Ganz großen Rummel gab es am Dienstag, 12. August, im Leipziger Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie (IZI) in der Perlickstraße. Zwei Ministerpräsidenten, drei Rektoren, der Präsident des Fraunhofer Instituts und der Leiter des Leipziger IZI saßen im Podium. Kooperationsverträge wurden unterzeichnet, Großes verkündet. Zentrales Wort: Leistungszentrum. Leipzig wird ein neues Leistungszentrum im Fraunhofer-Netz. Und das erste Projekt ist praktisch schon angelaufen.
Ein bisschen in außergewöhnlicher Reihenfolge, denn die Leipziger Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) kooperiert ja schon mit dem Fraunhofer IZI in einem Projekt, in dem die ingenieurtechnische Kompetenz der technischen Hochschule mit dem Forschungsbereich der IZI-Forscher zusammen kommt.
“Zell-funktionale Bildanalyse” heißt die Fachgruppe, in der Bildgebungsverfahren entwickelt werden sollen, mit denen die IZI-Forscher künftig Zellkulturen beobachten und analysieren können, ohne sie zu zerstören. Denn bislang ist die Regel bei Forschung mit Zellkulturen die, dass die Probekultur nach der Analyse zerstört ist und nicht weiter erforscht werden kann. Was aber gerade dann keinen Sinn macht, wenn man es mit veränderten Geweben zu tun hat, die man über einen längeren Zeitraum beobachten möchte.
Das betrifft, wie Prof. Dr. Frank Emmrich, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie IZI, erläuterte, zum Beispiel die Zellproben aus der Schlaganfallforschung. Immerhin ist Schlaganfall eine “Volkskrankheit” – sehr viele Menschen sind davon betroffen. Wie aber funktionieren Nervenzellen weiter, wenn sie kurzzeitig unter Sauerstoffmangel litten? Was passiert danach?
Das bekommt man nicht heraus, wenn man die Probe zerstört. Man braucht also – wie es Prof. Dr. Ulf-Dietrich Braumann erläutert – eine “zerstörungsfreie Online-Analyse”. Moderne Bildgebungsverfahren, mit denen sich Zellentwicklungen in so einer Kultur beobachten lassen, gibt es schon. Aber das Bild, so betont Braumann, ist noch nicht alles – man braucht auch Bildverarbeitungssoftware, die eine genauere Analyse ermöglicht. Da kommt das Knowhow der HTWK ins Spiel. Und Braumann selbst spielt natürlich auch eine Rolle, denn er wird die Professur übernehmen, die direkt im IZI angesiedelt ist und das Können der Ingenieure und Masterstudenten der HTWK zusammen bringt mit den Forschungszielen der IZI-Wissenschaftler.
Am Dienstag, 12. August,unterzeichneten Prof. Dr.-Ing. Markus Krabbes, kommissarischer Rektor der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig), und Prof. Dr.-Ing. Reimund Neugebauer, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, eine Erklärung über die Gründung einer gemeinsamen Fachgruppe “Zell-funktionale Bildanalyse”. In dieser Gruppe werden Wissenschaftler des Leipziger Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie (IZI) und der HTWK Leipzig zusammenarbeiten.
Diese Gruppe wird das machen, was Braumann am Dienstag vor großer Runde erläuterte – “mikroskopie-basierte Verfahren und Analysemethoden weiterentwickeln, die den aktuellen Funktionszustand von Zellen und Geweben umfassender als bisher beschreiben können.” Noch etwas vage ausgedrückt, denn um das zu erreichen, stehen heute zwar verschiedene Bildgebungsverfahren zur Verfügung. Welcher Weg aber am Ende in ein Instrument mündet, das in der medizinischen Praxis auch angewendet werden kann, das muss noch herausgefunden werden.
Für Emmrich wäre das Ideal ein Gerät, das problemlos in jeder Klinik aufgestellt werden kann.Die gemeinsame Fachgruppe soll im Herbst 2014 starten. Die Fraunhofer-Gesellschaft stellt dafür 1,5 Millionen Euro in den nächsten fünf Jahren zur Verfügung, die HTWK Leipzig bringt sich – unterstützt durch das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst – mit der Professur Biotronische Systeme an der HTWK Leipzig ein. Die gute Nachricht für Braumann: Ministerpräsident Stanislaw Tillich sagte am Dienstag die Finanzierung dieser Professur durch den Freistaat Sachsen zu.
“Diese neuartige Kooperationsform ermöglicht es uns, unsere jeweiligen Stärken zusammenzubringen”, erklärte Prof. Markus Krabbes, kommissarischer Rektor und Prorektor Forschung der HTWK Leipzig. “Das Fraunhofer IZI trägt das fachliche Wissen zu zellbiologischen und regenerativen Prozessen bei, wir das ingenieurwissenschaftliche Know-how in der Bildauswertung. Und da beide Partner anwendungsorientiert arbeiten, sehe ich hier beste Erfolgsaussichten. Unser Ziel ist, in Zukunft solche strategischen Kooperationen auszubauen – gerade innerhalb der Wissenschaftsregion Leipzig.”
Inhaber der neuen Professur “Biotronische Systeme” und Leiter der gemeinsamen Fachgruppe
“Zell-funktionale Bildanalyse” heißt die neue Fachgruppe, “Biotronische Systeme” die Professur von Prof. Dr.-Ing. Ulf-Dietrich Braumann (HTWK Leipzig). Ergebnis soll am Ende eine Analyseplattform für kontinuierliche, bildbasierte, sowie zerstörungsfreie zell-funktionale Analysen sein.
“Die neue Fachgruppe wird nicht nur neue Bildgebungsverfahren zur Beobachtung von Zellkulturen und organtypischen Kulturen aus der Hirnschlagforschung einsetzen, sondern dafür zugeschnittene Bildanalyseverfahren erarbeiten, mit denen automatisierte und damit objektivierte Messungen z.B. hinsichtlich der Zell- und Gewebeform oder der Anordnung bestimmter Zellen im Gewebe vorgenommen werden können”, so Prof. Braumann. “Dies erfordert ein enges interdisziplinäres Zusammenwirken innerhalb der Fachgruppe, bestehend aus Kollegen von Fraunhofer IZI und HTWK, aber genauso die Nutzung der vielfältigen externen Kooperationsmöglichkeiten, wie etwa mit der Leipziger Universitätsmedizin oder mit in Leipzig ansässigen Firmen aus dem Wirtschaftscluster Gesundheitswirtschaft und Biotechnologie.”
Da sich das IZI auch mit der Züchtung neuer Zell- und Gewebekulturen beschäftigt, könnte sich hier eine ganz neue Zukunft für die Schlaganfalltherapie andeuten. Ob es gelingt, werden die nächsten fünf Jahre zeigen.
Aber allein wegen dieses Kooperationsvertrages sind natürlich all die genannten Amts- und Würdenträger am Dienstag nicht nach Leipzig gekommen. Es ging natürlich um mehr.
Mehr dazu morgen an dieser Stelle.
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