Was passiert eigentlich mit Flüssen, in die permanent Dünger aller Art gespült wird? Sie werden zur chemischen Brühe, unter Wasser stirbt das Leben, weil die Algen den ganzen Sauerstoff aufzehren, oben wuchert ein grüner Belag. Schön zu beobachten gewesen am Leipziger Elsterbecken im Sommer 2018. Da klingt nur bedingt optimistisch, was Forscher des UFZ Leipzig jetzt herausgefunden haben.
Denn das Nitrat aus der Landwirtschaft, das in übermäßigen Mengen auf die riesigen Felder ausgebracht wird, wird ja bei Regen nicht nur in Flüsse und Seen gespült, es gelangt mit dem Regenwasser auch ins Grundwasser. So wie in den landwirtschaftlich genutzten Regionen Sachsens, wo hunderte Grundwassermessstellen seit Jahren völlig überhöhte Nitratwerte aufweisen. Der WWF nannte es 2017 schon mal der Kürze halber „Nitratbrühe“.
Auch Leipziger Messstellen erzählen von dieser Nitratbrühe, die oberirdischen Flüsse sowieso: Gerade Parthe und Weiße Elster sind im Grunde fließende Düngerlasten. Aber selbst Badeseen weisen immer öfter hohe Nitratwerte auf – ein Schmaus für die Blaualgen, die das Wasser dann vergiften.
Der doppelte kleine Trost jetzt aus der Forschungsarbeit: Die Düngerbrühe im Grundwasser fließt irgendwann ab, wenn oben der Nachschub an Gülle endlich ausbleibt. Aber es dauert sehr, sehr lange. Und es gibt einige Böden, in denen Bakterien genug Nahrung finden, um die Nitratbelastung im Grundwasser schneller abzubauen als erhofft.
Darüber berichtete das Umweltforschungszentrum am Freitag, 8. Februar.
Der Befund: Der Eintrag von reaktivem Stickstoff in Gewässer verursacht weltweit schwere ökologische Schäden. Umso wichtiger sind natürliche Reinigungsprozesse im Untergrund, die wenigstens einen Teil dieser Verschmutzung wieder beseitigen können.
Ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Universität Rennes (Frankreich), an dem auch Hydrologen vom Helmholtz Zentrum für Umweltforschung (UFZ) und der Universität Bayreuth beteiligt waren, kommt zu dem Schluss, dass die Kapazität vieler tiefer Grundwasserleiter Nitrat zu entfernen wohl höher ist als oft angenommen. Im renommierten Fachjournal PNAS stellen sie eine robuste Methode zur Bewertung dieses Selbstreinigungspotenzials vor.
Düngerquelle Landwirtschaft
Reaktiver Stickstoff gelangt über stickstoffhaltige Düngemittel der Landwirtschaft sowie durch den Eintrag aus der Atmosphäre in den Boden. Dort wird ein Teil von Pflanzen aufgenommen, der Rest wird vor allem als Nitrat in tiefere Bodenschichten ausgespült und gelangt schließlich ins Grundwasser.
„Die Prozesse, die sich in den tiefen Bodenschichten abspielen, werden durch unsere üblichen Messvorrichtungen jedoch kaum erfasst. Deshalb ist es meist schwer festzustellen, wie viel des Stickstoffs bis ins Grundwasser und die von ihm gespeisten Flüsse transportiert wird“, sagt Dr. Tamara Kolbe, Wissenschaftlerin an der schwedischen Universität für Agrarwissenschaften in Uppsala und Erstautorin der Studie.
Ein internationales Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hat es nun mithilfe einer neuen Methode geschafft, das Reinigungspotenzial des Untergrunds zu bewerten.
Basis der Forschungsarbeit sind Daten zu Qualität und Alter des Grundwassers aus mehr als 50 Grundwasserbrunnen in Frankreich und den USA. Zur Überraschung der Wissenschaftler zeigten sich bei 80 Prozent der Brunnen Zeichen eines deutlichen Abbaus von Nitrat in der Tiefe. Kolbe und ihre Koautoren führen das auf die Existenz von energiereichen Mineralien im Untergrund zurück. Dieser Zusammenhang lässt sich dadurch erklären, dass einige Mikroorganismen bei der Atmung anstelle von Sauerstoff Nitrat umsetzen können. Dabei wird das Nitrat in harmloses Stickstoffgas umgewandelt, das den Großteil der Atmosphäre ausmacht.
