Natรผrlich haben auch Wissenschaftler des Deutschen Zentrums fรผr Integrative Biodiversitรคtsforschung (iDiv), der Uni Leipzig und des Umweltforschungszentrums die Erklรคrung fรผhrender Forscher unterzeichnet, die am Montag, 6. August, in Frankfurt nach einem gemeinsamen Workshop mit dem Bundesforschungsministerium beschlossen wurde. Zu gravierend sind mittlerweile die Artenverluste in Deutschland. Die Forscher sprechen inzwischen von dramatischen Ausmaรen.
In Deutschland zeigt sich in den letzten Jahrzehnten ein dramatischer Artenverlust in einzelnen Organismengruppen. Angesichts dieser besorgniserregenden Entwicklung plรคdieren in der am Montag verรถffentlichten โFrankfurter Erklรคrungโ 22 renommierte WissenschaftlerInnen aus ganz Deutschland fรผr eine langfristige, stรคrker interdisziplinรคr ausgelegte Forschung zum Erhalt der Artenvielfalt in Deutschland.
Die Erklรคrung ist das Ergebnis eines Symposiums im Frankfurter Senckenberg Biodiversitรคt und Klima Forschungszentrum, das auf Initiative des Bundesministeriums fรผr Bildung und Forschung (BMBF) stattfand. Auch mehrere iDiv-Wissenschaftler haben die โFrankfurter Erklรคrungโ unterzeichnet.
Bundesforschungsministerin Anja Karliczek erklรคrte dazu: โDie biologische Vielfalt ist fรผr die Menschheit existenziell. Sie versorgt uns mit Nahrung, sauberem Wasser und hรคlt unsere Natur im Gleichgewicht. Deshalb mรผssen wir sie schรผtzen. Exzellente Forschung, bei der Wissenschaft und Praxis eng zusammenarbeiten, bildet die Grundlage, um dem Verlust der Artenvielfalt gezielt entgegenzuwirken. Deshalb erarbeiten wir im Bundesforschungsministerium zurzeit eine langfristig angelegte Leitinitiative. Die Empfehlungen der โFrankfurter Erklรคrungโ werden in dieser ein zentrales Element sein.โ
In der โFrankfurter Erklรคrungโ konstatieren renommierte deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von 17 Universitรคten und Institutionen, dass der Verlust der biologischen Vielfalt aktuell eine der grรถรten Herausforderungen fรผr die Menschheit ist. Auch in Deutschland ist die Situation insbesondere bei den Insekten dramatisch.
Daher bestehe hรถchster Handlungsbedarf, denn trotz vieler Rechtsvorschriften und Maรnahmen sei der Trend des Artenverlustes nachweislich ungebrochen โ die bisherigen Ansรคtze und Strategien zum Erhalt der biologischen Vielfalt in Deutschland reichen bei Weitem nicht aus. Der Komplex der Ursachen mรผsse wissenschaftlich exakt untersucht und verstanden werden, um politische Entscheidungen zum Schutz der Artenvielfalt zu treffen.
In der Vergangenheit haben die Naturwissenschaften hรคufig nur die Wirkung einzelner Stressfaktoren auf die biologische Vielfalt erforscht. Die Wechselwirkungen verschiedener Faktoren sind noch weitgehend unbekannt. Der Mensch ist zudem Treiber und Leidtragender des Artenverlusts.
Und die Erklรคrung weist auch darauf hin, dass auch beim Thema Biodiversitรคt Deutschland seine selbstgesteckten Ziele nicht erreicht hat: โDas in der EU-Biodiversitรคtsstrategie festgelegte Ziel, den Verlust der biologischen Vielfalt bis 2020 zu stoppen, liegt in weiter Ferne; bereits das frรผhere 2010-Ziel wurde nicht erreicht.โ
Wie Gesellschaften ihr Handeln so รคndern kรถnnen, dass der Artenverlust nachhaltig aufgehalten werden kann, ist zu wenig erforscht und kaum getestet. Schlieรlich braucht es fรผr die konkrete Umsetzung von Lรถsungswegen die transdisziplinรคre Kooperation mit Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
Mitunterzeichner Christian Wirth, Professor der Universitรคt Leipzig und Direktor von iDiv, fasst es so zusammen: โDen Artenschwund versteht und stoppt man nur mit einem integrativen Ansatz, der verschiedene Herangehensweisen kombiniert. Dazu gehรถren erstens โBig Dataโ und Bรผrgerwissenschaften fรผr den genauen Nachweis des Biodiversitรคtswandels, zweitens รถkologische Grundlagenforschung fรผr die Klรคrung der komplexen Ursachen und drittens Sozialwissenschaften fรผr die Umsetzung in gesellschaftliches Handeln. Bei iDiv und UFZ wird dieser integrative Ansatz bereits heute umgesetzt.โ
Die Unterzeichner der โFrankfurter Erklรคrungโ begrรผรen den Vorschlag des Bundesministeriums fรผr Bildung und Forschung zur Einrichtung einer Leitinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt in Deutschland. Diese Leitinitiative wird es erstmals erlauben, die dringend benรถtigten interdisziplinรคren Forschungskapazitรคten und -kompetenzen aufzubauen und langfristig zu sichern.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler empfehlen, folgende Elemente in die geplante BMBF-Leitinitiative aufzunehmen:
- Einrichtung eines Langzeit-Biodiversitรคtsmonitorings zur Erfassung von Artenhรคufigkeiten und ihrer Verรคnderung, einschlieรlich vernachlรคssigter Gruppen wie z. B. Bodenorganismen;
- Untersuchung der Ursachen fรผr den Verlust der Artenvielfalt insbesondere in ihren Wechselwirkungen untereinander;
- Erforschung der konkreten Folgen des Verlusts der Artenvielfalt fรผr Nutzen und Wohl der Menschen;
- Erarbeitung von gesellschaftlichen Gesamtlรถsungen, um die Artenvielfalt zu erhalten und wieder zu erhรถhen. Fรผr diese Gesamtlรถsungen ist es wichtig, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen zusammenarbeiten, u. a. Biologen und Agrarwissenschaftler, Soziologen, รkonomen und Juristen. Schlieรlich sollte die Umsetzung der Maรnahmen von Wissenschaftlern eng begleitet werden.
Unerlรคsslich fรผr den Erfolg der Forschung und Umsetzung der zu entwickelnden Maรnahmen ist aus Sicht der Forscher darรผber hinaus eine stรคrkere Verzahnung von Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
โWenn wir das Artensterben in Deutschland stoppen wollen, mรผssen wir alle mit ins Boot holen. Gesellschaftliche Akteure mรผssen frรผhzeitig in die Forschung und Entscheidungsprozesse eingebunden werden, damit die Umsetzung auch langfristig funktioniertโ, resรผmiert Senckenberg-Generaldirektor Volker Mosbrugger.
Das groรe Insektensterben und die lange Vorgeschichte von Ignoranz und Lobby-Politik
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