Es ist auch ein Stück dunkler Leipziger Museumsgeschichte, auch wenn das Museum für Völkerkunde ein Landesmuseum ist. Aber mit dem Ethnologen Fritz Krause steht ein Leipziger Universitätsdozent und gleichzeitig Leiter des Museums für Völkerkunde im Mittelpunkt der Ereignisse. Denn nachdem die deutsche Wehrmacht 1939 Polen überfallen hatte, begann auch das große Plündern polnischer Museen und Sammlungen.

Unmittelbar nach der Besetzung Polens wurde im heutigen Museum für Archäologie und Ethnologie mit dem Prähistoriker Walter Frenzel in Łódź ein deutscher Museumsleiter eingesetzt, der die Sammlung ethnographischer Objekte in das Völkerkundemuseum nach Leipzig verlagern ließ. Dessen Direktor Prof. Dr. Fritz Krause bot Objekte anderen Museen im Reichsgebiet zum Tausch an. 1942 erfolgte ein Ankauf in Höhe von 7.500 Reichsmark für das Leipziger Museum, das wiederum größere Teile der Sammlung an das Hamburger und das Kölner Völkerkundemuseum sowie an das Institut für Völkerkunde der Universität Göttingen weiterverkaufte.

Fritz Krause hat in Leipzig Ethnologie studiert und wurde schon 1912 Abteilungsleiter der Amerikanischen Abteilung am Museum für Völkerkunde Leipzig, ab 1927 war er dessen Direktor. Ab 1925 war er auch außerplanmäßiger Professor an der Uni Leipzig, 1929 gründete er die bis heute bestehende Deutsche Gesellschaft für Völkerkunde. Und er hatte sichtlich keine Skrupel, das Raubgut aus Łódź den Sammlungen des Museums einzuverleiben bzw. weiterzuverkaufen.

Die für das Rautenstrauch-Joest Museum in Köln bestimmte Sammlung wurde vermutlich in Leipzig bei einem Bombenangriff vernichtet.

Nach Kriegsende erfolgte von dem Leipziger Museum die Meldung an die Sowjetische Militäradministration über die Sammlung aus Łódź, die im April 1949 noch einmal aktualisiert wurde. Zu einer Rückgabe kam es indes damals noch nicht.

Erst am 21. Januar 1967 beschloss der DDR-Ministerrat die Rückgabe der Objekte. Mit dem „Protokoll der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und der Regierung der Volksrepublik Polen über die Rückgabe von ethnografischen Sammlungen“ vom 11. Mai 1967 wurde vereinbart, „Objekte der ethnografischen Sammlung, die während der faschistischen Okkupation aus dem Ethnografischen Museum in Łódź in das Museum für Völkerkunde in Leipzig verbracht wurden, zurückzugeben.“

Insgesamt umfasste diese Restitution 288 inventarisierte Objekte und 12 Einzelstücke ohne Inventarnummer. Durch Übergabe entsprechender Listen erfolgte auch eine Information über Weiterverkäufe nach Hamburg, Köln und Göttingen.

Aus Anlass der Restitution von insgesamt 330 Objekten aus dem Institut für Völkerkunde der Georg-August-Universität Göttingen an das Museum in Łódź am 13. Juni 2016 hat das Ministerium für Kultur und Nationales Erbe der Republik Polen am 13. Juli 2016 das Grassi Museum für Völkerkunde Leipzig um Prüfung gebeten, ob in dessen Bestand über die 1967 erfolgte Rückgabe hinaus weitere aus Łódź stammende Exponate zugeordnet werden können.

Unterstützt von zwei polnischen Wissenschaftlerinnen identifizierte 2017 das heute unter dem Dach der Staatlichen Kunstsammlungen (SKD) arbeitende Grassi Museum für Völkerkunde Leipzig die nun übergebenen ethnografischen Objekte und ebenfalls wiederaufgefundene historische Fotografien als aus der Sammlung des Museums für Ethnografie Łódź stammend.

Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) haben der Republik Polen diese 124 ethnografischen Objekte und 14 historische Fotografien für das Museum für Archäologie und Ethnologie in Łódź schon am 15. Juni 2018 übergeben. Damit sind nach 78 Jahren einige der letzten Teile der einst umfangreichen Sammlung des Museums an ihren angestammten Ort zurückgekehrt. Kunstministerin Dr. Eva-Maria Stange, der polnische Minister für Kultur und Nationales Kulturerbe, Prof. Dr. hab. Piotr Gliński und der Direktor des Museums in Łódź, Prof. Dr hab. Ryszard Grygiel haben die Übergabe am Dienstag, 10. Juli, in Łódź offiziell besiegelt.

„Mit diesem Tag erinnern wir auch an ein trauriges und furchtbares Kapitel unserer gemeinsamen Geschichte. Umso mehr freue ich mich, dass es Kulturgüter sind, ursprünglich aus Südamerika, Asien und Afrika, die uns, Deutsche und Polen, heute in Łódź zusammenbringen“, erklärte Kunstministerin Dr. Eva-Maria Stange aus diesem Anlass.

„Mit der Übergabe der Kunstobjekte wollen wir ein kleines Stück des Unrechts wiedergutmachen, das Deutsche während der NS-Zeit in Polen verübt haben. Heute können wir uns glücklich schätzen, dass unser Umgang mit der Vergangenheit und unsere gemeinsamen Werte eine völkerverbindende, internationale kulturelle Zusammenarbeit ermöglichen. Gleichzeitig teilen wir miteinander die europäische Perspektive, aus der wir einen Blick auf die unterschiedlichen Kulturen dieser Welt werfen.“

Und die Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Marion Ackermann ergänzt: „Wir freuen uns sehr, dass die Objekte nach 78 Jahren in das Museum für Archäologie und Ethnologie in Łódź zurückkehren. Die Rückgabe ist nicht nur das Ergebnis umfangreicher Provenienzrecherchen, sondern auch des intensiven Zusammenwirkens polnischer und deutscher Wissenschaftler. Die Kooperation der beiden Länder bei diesem bedeutenden Akt öffnet somit auch Türen für zukünftige gemeinsame Projekte und die kulturelle Zusammenarbeit. Dies ist den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden ein ganz besonderes Anliegen, da wir in den kommenden Jahren den Dialog mit unserem direkten Nachbarn Polen verstärken und vertiefen möchten.“

Die Rückgabe der Sammlungsbestände aus dem Freistaat Sachsen an die Republik Polen geschieht auf der völkerrechtlichen Grundlage internationaler Gepflogenheiten, dass kriegsbedingt verlagerte Kulturgüter an den Herkunftsstaat übergeben werden sollen. Die SKD handeln wie auch die Georg-August-Universität Göttingen dabei in Übereinstimmung mit den Zielen des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit vom 17. Juni 1991.

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