Im Deutschen Zentrum für Biodiversitätsforschung (iDiV) sind eine ganze Reihe Institute und Projekte aus dem mitteldeutschen Raum gebündelt. Eines davon ist ein ökologischer Freilandversuch an der Saale. Der wurde 2013 vom Hochwasser überschwemmt. Für die Forscher ein wissenschaftlicher Glücksfall. Den solche Extremereignisse können sie nicht simulieren. Und gelernt haben sie auch was draus.
Anfang Juni 2013 war Mitteleuropa von einer Jahrhundertflut betroffen, die Schäden von weit über zwölf Milliarden Euro anrichtete. In Thüringen trat die Saale über die Ufer und überschwemmte dabei die ökologischen Freilandversuchsflächen des in der internationalen Fachwelt bekannten Jena Experiments. In den Saaleauen werden bereits seit 2002 die Auswirkungen des Artensterbens in Mahdwiesen untersucht.
Ein Team von Wissenschaftlern um Nico Eisenhauer, Professor am Forschungszentrum iDiv und der Universität Leipzig, nutzte das extreme Wetterereignis, um Hypothesen und Fragestellungen nachzugehen, die seit über 30 Jahren in der ökologischen Fachliteratur kursieren, bisher aber noch nie im Kontext starker Überflutungsereignisse überprüft werden konnten.
Die Experten fanden heraus, dass artenreiche Pflanzengemeinschaften zusätzliches Wasser und Nährstoffe effizienter nutzen konnten als artenarme Gemeinschaften. „Es zeigte sich erstmals ein Szenario, in dem erhöhte Biodiversität mit erhöhter Biomasseproduktion, aber auch mit reduzierter Stabilität einherging“, erklärt Dr. Alexandra Wright, iDiv-Wissenschaftlerin und Hauptautorin der Studie. Nico Eisenhauer führt ergänzend aus: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass artenreiche Pflanzengemeinschaften sehr variabel auf extreme Umweltereignisse reagieren können und dass Stabilität nicht unbedingt die wichtigste Eigenschaft sein muss, um die Funktionsweise eines Ökosystems zu bewerten.“
Bislang ging man davon aus, dass in artenreichen Gemeinschaften die Wahrscheinlichkeit höher ist, dass darin vorkommende Individuen eine Störung tolerieren und die Auswirkungen abpuffern können. Nun stellte sich heraus, dass vor allem artenreiche Pflanzengemeinschaften flexibel auf Störungen reagieren konnten: Das heißt, dass sie in ihrer Biomasseproduktion am stärksten von den Vorjahren abwichen.
„Die Flut traf das Jena Experiment im Juni 2013 völlig überraschend und einige Versuchsparzellen standen daraufhin für bis zu drei Wochen komplett unter Wasser“, berichtet Prof. Eisenhauer. Auch Prof. Dr. Wolfgang Weisser von der TU München und Sprecher des Jena Experiments erinnert sich an die kritische Situation: „Wir waren besorgt, dass das Experiment zerstört sein könnte aufgrund dieser starken Störung.“
Doch die Wissenschaftler machten aus der Not eine Tugend und studierten im Detail die Auswirkungen des Hochwassers. Dr. Anne Ebeling, Wissenschaftliche Koordinatorin an der Universität Jena: „Hierfür organisierten wir innerhalb kürzester Zeit viele zusätzliche Messungen und nutzten die Stärke des Jena Experiments: die Zusammenarbeit von Mitgliedern unterschiedlichster Expertise – von Pflanzenökologen, Bodenökologen, Hydrologen und Chemikern bis hin zu Zoologen.“
Das Jena Experiment ist eines der weltweit größten Biodiversitätsexperimente und das am längsten bestehende in ganz Europa. Auf dem ca. zehn Hektar großen Gelände in der Saaleaue werden seit 2002 die Zusammenhänge zwischen Pflanzendiversität und Ökosystemprozessen im Grasland untersucht. Auf 80 Versuchsflächen (á 30 Quadratmeter) studieren Wissenschaftler unterschiedliche Biodiversitätseffekte von ober- und unterirdischen Prozessen.
In den kommenden 100 Jahren wird die Häufigkeit und Intensität extremer Wetterereignisse zunehmen. In Europa könnte das zu weiteren Hochwasserkatastrophen ähnlich der Flut im Jahr 2013 führen, die mit enormen Schäden für Mensch und Natur einherging.
Die Folgen solch extremer Wetterereignisse für Landschaften wie zum Beispiel das Grasland haben Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), der Universität Leipzig, der Friedrich-Schiller-Universität Jena und der Technischen Universität München in einer Studie bei Nature Communications (DOI: 10.1038/ncomms7092) beschrieben: “Flooding disturbances increase resource availability and productivity but reduce stability in diverse plant communities.” Nature Communications (DOI: 10.1038/ncomms7092).
Quelle: www.idiv.de
Keine Kommentare bisher