Alles an einer Wiese ist wichtig. Und je bunter sie ist, umso komplexer und stabiler ist eine Wiese als Ökosystem. Und irgendwie sind Wiesen – so einfach sie aussehen – das beste Labor dafür, wenn man herausfinden will, wie komplex Ökosysteme sein müssen, damit sie als Lebensraum für die unterschiedlichsten Lebewesen funktionieren. Deswegen gehören Wiesen zum Arbeitsprogramm der Forscher vom UfZ-Leipzig.

Auch wenn das eher karge Wort Graslandschaft auftaucht. Wer bei Wiese nur Gras vor sich sieht, sieht nicht wirklich, was alles erst eine Wiese zur Wiese macht. Und vor allem: Was Wiesen von Wiesen unterscheidet weltweit.

Und auch nicht, wie sehr dieses Wissen um die Komplexität von Graslandschaft zu tun hat mit unserer wichtigsten Nahrungsquelle: den weltweiten Getreidekulturen, die eigentlich hoch gezüchtete Gräserkulturen sind.

Ein 300-köpfiges internationales Forscherteam aus Deutschland und der Schweiz hat daher erstmals alle Gruppen entlang einer Nahrungskette in einer natürlichen Graslandschaft untersucht. Sie sammelten dazu Daten zu insgesamt 4.600 Tier- und Pflanzenarten aus neun Gruppen der Nahrungskette; darunter auch zu bislang eher vernachlässigten Gruppen wie Mikroorganismen im Boden und Abfallfressern wie Regenwürmern. Erhoben wurden die Daten als Teil eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Programms auf 150 Grünlandflächen quer durch Deutschland, den „Biodiversitätsexploratorien“, die die umfassendsten ökologischen Freilandversuchsflächen Europas darstellen.

Wiesen sind hochkomplexe Lebenswelten

Denn je mehr es wimmelt, kreucht und fleucht, desto besser ist es auch für den Menschen, der von den vielfältigen, kostenlos erbrachten Dienstleistungen der Natur profitiert. Ja, profitiert. Doch mit Pflug, Unkraut-Ex und Rasenmäher geht er gegen diese Vielfalt vor – und zerstört damit wertvolle Biotope.

An der jetzt vorgelegten Studie waren dann auch Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) beteiligt.

Ein artenreiches und von vielen Individuen aus allen Ebenen der Nahrungskette bevölkertes Ökosystem erbringt demnach die umfangreichsten Ökosystemleistungen, berichtet das Team im Fachjournal „Nature“. Besonders wichtig sei auch die Vielfalt der beim Menschen eher unbeliebten Insekten und unscheinbarer Bodenorganismen. Die Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit des Erhalts artenreicher Ökosysteme zum Wohl des Menschen.

Neben dem ästhetischen Wert der blühenden Ökosysteme, die wir so lax Wiese nennen, erbringt die Natur auch jeden Tag handfeste, kostenlose Dienstleistungen für den Menschen. Dazu zählen unterstützende Leistungen wie die Bodenbildung, Versorgungsleistungen wie die Lebensmittelproduktion, Regulierungsleistungen wie die Schädlingsbekämpfung und die Klimaregulierung und nicht zuletzt kulturelle Leistungen, zum Beispiel als Erholungsraum. Ökosysteme sind komplex und werden von einer Vielfalt von Organismen bewohnt, die verschiedenen sogenannten trophischen Gruppen angehören. Sie bilden zusammen die Nahrungsketten. Welchen Einfluss die schwindende Artenvielfalt innerhalb von Nahrungsketten auf die Ökosystemleistungen hat, wurde bislang lediglich anhand einzelner, leicht zu untersuchender trophischer Gruppen wie Pflanzen oder pflanzenfressender Organismen studiert.

Artenvielfalt erst bringt das Gesamtsystem zum Gedeihen

Wie bei einem Puzzle haben sich die Forscher ein zusammenhängendes Bild davon gemacht, wie bedeutsam einzelne trophische Gruppen für vierzehn gemessene Ökosystemleistungen sind. Es kam dabei heraus, dass jede Ökosystemleistung von mindestens drei Organismengruppen abhängig ist.

„Je vielfältiger die Arten innerhalb der Gruppe, desto zuverlässiger wird die Ökosystemleistung erbracht. Außerdem beeinflusst jede einzelne Gruppe zumindest eine Ökosystemleistung“, fasst Dr. Santiago Soliveres, der Erstautor der Studie von der Universität Bern, zusammen.

Dr. Tesfaye Wubet, Molekularökologe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, ergänzt: „Wir sind sehr stolz, dass wir wertvolle Daten über Bodenpilze in diese Studie einbringen konnten. Dies wäre noch zehn Jahre zuvor undenkbar gewesen, aber die rasanten Fortschritte der Molekularbiologie haben es möglich gemacht.“ Prof. Dr. Francois Buscot, Leiter des UFZ-Departments Bodenökologie und Mitbegründer der Biodiversitätsexploratorien fügt hinzu: „Alle Arbeitsgruppen, die Bodenmikroorgansimen untersuchen, haben sehr eng kooperiert. Wir haben hunderte von Proben in ganz Deutschland gesammelt, und unsere Analysen optimiert. Nun können wir die Bedeutung des Bodenlebens für die Ökosystemleistungen deutlich machen.“

Schädlinge sind Nützlinge und das Gewimmel im Boden gehört dazu

Die Studie zeigt zudem, wie wichtig auch vermeintliche Schädlinge und unscheinbare Dienstleister wie die Bodenorganismen sind. Viele von ihnen spielen nämlich, neben Pflanzen, so die Studie, eine zentrale Rolle bei den Leistungen, die die Natur für uns erbringt.

„Pflanzen liefern Biomasse, die den Anfang der Nahrungskette bildet, aber Insekten wirken als Bestäuber und Bodenorganismen erhöhen durch Zersetzung und Rückhalt von chemischen Elementen wie Phosphor die Bodenfruchtbarkeit. Je mehr und je unterschiedlichere Individuen es besonders innerhalb dieser drei Gruppen gibt, desto positiver wirkt sich das auf alle Dienstleistungen aus“, erklärt Soliveres.

Häufig wird der Boden gedüngt, um die Bodenfruchtbarkeit und damit das Wachstum von Pflanzen zu erhöhen. Kurzfristig hilft Dünger zwar, wenn dabei aber die Artenvielfalt verringert wird, überwiegen die Nachteile. Eine hohe Artenvielfalt entlang der gesamten Nahrungskette zu erhalten, ist langfristig gesehen daher preiswerter und sinnvoller, als sie zu zerstören.

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