war notgedrungen eine Hauruckaktion, als die HTWK Leipzig praktisch die Nachfolge der Hochschule für Telekommunikation antrat und mit Stiftungsprofessuren der Deutschen Telekom AG seit November 2018 die neue Fakultät „Digitale Transformation“ aufbaute. Am Mittwoch, 19. Juni, wurde diese Inkorporation an der HTWK samt Ministerbesuch gefeiert und als neuer Digital-Leuchtturm gewürdigt. Dass die Neugründung aber nicht ohne Rumpeln vor sich geht, das merkte zumindest der StuRa an.
Inzwischen sind die ersten rund 130 Studierenden der Studiengänge Informations- und Kommunikationstechnik sowie Telekommunikationsinformatik an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig) eingeschrieben. Die ersten der insgesamt 17 Professuren werden in Kürze besetzt, danach wird die Fakultät formal gegründet. Außerdem stiftet die Deutsche Telekom AG 15,5 Mitarbeiterstellen im wissenschaftlichen und im Verwaltungsbereich sowie die notwendige Sachausstattung für das gemeinsame Projekt und trägt somit alle anfallenden Kosten, meldet die HTWK. Ein Punkt, den die Studierenden zumindest bedenklich finden. Warum finanziert der Freistaat selbst nicht den neuen Studienschwerpunkt an der HTWK?
Ein Stiftungsprojekt in diesem Umfang ist an einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften einmalig in Deutschland, erklärt die HTWK dazu.
Am Mittwoch, 19. Juni, kam auch Martin Dulig, Sächsischer Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, zur Stiftungsfeier: „Die HTWK Leipzig ist der ideale Standort für eine Fakultät Digitale Transformation. Denn die Digitalisierung betrifft alle Lebensbereiche – auch Technik, Wirtschaft und Kultur. Jetzt geht es darum, diesen Wandel aktiv zu gestalten. Sachsen verfügt heute über herausragende Kompetenzen bei Schlüsseltechnologien der Digitalisierung. Dies ist vor allem der exzellenten Forschungs- und Hochschullandschaft zu verdanken. Ich bin überzeugt, dass die neue Fakultät künftig ein weiter Baustein dafür sein wird. Zu diesem wegweisenden Schritt möchte ich Rektorin Prof. Gesine Grande und ihren Mitstreitern herzlich gratulieren. Der Deutschen Telekom denke ich für die langfristige Finanzierung.“
Dr. Eva-Maria Stange, Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst und damit für die Hochschulen verantwortlich, erklärte: „Mit ihrer neuen und einzigartigen Stiftungsfakultät wird die HTWK zu einer Hochschule, deren künftige Absolventen als Fachkräfte für angewandte Digitalisierung sicher schnell in den Unternehmen Fuß fassen werden. Der Bedarf an IT-Spezialisten aller Art ist groß. Ich bin sicher, dass sich die neue Fakultät auch gut in die bestehenden Fachrichtungen der HTWK einpasst und dies der Lehre und der Forschung insgesamt große Impulse geben wird. Besonders danken möchte ich der HTWK-Rektorin, Prof. Gesine Grande, für Ihren großen Einsatz zum Gelingen der Kooperation zwischen Hochschule und Deutsche Telekom AG.“
Keine Frage, dass so eine Fakultät „Digitale Transformation“ für die Gesellschaft wichtig ist. Denn Deutschland rumpelt ja beim digitalen Netzausbau recht unprofessionell durch die Jahre.
„Ich freue mich für den IT-Standort Leipzig, seine traditionsreiche Fachhochschule und deren Mitglieder. Ab Sommer werden 17 Professor/-innen berufen und die nächsten Studierenden immatrikuliert“, erklärte am Mittwoch der Leipziger Landtagsabgeordnete und Sprecher für Hochschule und Wissenschaft der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag Holger Mann.
Und wies darauf hin: „Mit Mitteln des Freistaates Sachsen werden weitere zwei Professuren für angewandte Digitalisierung den Wandel auch in den anderen Fakultäten gestalten. Dieses Beispiel zeigt, wie wir die Herausforderungen der Digitalisierung aktiv angehen wollen: Mit neuen Kooperationsmodellen sowie einem Schwerpunkt auf Innovation und Bildung.“
Aber den größeren Einfluss sichert sich nach wie vor die Telekom über ihre Stiftungsprofessuren.
„Voraussetzung einer erfolgreichen Digitalisierung ist eine enge Zusammenarbeit von Unternehmen und Hochschulen. Ich freue mich auf viele gut ausgebildete Studierende, die ihren Abschluss durch ein Studium an der Stiftungsfakultät Digitale Transformation erreicht haben. Das ist gut für die jungen Menschen, aber auch für die Telekom, das Land Sachsen und den Standort Leipzig“, sagte Dr. Thomas Kremer, Vorstandsmitglied Deutsche Telekom AG für Datenschutz, Recht und Compliance.
