Europas Schutzgebiete wirken sich insgesamt positiv auf den Erhalt der biologischen Vielfalt aus, sind aber nicht für alle Arten effektiv. Nachbesserungsbedarf bestehe vor allem für Arten, denen es schwerer fällt, sich auszubreiten, schreibt ein internationales Forscherteam unter Leitung des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) im Abschlussbericht des EU-Projektes SCALES.

So sei es für viele Vogelarten kein Problem, zwischen den Schutzgebieten zu wandern, für viele Amphibienarten können dagegen Straßen kaum zu überwindende Barrieren sein. Die Wissenschaftler empfehlen daher, auch in den Bereichen zwischen den Schutzgebieten Mindeststandards für den Naturschutz einzuhalten, die die Agrar- oder Holzproduktion nicht beeinträchtigen, aber die Verbindungen zwischen den geschützten Gebieten verbessern würden. Ohne großen Aufwand könne auf diese Art und Weise viel für den Naturschutz getan werden.

Faktoren, die die biologische Vielfalt beeinflussen, wirken auf unterschiedlichen Ebenen. Ein großes EU-Projekt hat daher die Skalierung solcher Faktoren untersucht und besonders das europäische Naturschutznetzwerk “Natura 2000” genauer unter die Lupe genommen. Mit über 26.000 Gebieten an Land und rund 17,5 Prozent der Landfläche der EU ist “Natura 2000” inzwischen das größte Naturschutz-Netzwerk der Welt. Allerdings mangelt es vor allem an funktionierenden Verbindungen zwischen den einzelnen Schutzgebieten, damit seltene Arten zwischen den einzelnen Schutzgebieten wandern können und so die Populationen langfristig genetisch stabil bleiben können.

“Die Etablierung von ‘Natura 2000’ als ein großskaliges politisch-ökologisches Netzwerk ist zwar ein großer Schritt zum Schutz der Artenvielfalt in Europa, jedoch sind weitere Schritte erforderlich. In den nächsten Jahren sollte ein Schwerpunkt auf der räumlichen Anordnung der Schutzgebiete und der ungeschützten Flächen dazwischen liegen, um diese so zu managen, dass sie die notwendige Ausbreitung der Organismen ermöglichen”, fasst Prof. Klaus Henle vom UFZ die Ergebnisse zusammen.

Aus Sicht der Wissenschaftler könnten von diesen Vorschlägen sowohl der Naturschutz als auch die Wirtschaft profitieren: Für bedrohte Tier- und Pflanzenarten sind natürliche Strukturen wie Hecken oder Feldraine wichtig, um Agrarlandschaften durchwandern zu können. Diese Strukturen helfen aber gleichzeitig auch gegen die Erosion des Bodens oder sind Lebensräume für Insekten, die als Bestäuber dafür sorgen, den Ertrag auf den Landwirtschaftsflächen zu erhöhen.Die Untersuchungen brachten neue Erkenntnisse, die für die Naturschutzverantwortlichen von großem Nutzen sein können wie beispielsweise: Größere Schutzgebiete brauchen mehr Verbindungskorridore als kleinere. Es ist effektiver, kleinere Schutzgebiete mit einem großen Schutzgebiet zu verbinden als kleinere Schutzgebiete untereinander. Langfristig besonders von Bedeutung werden Verbindungen sein, die es Arten ermöglichen, über größere Entfernungen zu wandern und so der Verschiebung von Lebensräumen durch den Klimawandel folgen zu können.

Im Rahmen des Projektes entstand eine Datenbank mit Informationen darüber, wie sich einzelne Arten ausbreiten. Diese Informationen könnten später helfen, den Schutz einzelner Arten besser zu managen.

“Tierarten, die großräumig agieren wie der Weißstorch oder der Wolf sollten mindestens länderübergreifend, am besten sogar international gemanagt werden. Tierarten, die weniger weit wandern, wie zum Beispiel der Feldhase oder der Laubfrosch, können dagegen auf Ebene der Bundesländer besser geschützt werden”, erklärt Dr. Reinhard Klenke vom UFZ. Aus Sicht der Forscher ist es wichtig, beim Management von Arten auch auf die räumlichen Strukturen einzugehen. So unterscheiden sich die Bedürfnisse der Agrarförderung im ehemaligen Westen und Osten Deutschlands aufgrund der unterschiedlichen Feldgrößen. Gleiches gelte auch für den Naturschutz.

Um außerdem die finanziellen Barrieren zu überwinden, die die unterschiedliche Verteilung von Kompetenzen zwischen den verschiedenen Gebietskörperschaften hervorgebracht hat, haben die Wissenschaftler bestehende Ansätze (Portugal, Frankreich) und neue Vorschläge (Deutschland, Polen) für einen ökologischen kommunalen Finanzausgleich untersucht. Hintergrund dieser Idee ist, dass viele Kommunen durch Naturschutz zwar Leistungen für übergeordnete Ebenen und andere Kommunen in der Nachbarschaft erbringen – zum Beispiel als Erholungsgebiet für eine Großstadt – dies aber im momentanen Finanzausgleichssystem selten honoriert wird.

“Anhand von Portugal konnten wir zeigen, dass die Berücksichtigung von Natura 2000 und anderen Schutzgebieten im kommunalen Finanzausgleich gerade in ländlichen Gemeinden mit hohen Schutzgebietsanteilen beträchtlich zum kommunalen Haushalt beitragen kann: So gingen im Jahr 2008, ein Jahr nach der Einführung des Ökofinanzausgleichs in Portugal, bis zu 34 Prozent der kommunalen Einnahmen auf Naturschutzgebiete zurück”, berichtet Dr. Irene Ring vom UFZ. Vorschläge, wie diese Idee auch in Deutschland zum Schutz der Natur helfen könnte, sind für den kommunalen Finanzausgleich im Freistaat Sachsen und für den Länderfinanzausgleich bereits durchgerechnet worden.

Das EU-Projekt SCALES (Securing the Conservation of biodiversity across Administrative Levels and spatial, temporal, and Ecological Scales) zählte mit knapp zehn Millionen Euro Gesamtbudget und fünf Jahren Laufzeit zu den größten Forschungsprojekten Europas auf dem Gebiet der biologischen Vielfalt. Regionale Fallstudien wurden dabei in Großbritannien, Finnland, Polen, Frankreich und Griechenland erstellt. Am SCALES-Projekt waren insgesamt 31 Institutionen aus verschiedenen europäischen Ländern sowie Australien und Taiwan beteiligt. Koordiniert wurde das Projekt vom UFZ in Leipzig. Neben zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen, die im Rahmen des Projektes veröffentlicht wurden, erschien nun auch im Pensoft-Verlag ein Buch: “Scaling in Ecology and Biodiversity Conservation”.

Quelle: UFZ / Tilo Arnhold

Anmerkung der Redaktion: Zu den Leipziger FFH-Gebieten gehören seit 2006 die Laubwaldgebiete östlich von Leipzig und der gesamte Leipziger Auwald.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Redaktion über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar