Die Hoffnung lässt sich ja nicht kleinkriegen. Vielleicht hilft es ja, wenn man den beratungsresistenten Politikern vorrechnet, dass die bis jetzt übliche Zerstörung unserer Umwelt schweineviel Geld kostet und ein echter Naturschutz sogar einen echten ökonomischen Wert hat. Jedenfalls versucht das der Abschlussberichts von „Naturkapital Deutschland – TEEB DE“ jetzt zu zeigen. Nicht nur mit Bienen und verbauten Auen.
Mit den Autoren des Abschlussberichts auf den Punkt gebracht: Intakte Ökosysteme haben für Deutschland einen großen ökonomischen Wert, ihre Beeinträchtigung verursacht enorme volkswirtschaftliche Kosten. Das sind die Kernaussagen des Abschlussberichts von „Naturkapital Deutschland – TEEB DE“, der am Dienstag, 25. September, im Bundesumweltministerium der Parlamentarischen Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter übergeben wurde.
Ein Beispiel für die ökonomische Bedeutung des Naturerhalts, das im Bericht auch besonders betont wird: Produkte im Wert von 1,1 Milliarden Euro hängen in Deutschland von der Bestäubungsleistung durch Insekten – und damit von der Erhaltung ihrer Lebensräume – ab.
Rita Schwarzelühr-Sutter betont dazu: „Der Schutz von Ökosystemen ist nicht nur wichtig für Arten und Lebensräume, sondern auch für den Menschen und für die wirtschaftliche Entwicklung. Die Ergebnisse des Projekts ‚Naturkapital Deutschland‘ liefern ökonomische Argumente für wichtige umweltpolitische Projekte: für das geplante ‚Aktionsprogramm Insektenschutz‘, den ‚Masterplan Stadtnatur‘ und für eine ökologischere Ausrichtung der EU-Agrarpolitik.“
Übergeben wurde der Bericht vom Studienleiter Professor Dr. Bernd Hansjürgens, Umweltökonom am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ).
„Es geht beim TEEB-Ansatz um die Frage: Was bringt Naturschutz ökonomisch? Und wie teuer ist es, auf Naturschutz zu verzichten?“, erklärt Bernd Hansjürgens. „Die ökonomische Perspektive soll die Potenziale und Leistungen der Natur sichtbarer machen, damit sie besser in Entscheidungsprozesse einbezogen werden können. Insbesondere Zahlungen in der Agrarpolitik müssen gezielter an gesellschaftliche Leistungen anknüpfen. Eine konsequente Umschichtung der Subventionen würde in der Landwirtschaft ein erhebliches Potenzial zur Erhaltung von Naturkapital mobilisieren.“
So weit ist es gekommen: Man muss den entscheidenden Politikern vorrechnen, welchen ökonomischen Wert unsere Umwelt hat, damit sie Argumente haben, sie überhaupt noch vor wirtschaftlichen Profitinteressen zu schützen.
Ein makabrer Vorgang, der aber auch zeigt, wie radikal seit Jahren rein auf Rendite getrimmte Entscheidungen darüber bestimmt haben, ob Wälder verschwinden, Auen zugebaut, Tümpel trockengelegt oder Flüsse kanalisiert wurden. Das ökonomisierte Denken hat sich bis in die Sprache der Politik hinein verfestigt. Und die drastischen Verluste durch diese Übernutzung unserer Umwelt sind erst bezifferbar, wenn Forscher – wie die an TEEB beteiligten – ausrechnen, welche Schäden dieser Naturverlust im konkreten auch wirtschaftlich verursacht.
Der Abschlussbericht beschreibt zehn ausgewählte Beispiele für die ökonomischen Leistungen der Natur.
Im Zentrum steht das aktuellste Beispiel, bei dem die Übernutzung der Umwelt zu beängstigenden Folgen bei den noch nachweisbaren Insekten führt: Der wirtschaftliche Wert der Produkte, die von Bestäubungsleistungen durch Insekten abhängen, wird in Deutschland auf 1,1 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Allein bei einer ausbleibenden Bestäubung durch Honigbienen würde die Ertragsminderung für einzelne Kulturarten mehr als 90 Prozent betragen. Neue Untersuchungen zeigen, dass Wildbienen meist effektiver bei der Bestäubung sind als die Honigbienen.
