Dass der Mensch vor einigen hunderttausend Jahren nicht unbedingt immer das oberste Glied in der Nahrungskette war, sondern auch selbst manchmal auf dem Speiseplan anderer Tiere stand, war eigentlich zu vermuten. Der Jäger wurde, wenn er nicht aufpasste, natürlich selbst zum Gejagten. Nun konnte mit einem Oberschenkelknochen aus einer Höhle in Marokko erstmals eines dieser alten Dramen belegt werden.

Die Forscher aus dem internationalen Forscherteam um Camille Daujeard vom Muséum National D’Histoire Naturelle in Paris und Jean-Jacques Hublin vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig machen zwar ein großes Bohei um den Fund, aber er dürfte wohl nur ein Beispiel sein für die Gefahren, mit denen es die Menschen vor 500.000 Jahren in dieser nordafrikanischen Region zu tun hatten.

Aber das Besondere ist natürlich: Es ist der erste Beleg dafür, dass manchmal auch Menschen in diesen nicht ungefährlichen Zeiten am Ende den Raubtieren zur Beute fielen.

„Obwohl Begegnungen und Konfrontationen zwischen archaischen Menschen und großen Raubtieren während dieser Zeitperiode in Nordafrika nicht ungewöhnlich gewesen sein dürften, ist der ‚Thomas Quarry‘-Oberschenkel einer der wenigen Belege dafür, dass Homininen Fleischfressern manchmal als Nahrung gedient haben“, sagt dazu Camille Daujeard vom Muséum National D’Histoire Naturelle, die die Fossilien untersucht hat.

Sie hat Zahnspuren auf dem 500.000 Jahre alten Oberschenkelknochen eines Homininen aus einer Höhle in Marokko analysiert. Dabei fanden die Forscher heraus, dass dieser von großen Fleischfressern, wahrscheinlich von Hyänen, benagt worden war.

„Die Steinbrüche der Casablanca-Region sind Brennpunkte für die Forschung an Homininen aus dem Pleistozän in Afrika und nach wie vor eine Fundgrube für Fossilien und Artefakte. Sie beleuchten nicht nur das Leben unserer entfernten Vorfahren, sondern auch, welchen Gefahren diese ausgesetzt waren“, ergänzt Jean-Jacques Hublin, Direktor am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, der die fossilen Homininen dieser Fundstätte erforscht.

Die Menschen in dieser Region standen noch in einem direkten Überlebenswettbewerb mit den Raubtieren. Abhängig von den Umständen waren die Homininen jener Zeit Jäger, aber auch selbst Aasfresser, aber manchmal auch Beute oder Aas für Raubtiere.

Während des Mittleren Pleistozäns konkurrierten die frühen Menschen hier mit den großen Fleischfressern um Raum und Nahrungsressourcen.

Die Analyse des Knochenfragments zeigte verschiedene Frakturtypen, die auf Bissspuren von Fleischfressern zurückgeführt werden können, darunter durch Zähne verursachte Löcher sowie Rillen und Einkerbungen. Diese befanden sich vor allem an den beiden Enden des Oberschenkelknochens. Sie waren mit Sediment bedeckt, was auf ihr hohes Alter hindeutet, und wenigstens einige der Spuren scheinen kurz nach dem Tod des Homininen entstanden zu sein. Dem Erscheinungsbild nach zu urteilen, wurden die Spuren von großen Fleischfressern verursacht, sehr wahrscheinlich von Hyänen.

Aber die eigentliche Frage blieb natürlich offen: Ob der Knochen im Anschluss einer Jagd auf den Homininen abgenagt oder dieser von Fleischfressern als Aas verspeist wurde, konnten die Forscher nicht eindeutig bestimmen. Und natürlich auch nicht, ob das Opfer allein unterwegs war oder die Tragödie noch viel größer war. Oder ob die Schakale den Knochen auch nur in ihre Höhle verschleppten, nachdem das Opfer ganz anders zu Tode kam.

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