Damit dieser Umwandlungsprozess stattfinden kann, benötigen die Mikroben eine Energiequelle. Diese finden sie in der Regel im organischen Kohlenstoff (z. B. aus Pflanzenresten) der Böden. Allerdings erreicht nur ein geringer Teil des organischen Kohlenstoffs tiefere Grundwasserleiter. Häufig ist das grundwasserführende Gestein jedoch reich an energiereichen Mineralien wie Eisen- und Schwefelverbindungen. Einige Mikroorganismen können diese Gesteinsmineralien nutzen, um damit Nitrat abzubauen, auch lange nachdem der organische Kohlenstoff bereits aufgebraucht ist.
„Dies ist auch deshalb eine gute Nachricht, weil Trinkwasser häufig aus Grundwasserleitern in großer Tiefe gewonnen wird“, erklärt Prof. Stefan Peiffer von der Universität Bayreuth und Mitautor der Studie. Aus diesem Befund folgt allerdings nicht, dass stickstoffhaltiger Dünger bedenkenlos in unbegrenzter Menge auf Ackerflächen ausgebracht werden darf.
Die Brühe ist lange im Untergrund unterwegs
„Die Verfügbarkeit mineralischer Energiequellen für den mikrobiellen Nitratabbau im Untergrund ist endlich und das Schutzpotenzial des Untergrunds damit begrenzt“, warnt Mitautor Prof. Jan Fleckenstein vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ).
Die Ergebnisse der Studie könnten auch erklären, warum Nitrat aus dem Grundwasser selbst dann noch in Fließgewässer gelangen kann, wenn die Einträge in den Boden schon längst stark reduziert oder sogar gestoppt wurden. Verschmutztes Wasser kann über lange Zeiträume im Untergrund unterwegs sein, ohne dass die richtigen Bedingungen für den Nitratabbau angetroffen werden. So kann es zu einer erheblichen Zeitverzögerung zwischen einem umweltfreundlicheren Management in der Landwirtschaft und gesünderen Ökosystemen kommen.
„Die Methoden, die wir im Rahmen unserer Studie entwickelt haben, lassen uns die Erholungszeiträume für kontaminierte Grundwasserleiter besser abschätzen. Dieses Wissen könnte Verantwortliche in der Umweltpolitik auch vor unrealistischen Erwartungen bewahren“, ergänzt Tamara Kolbe.
Publikation: Tamara Kolbe, Jean-Raynald de Dreuzy, Benjamin W. Abbott, Luc Aquilina, Tristan Babey, Christopher T. Green, Jan H. Fleckenstein, Thierry Labasque, Anniet M. Laverman, Jean Marçais, Stefan Peiffer, Zahra Thomas, and Gilles Pinay: Stratification of reactivity determines nitrate removal in groundwater. https://doi.org/10.1073/pnas.1816892116
Mit Untätigkeit bekommt Sachsens Landwirtschaftsminister die Nitratbelastung im Grundwasser nicht gesenkt
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Sowas müsste, mitten im Naturschutzgebiet, verboten sein! Aber die Landwirtschaftslobby hat noch mehr Narrenfreihet als die Holzlobby. Leider, dabie ist doch Wasser nun ganz offensichtlich unser aller Lebensgrundlage und die Leipziger Aue Trinkwasserspeicher! Wieder hat die Stadtverwaltung dafür den Hut auf (sie ist Verpächterin). Warum findet da nicht, wenn überhaupt, ökologische Landwirtschaft statt: genügend Interessenten dürfte es doch dafür geben! Statt dessen bezahlt Deutschland mit UNSEREM Geld lieber hohe Strafen an die EU, wegen der zu hohen Nitratbelastungen, zusätzliche Subventionierung eben. Kein Wunder, dass so viele die Schnauze voll haben, von diesem Ausmaß an Ignoranz in der Politik.