Leipzig hat auch einen. Einen richtigen forensischen Entomologen. Davon gibt es nicht viele in Deutschland. Vier Stück, meint die Uni Leipzig. Der berühmteste ist ein gewisser Mark Benecke, von dem einige Bücher im Leipziger Militzke Verlag erschienen. Aber Leipzig hat selbst einen forensischen Entomologen. Aber der fliegt jetzt erst einmal nach Neuseeland.
Dr. Benjamin Ondruschka, Facharzt für Rechtsmedizin, und Marcus Schwarz, Forensischer Entomologe am Institut für Rechtmedizin der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig, starten am 30. März für drei Wochen nach Neuseeland. Sie wollen neue Forschungsprojekte anbahnen, vor allem geht es aber um die Qualifizierung von Medizin-Studenten der Universität Otago sowie Forschern auf dem Gebiet der Forensik, teilt die Universität mit.
„Wir freuen uns natürlich sehr, dass unser Wissen und unsere Fertigkeiten international gefragt sind. Die beiden Kollegen werden in Neuseeland in Vorlesungen und einer Lehrsektion unsere Arbeit und unsere Methoden vorstellen und in Austausch treten. Besonders auf die Erkenntnisse aus dem Bereich der Forensischen Entomologie ist man dort gespannt“, sagt Prof. Dr. Jan Dreßler, Direktor des Instituts für Rechtmedizin.
Kriminalfälle lösen mit Hilfe von Insekten
Marcus Schwarz ist der Forensische Entomologe am Leipziger Institut.
Gerade einmal vier dieser kriminalistischen Insektenkundler gibt es in ganz Deutschland. Schwarz wird als einziger Gutachter in Sachsen zu ungeklärten Todesfällen hinzugezogen, um die Liegezeit und wenn möglich den Todeszeitpunkt einer Leiche zu bestimmen. Dazu untersucht er die Insekten, die innerhalb kürzester Zeit den Leichnam besiedeln.
„Jedes Insekt durchläuft in seiner Entwicklung verschiedene Stadien. Ich nehme die Größe des Insekts und gleiche sie mit Temperatur und Luftfeuchte vom Fundort ab. Daraus kann ich berechnen, wie lange das Insekt schon lebt und so Rückschlüsse auf den Todeszeitpunkt ziehen“, erklärt Marcus Schwarz seine Arbeitsweise.
„In der Natur ist das ein normaler Prozess, die Insekten kommen und alles wird wieder in den Kreislauf zurückgeführt. Das ist die Natur“, begegnet der Forensische Entomologe etwaigen Vorbehalten gegenüber seiner Arbeit.
Der Wissenschaftler interessierte sich schon früh für Medizin und Kriminalistik, Insekten wurden während des Studiums sein Steckenpferd. Seit 2015 ist er Doktorand und Gastwissenschaftler am Leipziger Institut für Rechtsmedizin. In seiner Doktorarbeit wagt er sich auf ein Gebiet vor, das europaweit kaum erforscht ist: Schwarz will Drogen in Käfern nachweisen, denn die Substanzen sind in Stoffen und Abbauprodukten des Tieres nachweisbar – etwa wenn das menschliche Gewebe nicht mehr toxikologisch aufzubereiten ist.
Darum soll es auch beim Forschungsaufenthalt in Neuseeland gehen: Wissen weitergeben, aufklären und neue Kooperationen schmieden. „In Neuseeland und Australien haben wir beispielsweise eine ganz andere Artzusammensetzung und andere Temperaturverhältnisse. Da wäre es für mein Fachgebiet natürlich spannend, vergleichende Studien aufzusetzen“, so Marcus Schwarz.
Neben Forschung, Promotion und Lehre bilden Marcus Schwarz und seine Kollegen des Instituts für Rechtsmedizin auch Polizisten und Polizeischüler aus. Für angehende Mediziner veranstaltet das Institut Vorlesungen, Praktika und Seminare. Es bietet im Praktischen Jahr Platz für drei Studierende – damit liegt es deutschlandweit an der Spitze. Darüber hinaus können Juristen und Rettungspersonal an fakultativen Lehrveranstaltungen teilnehmen.
Das Institut für Rechtsmedizin der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig
Das Institut für Rechtsmedizin der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig ist in allen Fällen von Gewalteinwirkungen (Verkehrsunfälle, Tötungen, häusliche Gewalt, Kindesmisshandlung) und äußeren Einflüssen (Strom, Hitze/Kälte, Wasser) zuständig. Allein im Jahr 2016 wurden über 700 Sektionen durchgeführt. Als wichtiger Ansprechpartner für Gerichte und Staatsanwaltschaften übernimmt das Institut auch die Aus- und Weiterbildung von Polizisten und Polizeischülern sowie von Ärzten anderer Fachrichtungen. Durch körperliche Untersuchungen von Lebenden und Obduktionen Verstorbener wird ermittelt, welche Arten von Gewalt in welcher Intensität eingewirkt haben. Daneben geht es um die Klärung von Kausalitätsfragen, zum Beispiel in Fällen von unterlassener Hilfeleistung oder bei medizinischen Behandlungsfehlervorwürfen. Weitere Arbeitsfelder sind die Analysen von biologischem Material auf Giftstoffe und molekulargenetische Untersuchungen zur Identitätsfeststellung oder zum Nachweis von familiären Abstammungsverhältnissen.
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