Da war wohl der alte Adam Smith Vater des Gedankens, als Evolutionsforscher meinten, Primaten würden ihre Nahrung mit anderen deshalb teilen, weil sie sich damit für später Vorteile erhoffen. Also schon mal einkalkulieren, dass einem die jetzige Investition später zunutzen kommt. Aber weder Schimpansen sind solche „natürlichen“ Geschäftsleute, noch die meisten Menschen. Die Taï-Schimpansen machen es deutlich.
Die Entstehung von kooperativen Gemeinschaften hat also wohl nichts mit dem kalkulierenden Geschäftsmann zu tun, der immer auf seinen Vorteil bedacht ist, selbst beim Teilen von Nahrung. Dafür viel mit Vertrauen und Freundschaft.
Das von unseren toughen Geschäftsmännern so gern missbraucht wird.
Warum sollte man sein Essen mit Personen teilen, die nicht zur eigenen Familie gehören, und einem keinen direkten Vorteil verschaffen? Das war die Frage, die dem jüngsten Beobachtungsprojekt der Leipziger Evolutionsforscher zugrunde lag.
Ein internationales Forscherteam am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig beobachtete im Taï-Nationalpark an der Elfenbeinküste freilebende Schimpansen beim Teilen ihrer Nahrung.
Dabei fanden die Forschenden heraus, dass Schimpansen besonders beliebte Nahrungsmittel wie Fleisch, Honig oder große Früchte vor allem mit ihren Freunden teilen, und dass weder der Rang eines Tiers noch Bettelei ihres Gegenüber ihre Entscheidung beeinflussen.
Fleisch nach der Jagd mit anderen zu teilen und beliebte Nahrungsmittel untereinander zu tauschen, wird als Schlüssel für die Evolution menschlicher Kooperation betrachtet.
Und dann die Diskussion der These:
Was bringt Schimpansen (und Menschen) eigentlich dazu, so selbstverständlich zu teilen?
Weit verbreitet ist die Annahme, dass Menschen diese Nahrungsmittel teilen oder tauschen, um später von den Begünstigten Gefälligkeiten gewährt zu bekommen oder von ihnen als Kooperationspartner betrachtet zu werden. Das wäre der Ansatz á la Adam Smith: Der Marktteilnehmer kalkuliert immer schon den möglichen Gewinn mit ein, den ihm so ein Investment bringt.
Aber das bestätigen auch andere Beobachtungen bei Primaten nicht, auch wenn es da oft nicht um Freunde geht.
Anders als Menschen teilen Tiere ihre Nahrung in der Regel nur mit Verwandten und Fortpflanzungspartnern. Zu den seltenen Ausnahmen gehören unsere beiden nächsten lebenden Verwandten, Schimpansen und Bonobos. Erkenntnisse, nach welchen Mustern erwachsene Schimpansen Futter miteinander teilen, helfen Wissenschaftler/-innen bei der Beantwortung von Fragen zur Evolution der menschlichen Kooperation.
Forscher vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie beobachteten deshalb im Taï-Nationalpark an der Elfenbeinküste, mit wem freilebende Schimpansen ihr Futter teilen. Sie fanden heraus, dass die Tiere dabei sehr selektiv vorgehen und besonders beliebte Nahrung wie Fleisch, Honig oder große Früchte eher mit ihren Freunden teilen.
Und dann kommt der wichtige Aspekt: Weder ein dominanter Rang eines Tiers noch Bettelei konnte ihre Entscheidung beeinflussen. Primaten verhalten sich also nicht kooperativ, um sich Vorteile zu verschaffen. Auch nicht beim Boss.
Diese Ergebnisse ergänzen die Ergebnisse einer weiteren Studie des gleichen Teams, die im September veröffentlicht wurde, und untersuchte, mit wem Schimpansen nach der Jagd Fleisch teilen. Die Forscher/-innen konnten belegen, dass Schimpansen nach einer erfolgreichen Jagd andere beteiligte Jäger belohnten, indem sie die Beute mit ihnen teilten.
„Unsere Untersuchungen zeigen: Schimpansen berücksichtigen bei ihrer Entscheidung, mit wem sie ihre Nahrung teilen, wer ihnen dafür am wahrscheinlichsten später eine Gefälligkeit erweisen würde“, sagt Liran Samuni, Erstautorin beider Studien. „Oder – wie es nach Gruppenjagden der Fall ist – revanchieren sich die Tiere bei anderen Jägern für die Hilfe bei der gemeinsamen Jagd.“
Kooperation hat nichts mit Bettelei zu tun
Früheren Studien zu einer anderen Schimpansen-Unterart zufolge teilten die Tiere dann häufig ihr Futter, wenn sie sich von bettelnden Artgenossen belästigt fühlten.
„Das war bei den Taï-Schimpansen nicht der Fall, was die große Variationsbreite kooperativen Verhaltens zwischen verschiedenen Schimpansenpopulationen verdeutlicht“, betont Catherine Crockford, leitende Autorin der Studien.
Auch menschliche Populationen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Kooperationsbereitschaft, und Forschung zu Menschen als auch zu Tieren erklärt, warum manche Populationen kooperativer sind als andere.
„Eine Einheit mit anderen Artgenossen zu bilden, um nicht selbst Raubtieren zum Opfer zu fallen, oder die Fähigkeit, gemeinsam reiche Nahrungsquellen zu erschließen, sind zwei beispielhafte Szenarien, die kooperative Handlungen begünstigen“, erklärt Roman Wittig, der zweite leitende Autor der Studien.
Darüber hinaus sammelten die Forscher Urinproben von Schimpansen nach der Jagd und nachdem sie Futter miteinander geteilt hatten, um den Oxytocin-Spiegel der Tiere zu messen.
„Wir wissen, dass das Hormon Oxytocin eine wichtige Rolle beim Stillen spielt, das beispielhaft für das Teilen von Nahrung zwischen Mutter und Kind steht“, erklärt Liran Samuni. „Im Allgemeinen trägt dieses Hormon auch zum Sozialverhalten und dem Aufbau und der Pflege sozialer Bindungen bei.“
Die Forschenden fanden hohe Oxytocin-Konzentrationen im Urin der Schimpansen, nachdem diese Fleisch und andere wertvolle Nahrungsmittel miteinander geteilt hatten oder nachdem Schimpansen an einer Gruppenjagd teilgenommen hatten. „Dass wir bei den Tieren sowohl nach der gemeinsamen Jagd als auch nach dem Teilen von Nahrung einen höheren Oxytocin-Spiegel nachweisen konnten, belegt die Schlüsselrolle des Hormons Oxytocin bei der Kooperation im Allgemeinen“, betont Liran Samuni.
Die Forschenden kommen zu dem Schluss, dass Taï-Schimpansen – wie Menschen auch – genau auswählen, mit wem sie etwas teilen, und dass sie dabei ihre Freunde und die Artgenossen, die ihnen beim Erwerb der Nahrung geholfen haben, bevorzugt behandeln. Die emotionale Verbindung, wie sie unter Freunden üblich ist, spielte wahrscheinlich auch für die Entwicklung der menschlichen Kooperation eine entscheidende Rolle, so die Forschenden.
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