Es wird langweilig in unseren Fluren. Und das hat auch damit zu tun, dass der Mensch kaum noch Räume lässt, in denen sich Natur ungestört entfalten kann. Für ein gewisses Aufmerken sorgte jüngst eine Meldung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv): Der Verlust an Vielfalt beginnt nicht erst, wenn der Mensch intensiv Landwirtschaft betreibt. Schon der regelmäßige Eingriff zerstört Lebensräume.

Den ersten Effekt kennen alle. Dazu müssen sie gar nicht erst die riesigen Plantagen in Südamerika oder Indonesien besuchen, wo für ein einziges Produkt riesige Urwaldflächen vernichtet und die Lebensräume tausender Arten zerstört werden. Mit fatalen Folgen für das Gebiet. Denn Monokulturen sind hochgradig anfällig für Parasiten.

Wo Menschen die Bewirtschaftung von Wiesen und Weiden intensivieren, nimmt nicht nur die Artenvielfalt ab, sondern auch die Landschaft wird eintöniger, und schließlich bleiben überall die gleichen Arten übrig. Und das trifft eben auch auf sächsische Landschaften zu.

Landwirtschaftsminister argumentieren dann gern, man würde die Bauern zu schonenderen Anbaumethoden animieren und auch zur Anlage von Flächen, die „nicht so intensiv“ genutzt werden.

Aber beides hilft der großflächigen Homogenisierung überhaupt nicht ab. Dass auch die schonende Bewirtschaftung fatale Folgen hat, zeigt die Studie zum ersten Mal.

Dass eine intensive Landnutzung die Artenvielfalt an Ort und Stelle verringert, ist bekannt. Die neuen Ergebnisse zeigen aber, dass der lokale Artenverlust einen viel weitreichenderen Effekt nach sich zieht, da auch die Biodiversität über große Landschaftsgebiete hinweg, die sogenannte Beta-Diversität, abnimmt. Dies wurde nun erstmals in einer derart groß angelegten Studie belegt und im renommierten Fachmagazin „Nature“ veröffentlicht.

„Überraschend war, dass der Effekt der Homogenisierung der Artengemeinschaften nicht etwa erst bei sehr intensiver, sondern bereits bei moderater Bewirtschaftung auftrat“, erklärt Dr. Oliver Purschke, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei iDiv und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und einer der Studienautoren. „Eine weitere Intensivierung hatte dann keinen starken Effekt mehr. Der Zusammenhang zwischen Nutzungsintensität und Angleichung der Artgemeinschaften ist also nicht-linear.“

Um das Problem zu erkennen, haben die Forscher nicht nur die oberirdischen Lebewesen erfasst, sondern auch jenes reiche Gewimmel im Boden, das diesen erst richtig fruchtbar macht.

„Das Besondere an der Studie ist, dass wir viele verschiedene Organismen mit einbezogen haben, sowohl ober- als auch unterirdisch lebende“, sagt Dr. Tesfaye Wubet, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) und ein Mitglied von iDiv. „Auf diese Weise konnten wir alle Ebenen des Wiesen-Nahrungsnetzes abbilden.“

Im oberirdischen Teil des Ökosystems Wiese spielen zum Beispiel Pflanzen, Insekten und Vögel eine wichtige Rolle, unter der Erde Bakterien, Pilze, Tausendfüßler und sogenannte Mykorrhiza-Pilze, die in Symbiose mit Pflanzenwurzeln leben.

Und dann die unliebsame Überraschung, die Prof. Dr. François Buscot vom UFZ so auf den Punkt bringt: „Dass bei einer Intensivierung der Bewirtschaftung die Vielfalt der Pflanzenarten im Grasland zurückgeht, war zu erwarten. Nicht erwartet hätten wir aber, dass parallel dazu die Vielfalt der Bodenmikroorganismen steigt.“

Und das sei überhaupt keine gute Nachricht, erläutert der Wissenschaftler. Denn der Befund würde auf eine Abkopplung der ober- und unterirdischen Artengemeinschaften hinweisen. „Dies bedeutet, dass das gesamte Ökosystem schon durch eine leichte Intensivierung der Nutzung schnell an Mechanismen zur Selbstregulation verliert.“

Es nützt der Artenvielfalt also gar nichts, wenn die Landwirtschaftsbetriebe ein paar Flächen nur schonend bearbeiten und nur in größeren Abständen mit der Mähmaschine drüber gehen. Damit sich ein stabiles Ökosystem bilden kann, müssen Biotope tatsächlich völlig in Ruhe gelassen werden. Erst dann werden sie auch wieder zu Siedlungsräumen für vom Aussterben bedrohte Pflanzen- und Tierarten.

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