„Wir sind die erste und einzige Hochschule für Angewandte Wissenschaften, der es zugetraut wird, ein solches Projekt aufzubauen und im gemeinsamen Interesse inhaltlich, fachlich und wissenschaftlich weiterzuentwickeln“, ergänzte Prof. Dr. Gesine Grande, Rektorin der HTWK Leipzig. „Wir sind uns der Chancen und der Verantwortung bewusst. Die Vertragspartner versprechen sich von dieser Stiftungsfakultät einen Mehrwert für alle Beteiligten und eine Impulswirkung für die Region und den Freistaat Sachsen – und die Hochschule wird alles tun, um diese Erwartungen bestmöglich zu erfüllen.“
Während die Vertreter/-innen der HTWK Leipzig, der DTAG und des Freistaates Sachsen auf die geschlossenen Vereinbarungen anstießen, positionierte sich der StudierendenRat der HTWK Leipzig (StuRa) durchaus kritisch zur Stiftungsfakultät.
Man sah zwar auch einige positive Aspekte der Stiftung, müsste trotzdem ein paar bedenkliche Punkte ansprechen, so der StuRa.
Das Statement des StuRa:
„An der HTWK Leipzig sind bereits seit dem Wintersemester 2018/19 über 120 Studierende in zwei Bachelorstudiengängen immatrikuliert. Dass die Gründung nun erst ein Dreivierteljahr später erfolgt, verdeutlicht die teils fragliche Lage der Fakultät.
Am 26.01.2018 gelangte der Wissenschaftsrat zu einer negativen Akkreditierungsentscheidung für die Hochschule für Telekommunikation Leipzig (HfTL), da sie den wissenschaftlichen Maßstäben einer Hochschule nicht entspräche. Bereits am 26.02.2018 wurde die Absicht zur Einrichtung einer Stiftungsfakultät an der HTWK Leipzig durch eine Kleine Anfrage im Sächsischen Landtag bekannt.
„Unter dieser überstürzten Einrichtung leiden vor allem die Studierenden der Fakultät Digitale Transformation. So werden beispielsweise Absprachen zwischen HTWK Leipzig und DTAG nicht eingehalten, was gerade für die kooperativen Studierenden eine zusätzliche Belastung darstellt. An der HTWK Leipzig laufen derzeit sieben Berufungen von Professor/-innen und weitere Ausschreibungen von Mitarbeiter/-innen für die Lehre und Verwaltung der neuen Fakultät. Für die Hochschule muss es ein Kraftakt sein, diese fehlenden Ressourcen mit dem sowieso vorherrschenden Personalmangel und schlechtem Betreuungsschlüssel auszugleichen“, so Nico Zech, Sprecher des StuRa.
Nach Aussage der Hochschule sei die HTWK Leipzig mit dieser Fakultät auf dem Weg, sich zum Zentrum der Angewandten Digitalisierung in der Region zu entwickeln. Es ist begrüßenswert, dass sich der Freistaat Sachsen im Thema Digitalisierung nicht abhängen lassen will und dafür die Einrichtung einer eigenen Fakultät unterstützt. Gerade im Bereich der Digitalisierung ist die Praxisnähe wichtig und eine Einrichtung von anwendungsbezogenen Studiengängen in Kooperation mit Praxispartner/-innen zu begrüßen.
Nach der Meinung des StudierendenRates der HTWK Leipzig sind das jedoch keine Gründe, die Finanzierung auf ein privatwirtschaftliches Unternehmen auszulagern. „Das Land stiehlt sich hier eindeutig aus der Verantwortung. Für die Finanzierung der Fakultät hätte der Freistaat die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen müssen. Vor allem im Bereich der Forschung besteht die Gefahr, dass diese eng an den Kernkompetenzen und an der Konzernstrategie der DTAG ausgerichtet werden – wie bisher an der HfTL”, so Zech.
Der StuRa blickt erwartungsvoll und skeptisch auf die heute eingerichtete Fakultät und wünscht der Hochschule viel Erfolg bei der Trennung der Freiheit in Lehre und Forschung von Konzerninteressen. Leider wurden einige Gegebenheiten, die der Wissenschaftsrat in seiner Stellungnahme zur HfTL kritisierte, auch an die Fakultät Digitale Transformation übernommen. Nico Zech schließt: „So fungiert auch an der F DIT derzeit ausschließlich die DTAG als Praxispartner, obwohl sowohl an der HfTL als auch an der HTWK analoge Modelle für weitere Kooperationspartner möglich wären. Hier sollte die Hochschule Anstrengungen unternehmen, weitere Partner/-innen zu finden. Wie die HfTL sollte auch die F DIT Gleichstellung bei den Studierenden als zentrales Ziel formulieren und in diesem Sinne Konzepte entwickeln, um mehr weibliche Studierende zu gewinnen.“
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