Und von den 1,1 Milliarden Euro darf man sich nicht täuschen lassen. Das ist die jährliche Bestäubungsleistung. Wenn aber ganze Ernten um 90 Prozent zurückgehen, weil keine Bestäuber mehr da sind, ist das mindeste, was wir bekommen, eine weltumspannende Nahrungsmittelkrise. Denn die Verluste an Insekten betreffen alle hochtechnisierten Agrargesellschaften. Das würde die Ernteverluste des Dürrejahres 2018 bei weitem in den Schatten stellen.
Oder so formuliert: Die Forscher sind bei ihren Berechnungen zu Nutzen und Schadensvermeidung sehr zurückhaltend vorgegangen.
Das betrifft auch die Hochwasser-Folgekosten.
Im Jahr 2002 verursachte das Hochwasser im Elbe- und Donaueinzugsgebiet einen wirtschaftlichen Schaden in Höhe von rund 11 Milliarden Euro. Beim Hochwasser in 2013 beliefen sich die Schäden deutschlandweit auf knapp 7 Milliarden Euro. Das klingt überschaubar. Aber gerade 2013 waren große Teile der hochwasserführenden Flüsse in Sachsen schon aufwendig mit stärkeren Schutzsystemen ausgestattet. Die hatten aber lediglich zur Folge, dass sich die Wasser schneller und höher aufstauten und flussabwärts vermehrt zu Deichbrüchen und Überschwemmungen führten.
Durch den Klimawandel werden Starkregenereignisse und Überflutungen aber weiter zunehmen. Der Druck auf die Deichsysteme wird also weiter wachsen – und damit der Bedarf an weiteren Milliarden-Investitionen in noch stärkere Deiche. Die Auen wieder für die Flüsse zu öffnen, ist schlicht der nachhaltigere Hochwasserschutz.
Eine Renaturierung und Wiederherstellung der Auen als Flächen zum Wasserrückhalt ergibt deshalb auch ökonomisch Sinn. Eine Kosten-Nutzen-Analyse für Deichrückverlegungen an der Elbe ergab, dass die Investitionskosten durch dreimal so hohen Nutzen für Hochwasserschutz, Erholung und Naturschutz sowie Gewässerreinhaltung aufgewogen werden. Die Rückverlegung hat also mehrfachen Nutzen.
Und zwar in jeder Flussaue. Was für Leipzig eigentlich Thema der Zeit ist. Eine Öffnung der Elsteraue überall dort, wo keine wichtigen Stadtstrukturen bedroht sind, erspart dauerhaft nicht nur teure Deichsysteme, weil sich das Wasser ganz natürlich ausbreiten kann, sondern rettet auch ein sensibles Biotop vor dem Austrocknen.
Und so haben die Forscher ein Naturrefugium nach dem nächsten untersucht, das für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen viel wichtiger ist, als die rein ökonomisch Denkenden bisher behaupteten.
Wiesen und Weiden zum Beispiel sind nicht nur gut für die Artenvielfalt, sondern auch für Klimaschutz, Gewässerschutz und die Vermeidung von Erosion. Der Umbruch dieses Grünlands in Ackerland verursacht daher erhebliche gesellschaftliche Folgekosten, die Schätzungen zufolge zwischen 440 Euro und 3.000 Euro pro Hektar und Jahr liegen.
„Naturkapital Deutschland – TEEB DE“ ist die deutsche Nachfolgestudie der internationalen TEEB-Studie (The Economics of Ecosystems and Biodiversity), die unter dem Dach der Vereinten Nationen von 2007 bis 2009 durchgeführt wurde. Seit 2012 befassen sich ForscherInnen und PraktikerInnen unter Leitung des UFZ im Projekt Naturkapital Deutschland mit dem Zusammenhang zwischen den Leistungen der Natur (den Ökosystemleistungen), der Wertschöpfung der Wirtschaft und dem menschlichen Wohlergehen auf nationaler Ebene.
Finanziert wurde das Projekt „Naturkapital Deutschland – TEEB DE“ vom Bundesumweltministerium über das das Bundesamt für Naturschutz.
Die neue Leipziger Zeitung Nr. 59 ist da: Zwischen Überalterung und verschärftem Polizeigesetz: Der Ostdeutsche, das völlig unbegreifliche Wesen
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