Was passiert eigentlich in unserem Kopf, wenn wir stottern? Stottern – so denkt man ja landläufig – ist ja eher ein Problem des Sprechapparats: Die verflixten Worte wollen einfach nicht über die Zunge. Man beißt sich regelrecht fest an immer wieder denselben Stolperkonsonanten. Aber auch das hat mit der Aktivität in unserem Gehirn zu tun. Manchmal sogar viel zu viel, wie eine Leipziger Forscherin noch im vergangenen Jahr feststellte.

„G-g-g-g-g-g-guten Tag“ oder „Ein M-m-m-mohnbrötchen bitte-…“ sind für etwa jeden hundertsten Erwachsenen in Deutschland tägliche Hürden. Dennoch ist bisher nur sehr wenig über die Ursachen dieser häufigen Sprechstörung, dem Stottern, bekannt.

Was auch mit der vermuteten Ursache zu tun hat. Dass es eine Aktivität in unserem Gehirn sein könnte, die da nicht ganz austariert ist, lag für eine Forscherin wie Nicole Neef eigentlich nahe. Es gab ja schon entsprechende Studien.

Aber wie weist man so eine Ursache und ihre Auswirkungen nach?

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig und der Universitätsmedizin Göttingen haben nun herausgefunden, dass ein überaktives Netzwerk im vorderen Bereich des Gehirns eine wesentliche Rolle für dieses Defizit spielen könnte. Es hemmt die Betroffenen darin, Sprechbewegungen vorzubereiten und auszuführen – und hindert sie so daran, flüssig zu sprechen.

Stottern: Stoppsignale im Gehirn verhindern flüssiges Sprechen

Rund einem Prozent der Erwachsenen und fünf Prozent der Kinder gelingt nicht, was uns allen selbstverständlich erscheint: flüssig zu sprechen. Stattdessen ringen sie in alltäglichen Sprechsituationen mit den Wörtern, wiederholen krampfhaft den Anfang eines Wortes wie in „G-g-g-g-g-g-guten Tag“ oder bleiben an einzelnen Lauten mitten im Wort hängen wie in „Ja“ für „Januar“, obwohl sie genau wissen, was sie sagen wollen.

Bislang ist jedoch nur wenig über die Ursachen des Stotterns bekannt. Frühere Studien haben zwar gezeigt, dass beim Stottern ein Ungleichgewicht zwischen der Hirnaktivität beider Hirnhälften auftritt: Eine Region im linken Stirnhirn ist viel zu schwach aktiviert, die entsprechende Region in der rechten Hirnhälfte ist wiederum viel zu stark aktiviert. Dennoch war bisher unklar, was diese veränderte Hirnaktivität bedeutet und wie sie zustande kommt. Bewirkt die minderaktive linke Hirnhälfte, dass die rechte Hirnhälfte ihre Aktivität als eine Art Ausgleichsreaktion erhöht, um so einem Funktionsausfall entgegenzusteuern? Oder ist es genau umgedreht und die hyperaktive rechte Seite unterdrückt die Aktivierung auf der linken, und ist demnach die eigentliche Ursache des Stotterns?

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften (MPI CBS) in Leipzig und der Universitätsmedizin Göttingen sind hier zu einer entscheidenden Erkenntnis gelangt: Die Überaktivität in den Regionen auf der rechten Hirnseite scheint der eigentliche Grund für das Stottern zu sein.

Die Rolle der rechten Gehirnhälfte: Manchmal einfach zu überaktiv

„Die rechte untere Windung des Stirnhirns ist bei allen Menschen immer dann besonders aktiv, wenn wir Bewegungen wie Hand- oder Sprechbewegungen stoppen“, erklärt Nicole Neef, Neurowissenschaftlerin am MPI CBS und Erstautorin der zugrunde liegenden Studie. „Ist diese Region jedoch überaktiv, kommt es zu einer übermäßigen Hemmung. Bei Personen, die stottern, sind davon höchstwahrscheinlich gerade jene Hirnregionen betroffen, die die Sprechbewegungen steuern.“

Dazu gehören die für das Sprechen relevanten Bereiche im linken Frontallappen, insbesondere der sogenannte linke Gyrus frontalis inferior (IFG), der für die Planung des Sprechens zuständig ist, sowie der linke Motorcortex, der dann die eigentlichen Sprechbewegungen steuert.

„Sind diese beiden Prozesse zu stark gehemmt, wird eine Person daran gehindert, flüssig zu sprechen“, so Neef.

Wie hat man das untersucht?

Untersucht haben die Wissenschaftler um Nicole Neef diese Zusammenhänge mit Hilfe der Magnetresonanztomografie (MRT) und erwachsenen Versuchsteilnehmern, die seit ihrer Kindheit stottern. Während der Untersuchung stellten sich die Studienteilnehmer vor, die Monatsnamen aufzuzählen. Diese Methode des imaginären Sprechens wählten die Forscher, um sicherzustellen, dass tatsächliche Sprechbewegungen die sensiblen MRT-Signale nicht stören. Die Neurowissenschaftler konnten so per Hirnscanner auch analysieren, ob bei den stotternden Probanden von den überaktiven Regionen auf der rechten Hirnseite möglicherweise veränderte Faserverbindungen ausgehen.

Und tatsächlich: Innerhalb des hyperaktiven rechten Netzwerkes entdeckten sie eine Faserbahn, die bei den Betroffenen deutlich stärker ausgebildet war, als bei Teilnehmern ohne Sprechprobleme.

„Je stärker der sogenannte Frontale Aslant Trakt, kurz FAT, war, desto schwerer war das Stottern ausprägt. Aus früheren Studien wissen wir, dass diese Verbindung eine wichtige Rolle bei der Feinabstimmung von Signalen spielt, die Bewegungen hemmen“, so die Neurowissenschaftlerin. „Die übermäßige Aktivität dieses Netzwerkes und seine stärkeren Verbindungen könnten darauf hindeuten, dass die eigentliche Ursache des Stotterns darin liegt, dass Sprechbewegungen zu stark gehemmt werden.“

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