Auf der Ausgrabungsstelle an der Katharinenstraße herrschte dieser Tage Weihnachtsstille. Die Archäologen machten mal Pause, bevor sie sich ans nächste Stück historisches Leipzig machen. Seit dem Herbst graben sie hier, weil hier ab 2016 das BernsteinCarré gebaut werden soll. Für die sächsischen Landesarchäologen die Gelegenheit, hier noch einmal in Leipzigs Geschichte abzutauchen.

Dass das auch die Leipziger interessierte, haben die Ausgräber im November leidvoll erfahren. Mittlerweile laufen augenscheinlich so viele Zeitgenossen ohne echte Arbeitserfahrung in der Gegend herum, die nichts Besseres zu tun haben, als Leute, denen sie zuschauen beim Arbeiten, ständig zu fragen “Was macht Ihr denn da?”, dass das Landesamt für Archäologie extra eine Tafel hinhängte, in der die Störer deutlich gebeten wurden, sich nicht ständig mit nervenden Fragen von der Absperrung zu melden.

Auch sie wollen gern in Ruhe arbeiten. Im Dezember gaben sie ein Zwischenfazit auf der Website der Landesarchäologie und zeigten dort auch ein paar der etwas skurrileren Funde. Dazu gehört auch ein Ziegel – wahrscheinlich aus einer der Leipziger Ziegelscheunen – auf der ein Arbeiter seine Hand verewigt hat.

Immerhin war Leipzig bis weit ins 16. Jahrhundert eine Fachwerkstadt. Erst mit der Renaissance kam der Bau von Steinhäusern verstärkt in Gang. Das Baumaterial kam dabei zumeist aus den Leipziger Ziegelscheunen.

Der markante Türbogen im Keller der Katharinenstraße 24. Foto: Ralf Julke
Der markante Türbogen im Keller der Katharinenstraße 24. Foto: Ralf Julke

Entlang der Katharinenstraße deckten die Archäologen bis jetzt die Kellerbereiche der ehemaligen Häuser 20 bis 26 auf. Dabei fanden sie Reste der renaissancezeitlichen Kellermauern aus Ziegeln und Gewölbeansätze noch in gutem Erhaltungszustand. Bis zur Zerstörung in den Jahren 1943/1944 war die Katharinenstraße auch auf ihrer Ostseite noch geprägt von eindrucksvollen Bürgerhäusern aus der Renaissance-Zeit, die eben nicht nur oberirdisch eindrucksvoll waren, sondern auch in ihren Kellern beeindruckende Baukunst boten.

Manche Bauteile freilich erzählen davon, dass auch damals ein Meister durchaus Murks produzieren konnte: Ein hervorragend erhaltener Türbogen fand sich im Keller der früheren Katharinenstraße 24. Die Untersuchung ergab dann, dass der Steinmetz die linke Laibung verkehrt herum bearbeitet hat, der Stein steht nun auf dem Kopf.

Dazu gehört auch noch flächig erhaltenes Katzenkopfpflaster, von dem ein kleiner Ausschnitt zur weiteren Erhaltung als Block geborgen werden soll. Aber man ging nicht nur bis zur Kellersohle hinunter, sondern schaute auch mal nach, was noch drunter lag. Das ist der eigentlich spannende Teil dieser Ausgrabungen. Denn hier kann man zumindest darauf hoffen, dass noch Siedlungsschichten aus dem von Holzbauten geprägten mittelalterlichen Leipzig zum Vorschein kommen. Oder gar noch Spuren noch früherer Besiedlung.

In den archäologisch noch intakten Bereichen trafen die Forscher, so vermeldet das Landesamt für Archäologie, tatsächlich noch auf Erdschichten, die bis in vorgeschichtliche Perioden zurückreichen. So fand sich im Keller des ehemaligen Lotterhauses noch die Verfüllung eines Erdkellers aus dem hohen Mittelalter.

Die Archäologen arbeiten sich auf das Grundstück des ehemaligen "Lotter-Hauses" an der Ecke zum Brühl vor. Foto: Ralf Julke
Die Archäologen arbeiten sich auf das Grundstück des ehemaligen “Lotter-Hauses” an der Ecke zum Brühl vor. Foto: Ralf Julke

In dem Teilstück an der Katharinenstraße, an dem die Landesarchäologen seit Oktober graben, trifft das alte Leipzig mit der Bausubstanz der Renaissancezeit aufeinander. Und das wird am nächsten Grabungsabschnitt gleich doppelt spannend. Teilweise hat man das markante Grundstück des einstigen “Lotter”-Hauses, das direkt an der Ecke Katharinenstraße/Brühl stand, schon ergraben.

Was man freilich noch nicht gefunden hat, ist das namensgebende Gebäude für die Katharinenstraße: Im nun folgenden Grabungsabschnitt soll nun die Restfläche entlang des Brühl in Angriff genommen werden. “Noch besteht Hoffnung, hier auf Spuren der namengebenden Katharinenkapelle aus dem 13. Jahrhundert zu stoßen”, betont das archäologische Landesamt. Ob man dieser schon 1240 erwähnten Kapelle freilich auf der Brühlseite habhaft wird, ist völlig offen. Sollte man sie nicht auf der Katharinenstraße selbst erwarten?

Selbst wenn dieser “Sensationsfund” ausbleiben sollte, ergänzt auch diese Ausgrabung das Bild des alten Leipzig, fügt neue Puzzle-Stücke in das Mosaik: “Den Ausgräbern bieten die Funde und Befunde das komplexe Bild einer sich laufend wandelnden Stadt, in deren Boden älteste und modernste Geschichte nahe beieinander liegen”, so die Landesarchäologen.

Immerhin hatten die Funde auf der Nordseite des Brühl, die bei der Vorbereitung des Baus der “Höfe am Brühl” freigelegt wurden, schon auf sehr frühe Siedlungsspuren in diesem Teil der Stadt hingedeutet.

Man kann gespannt sein, was im zweiten Abschnitt der Ausgrabungen möglicherweise noch zum Vorschein kommt.

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