Vielleicht werden am Ende alle glรผcklich sein, dass das Deutsche Zentrum fรผr Integrative Biodiversitรคtsforschung (iDiv) nach Leipzig, Halle und Jena gekommen ist. Denn irgendwie bรผndeln sich beim Thema Biodiversitรคt eine Menge Themen, die mit dem รberleben der Menschheit zu tun haben. Mit dem Klimawandel รผbrigens auch. Denn es sind nicht nur Pflanzen, die das Treibhausgas Kohlendioxid binden.
Man muss auch unter die Erde gucken, haben nun Jenaer Forscher festgestellt. Auch wenn oben drรผber erst einmal die Post abgeht, bei dem ganzen Zeug, das da โ wennโs nicht mit chemischer Keule bekรคmpft wird โ grรผnt und blรผht. Die Artenvielfalt in der Flora senkt den Kohlendioxidgehalt der Atmosphรคre, die Pflanzen entziehen der Luft Kohlendioxid und bauen den Kohlenstoff in Biomasse ein, mit der er in den Boden gelangen und gespeichert werden kann. Nur so kommt er รผberhaupt aus der Luft.
Eine Langzeitstudie der Jenaer Forscher zeigt nun erstmals, wie die biologische Vielfalt der Pflanzen diese Speicherung begรผnstigt. Demnach erhรถht Artenreichtum nicht nur die Bildung pflanzlicher Biomasse, sondern steigert auch die Aktivitรคt und genetische Vielfalt von Bodenmikroorganismen, also all der kleinen Krabbelwesen unter der Erde. Diese wandeln den Kohlenstoff aus Pflanzen vermehrt in organische Bodensubstanz um. Das hat einen doppelten Effekt: Der Boden wird reicher und wertvoller. Und der Kohlenstoff wird so lรคnger im Boden gebunden und nachhaltig der Atmosphรคre entzogen, wo er ansonsten als Bestandteil von Treibhausgasen klimaschรคdlich wirkt.
An der Studie des Max-Planck-Instituts fรผr Biogeochemie in Jena war ein internationales Forscherteam beteiligt, dem auch Prof. Nico Eisenhauer vom Deutschen Zentrum fรผr integrative Biodiversitรคtsforschung (iDiv) angehรถrt.
In der Schilderung dieser wichtigen Entdeckung werden die Forscher geradezu schwรคrmerisch: โDie Vielzahl unterschiedlicher Arten in einem รkosystem erfreut nicht nur den Naturliebhaber. Sie hรคlt das jeweilige รkosystem auch stabil und bestimmt dessen Eigenschaften und Funktionen in und mit der Umgebung. So spielen รkosysteme, in denen Pflanzen dominieren, eine zentrale Rolle im globalen Kohlenstoff-Kreislauf: Durch Photosynthese wandeln Grรคser, Bรคume und andere Gewรคchse atmosphรคrisches Kohlendioxid in pflanzliche Biomasse um. Der Kohlenstoff, den sie auf diese Weise binden, gelangt dann, รผber Pflanzenreste oder Wurzelausscheidungen, als organische Substanz weiter in den Boden und kann dort gespeichert werden. Dass eine groรe Pflanzenvielfalt die Speicherung im Boden fรถrdert, belegten exemplarisch bereits frรผhere Studien.โ
Aber der Mechanismus dahinter war bisher eher unklar.
รber das โJena-Experimentโ haben wir an dieser Stelle schon mehrfach berichtet. Das bietet so nebenbei auch eine gute Forschungsgrundlage fรผr die Kohlenstoffbindung im Humus und die Frage, warum รkosysteme mit groรem Artenreichtum mehr Kohlenstoff binden als solche mit geringer Diversitรคt.
Das untersuchte nun ein internationales Forscherteam um Prof. Gerd Gleixner und Dr. Markus Lange, die beide am Max-Planck-Institut fรผr Biogeochemie in Jena forschen, auf den Versuchsflรคchen des โJena Experimentsโ. In diesem Langzeitexperiment, das die Max-Planck-Forscher gemeinsam mit der Friedrich-Schiller-Universitรคt Jena betreiben, untersuchen Wissenschaftler den Einfluss der Biodiversitรคt unter anderem auf Stoffflรผsse in der Natur.
