Bevor der Mensch die Erde besiedelte, waren die Wälder schon da. Die Kontinente waren mit riesigen Waldgemeinschaften besiedelt. Und darin standen Baumexemplare, die problemlos hunderte, wenn nicht gar Jahrtausende alt werden konnten. Aber wenn ein Lebewesen so alt werden kann, braucht es besondere Abwehrkräfte, besondere Resistenzen auch gegen Schädlingsbefall aller Art. Ein Thema, mit dem sich auch Wissenschaftler des Umweltforschungszentrums Leipzig/Halle (UFZ) beschäftigen.
Im Juni veröffentlichte das UFZ eine Meldung zu einem Forschungsergebnis, das die mitteldeutsche Forschergruppe gemeinsam mit einem internationalen Konsortium unter der Leitung des französischen Agrarforschungsinstituts INRA und des französischen Kommissariats für Atomenergie und Alternative Energien CEA erzielte.
Sie hat nämlich das Genom der Stieleiche sequenziert. Die kürzlich in „Nature Plants“ veröffentlichte Arbeit identifiziert zwei wichtige genomische Eigenschaften, die für die Langlebigkeit dieser Baumart sorgen. Zum einen ist das die Existenz besonders zahlreicher und vielfältiger Resistenzgene, die den Bäumen die Möglichkeit gibt, sich gegen zahlreiche Feinde zu wehren – etwa Pilze, Insekten, Bakterien oder Viren. Zum anderen treten somatische Mutationen auf, die in die nächste Generation vererbt werden.
Bäume haben also ein ganzes Arsenal, sich gegen Schädlinge zu wehren. Nicht nur Stieleichen. Auch wenn der Befall mit einem neuen Schädling auf den ersten Blick scheinbar gravierende Folgen hat – wie beim Eschentriebsterben, für das das aus Asien eingeschleppte Falsche Weiße Stängelbecherchen verantwortlich ist. Da die (meisten) europäischen Eschen für diesen Pilz noch keine Resistenzen besaßen, fielen und fallen sie dem Schädling reihenweise zum Opfer. Aber eben nicht alle. 5 bis 10 Prozent der Bestände scheinen schon Resistenzen gegen den Schädling zu besitzen.
Und da ist das Forschungsprojekt interessant, an dem neben den Forschern aus Deutschland auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Frankreich, Schweden, Spanien und den USA beteiligt waren.
Das Arsenal an Abwehrgenen gegen Schädlinge – ein möglicher Schlüssel zur Langlebigkeit
Sie befassten sich nun gemeinsam mit den genetischen Grundlagen der Langlebigkeit. Und es deutet alles darauf hin, dass Bäume wahre Meister im Sammeln und Aufnehmen von Resistenzen sind.
Die Forscher sequenzierten das Genom der Stieleiche, einer von 400 Eichenarten, mit Hilfe von modernen Hochdurchsatz-Sequenzierungstechnologien. Dies ermöglichte es, die 750 Millionen Nukleotide zu sequenzieren und zusammenzusetzen, aus denen das Genom besteht. Die genetische Vielfalt dieser weitverbreiteten europäischen Eichenart ist zehnmal größer als die des menschlichen Genoms.
Wie Baumgemeinschaften ticken, erklärt in diesem WDR-Film der Förster Peter Wohlleben.
Die Untersuchung des Eichengenoms zeigte, dass es insgesamt 26.000 Gene enthält. 51 Prozent davon bestehen aus springenden genetischen Elementen – DNA-Sequenzen, die ihre Position innerhalb des Genoms ändern können, erläutern die Forscher. Zudem ist mit 36 Prozent ein ungewöhnlich hoher Anteil in aneinander gereihten Gengruppen organisiert, während es bei anderen Pflanzen im Durchschnitt lediglich 15 Prozent sind.
Die Resistenzgene der Stieleiche scheinen von diesen Tandemduplikationen zu profitierten. Ein Vergleich der Genome von krautigen Pflanzen (zum Beispiel Acker-Schmalwand, Soja, Kartoffel, Wassermelone) und mehrjährigen Gehölzen (zum Beispiel Eiche, Pappel, Eukalyptus, Pfirsich) machte darüber hinaus deutlich, dass dieser Mechanismus zur Vervielfältigung von Resistenzgenen nicht auf Eichen beschränkt ist, sondern bei allen untersuchten Baumarten auftritt.
Sind Bäume genomische Mosaike?
In mehrzelligen Organismen häufen sich während ihres Wachstums somatische Mutationen, also Mutationen, die nicht in den Fortpflanzungszellen auftreten, sondern in den somatischen Zellen. Das extrem lange Leben der Bäume – manche Arten werden Jahrhunderte alt – und die Dauerhaftigkeit ihres im Laufe des Lebens entwickelten Gewebes machen sie zu perfekten Modellen, um diesem Phänomen auf den Grund zu gehen.
Das Forscherteam untersuchte die Häufigkeit somatischer Mutationen, indem es die Genome aus Proben von unterschiedlich alten Zweigen einer hundertjährigen Eiche verglich. Dabei konnten die Forscher seltene somatische Mutationen feststellen und zeigen, dass diese in die nächste Generation vererbt werden können. Zukünftig geht es darum zu verstehen, ob dieser Motor der Diversität Einzelpflanzen einen Selektionsvorteil verschaffen kann.
Der Mechanismus erklärt aber auch, warum Bäume regelrechte Resistenz-Sammler sind.
Womit haben sich die deutschen Wissenschaftler befasst?
Vom UFZ-Department Bodenökologie aus Halle (Saale) waren drei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am internationalen Konsortium beteiligt, eine davon wurde über das Deutsche Zentrum für Integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) finanziert.
Der Beitrag der mitteldeutschen Forscher bestand darin, Gene zuzuordnen, die für die Symbiose zwischen Baumwurzeln und Bodenpilzen relevant sind, und insbesondere den Austausch von Zucker regulieren. Das Hallenser Team brachte darüber hinaus seine eigene Gendatenbank ins Projekt ein. Sie enthält Informationen zur Regulation von Eichengenen bei Wechselwirkungen zwischen Eichenblättern oder -wurzeln und Tieren oder Mikroorganismen. Basis dafür ist ein eigener Klon der Stieleiche, der am UFZ durch in-vitro-Kultur seit Jahren vermehrt wird.
„Die zwei genomischen Merkmale geben uns Hinweise darauf, warum Bäume, die so vielen biotischen Wechselwirkungen ausgesetzt sind, es schaffen, sich in Europa so großräumig zu verbreiten. Dieses Wissen unterstützt unsere eigenen UFZ-Forschungsarbeiten, bei denen ein Eichenklon als Phytometer an verschiedenen Standorten in Europa freigesetzt wird. Wir wollen so untersuchen, wie sich Waldbäume als langlebige Organismen an Umweltänderungen anpassen“, sagt Dr. Sylvie Herrmann, eine der Mitautorinnen der Studie.
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