2011 und 2013 wurden auch die Bewohner des Gebietes an der Weißen Elster daran erinnert, dass Überschwemmungen in Flussauen keine Ausnahme sind, sondern Ereignisse, mit denen die Flussanwohner jederzeit rechnen müssen. Seit rund 7.500 Jahren wird die fruchtbare Elsteraue zwar von Menschen besiedelt. Aber aus gutem Grund bauten sie jahrtausendelang möglichst hoch über dem Fluss. Nun werden die alten Überschwemmungen zu einem Forschungsthema.
Was schon verblüfft, dass sich die Geographen erst so spät mit dem Thema beschäftigen. Denn Überschwemmungen haben die menschliche Siedlungstätigkeit immer wieder beeinflusst, seit sich Menschen im Raum von Elbe, Saale und Weißer Elster niedergelassen haben. Sie haben auch zuerst die Flusstäler mit ihren fruchtbaren Böden besiedelt. Erst spät wurden auch die Mittelgebirgslandschaften besiedelt.
Zu Recht weist die Universität Leipzig darauf hin, dass die menschliche Zivilisation erst nach dem Ende der letzten Eiszeit entstanden ist – mit Ackerbau, Viehzucht und den ersten großen Siedlungen. Für das Klima ist das eine historisch sehr kurze Epoche und im Vergleich mit den heftigen Klimaschwankungen der Erdzeitalter davor sogar ein sehr gemäßigter Klimaabschnitt.
Was nicht ausschließt, dass selbst in diesem kurzen Zeitraum heftige Naturerscheinungen dafür sorgten, dass menschliche Siedlungsräume immer wieder in Gefahr gerieten. Auch in Mitteleuropa.
Das mitteleuropäische Klima war seit dem Ende der letzten Eiszeit, also seit zirka 11.700 Jahren, sehr wechselhaft, fasst die Universität nun zusammen, was jetzt Grundlage eines besonderen Forschungsprojekts wird.
Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen, dass Variationen der Sonnenaktivität, Vulkanausbrüche und der wandelnde Einfluss der sogenannten thermohalinen Zirkulation des Nordatlantiks immer wieder zu Kälteeinbrüchen in Mitteleuropa geführt haben.
„Diese hatten nicht nur Auswirkungen auf die Temperatur, sondern vermutlich auch auf die Häufigkeit von Hochwassern“, erklärt Prof. Dr. Christoph Zielhofer, Physischer Geograph am Institut für Geographie der Universität Leipzig.
Und weil man das jetzt genauer erforschen will, haben sich Wissenschaftler aus Leipzig und Jena zu einem interdisziplinären Forschungsprojekt zusammengetan, um die Region der Weißen Elster zu untersuchen. Sie erhoffen sich dadurch Rückschlüsse auf Überflutungen und andere klimatische Ereignisse in Mitteleuropa seit dem Ende der letzten Eiszeit.
Das gerade angelaufene, dreijährige Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit über 600.000 Euro finanziert. Beteiligt sind Physische Geographen der Universität Leipzig, Archäologen und Historiker der Universitäten Leipzig und Jena sowie Geophysiker des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig.
Dr. Hans von Suchodoletz, ebenfalls Physischer Geograph an der Universität Leipzig, geht eigenen Forschungen zufolge davon aus, dass gerade die Auenablagerungen der Weißen Elster neue Erkenntnisse zu Überflutungsphasen in Mitteleuropa zulassen.
„Die Weiße Elster bietet eine seltene Kopplung von hochaktivem Mittelgebirgsfluss und zahlreich vorhandenen, leicht erodierbaren Lößablagerungen, insbesondere zwischen Pegau und Gera. Dadurch sind Hochflutphasen in den Auenablagerungen besonders gut rekonstruierbar. Die durch den Menschen seit einigen Tausend Jahren verursachte Bodenerosion ist hingegen an Sedimenten und Bodenresten auf den angrenzenden Hängen erkennbar“, erklärt der Experte.
Die Umweltforscher und Archäologen vermuten daher, dass das Einzugsgebiet der Weißen Elster einen wertvollen Schatz der nacheiszeitlichen Landschafts- und Besiedlungsgeschichte hütet.
Bereits in DDR-Zeiten wurde das Potenzial der Weißen Elster für die nacheiszeitliche Landschaftsgeschichte erkannt. Dies ging aus begleitenden Forschungen im Rahmen des Braunkohleabbaus hervor.
Allerdings bieten die neuen Methoden und Arbeitsverfahren der Physischen Geographie, Archäologie und oberflächennahen Geophysik ganz neue Perspektiven. Deshalb rückt die Region der Weißen Elster nun verstärkt in den internationalen Fokus der nacheiszeitlichen Landschaftsgeschichte. Die betrifft auch die Lebenswelten unserer Vorfahren, denn nicht nur Klimaveränderungen, sondern natürlich auch der Mensch nehmen spätestens seit der Jungsteinzeit einen erkennbaren Einfluss auf die Entwicklung der Landschaft. Diesen Aspekt bearbeiten die Archäologen und Historiker Prof. Dr. Ulrich Veit von der Universität Leipzig sowie Prof. Dr. Peter Ettel, Dr. Lukas Werther und Dr. Pierre Fütterer von der Universität Jena. Sie wollen dazu in den kommenden drei Jahren gemeinsam forschen.
„Der mitteldeutsche Raum und insbesondere auch das Einzugsgebiet der Weißen Elster sind aus archäologischer Sicht ein hochspannender Raum“, sagt Professor Ulrich Veit. Und Professor Peter Ettel ergänzt: „Denn die Region war einerseits seit über 7.000 Jahren besiedelt, zeigte aber andererseits auch immer wieder Siedlungseinbrüche.“
Die Uni-Forscher erhalten dabei wissenschaftliche und administrative Unterstützung von den archäologischen Landesämtern Sachsens, Sachsen-Anhalts und Thüringens. Die Weiße Elster durchfließt alle drei Bundesländer.
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