Das Forscherteam verglich nun Wiesenflรคchen unterschiedlicher Artenvielfalt miteinander, die รผber neun Jahre lang gleichen Umweltbedingungen ausgesetzt waren. Die Wissenschaftler konnten auch nachweisen, dass artenreiche Wiesen im Gegensatz zu artenarmen den Mikroorganismen im Boden mehr Nahrung und Rohstoffe zur Verfรผgung stellen und gleichzeitig gรผnstigere Umweltbedingungen bieten. Auch der Mechanismus, der einer erhรถhten Kohlenstoffspeicherung in artenreichen Pflanzengemeinschaften zu Grunde liegt, konnte von den Experten identifiziert werden.
โHรถhere Mengen an Wurzelausscheidungen unterstรผtzen eine vielfรคltige und aktive mikrobielle Gemeinschaft im Boden, welche Pflanzenstoffe in mikrobielle Produkte umwandeln, die dann im Boden angereichert werdenโ, erklรคrt Prof. Nico Eisenhauer, Mitautor der Studie.
Nur der Mechanismus war noch nicht ganz klar: Wird der Kohlenstoff nun im Boden weiter abgebaut und umgesetzt? Und wenn ja, zu was? Was machen die Bodenorganismen damit?
Die kleine รberraschung fรผr die Forscher: Die erhรถhte mikrobielle Aktivitรคt fรผhrte unerwarteter Weise jedoch nicht zum Verlust kohlenstoffhaltiger Substanz im Boden, es fand also kein verstรคrkter Abbau statt. Im Gegenteil: Die mikrobielle Gemeinschaft fรผgte dem Boden mehr Kohlenstoff hinzu, weil sie mehr pflanzliche Biomasse umwandelte.
โDer Stoffwechsel der Mikroorganismen scheint bei hoher Biodiversitรคt zugunsten des Stoffaufbaus verschoben zu seinโ, interpretiert Lange den Befund. Hinzu kommt, dass dieser โmikrobielleโ Kohlenstoff lรคnger im Boden gespeichert wird, wie sowohl die Altersbestimmung der Kohlenstoffmolekรผle im Boden anhand natรผrlicher Isotope als auch die Modellierung des Kohlenstoffflusses ergaben. Die Studie zeigt damit erstmalig, dass eine hohe Pflanzen-Diversitรคt zu einer lรคngerfristigen Kohlenstoffspeicherung im Boden fรผhrt, weil sie eine vielfรคltigere Zusammensetzung und grรถรere Aktivitรคt der mikrobiellen Gemeinschaft zur Folge hat.
Der grรถรere Artenreichtum รผber der Erde spiegelt sich auch in einem grรถรeren Artenreichtum unter der Erde.
Aber ob die Jenaer Erkenntnisse noch rechtzeitig das Bewusstsein der Verantwortlichen erreichen, ist eher fraglich. Auch das iDiV setzt lieber ein Fragezeichen unter die Meldung, was die Hoffnung betrifft, die Menschheit kรถnnte noch das Ruder herumreiรen: โGlobal betrachtet sind pflanzenreiche รkosysteme besonders wichtig, um Kohlendioxid aus der Luft zu speichern, welches ansonsten als Treibhausgas die Erderwรคrmung fรถrdert. Deren Biodiversitรคt wird jedoch durch den Klimawandel und die zunehmende Nutzung der Landflรคchen stetig verringert, bis hin zum globalen Rรผckgang und dem Verlust von Arten.โ
Und Prof. Gerd Gleixner, Leiter der Studie: โUnsere Erkenntnisse unterstreichen daher einmal mehr die Bedeutung der Biodiversitรคt fรผr wichtige รkosystemfunktionen wie die Kohlenstoffspeicherung. Der Erhalt einer hohen biologischen Vielfalt wirkt letztlich der zunehmenden Anreicherung des Treibhausgases Kohlendioxid in der Atmosphรคre, und somit dem Klimawandel, nachhaltig entgegen.โ
Wenn er damit schon mal die Ohren der drei mitteldeutschen Umweltminister erreichen kรถnnte, wรคre schon was gewonnen.
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