Plakate zieren derzeit Leipzigs Straßen. Sie laden ein, die Sachsen als Wollnashornjäger, Ur-Kleingärtner und Total-Auswanderer zu entdecken. Ab Freitag, 16. Mai. Dann wird nämlich das Staatliche Museum für Archäologie Chemnitz eröffnet. Kurz: SMAC. Dann bekommt man in Chemnitz endlich ordentlich zu sehen, was Sachsens Archäologen so alles ausgebuddelt haben. Dumm nur, dass Kulturministerin Sabine von Schorlemer gleichzeitig die Archäologie im Land zum Abschuss freigegeben hat.

Das wird die zuständige Wissenschaftsministerin Sabine von Schorlemer so zwar immer von sich weisen. Sie hat ja die Hochschulen und Universitäten nur angewiesen, irgendwelche Professorenstellen zu kürzen. Aber was kürzt man, wenn es nichts zu kürzen gibt? – In Leipzig trifft es lauter so genannte “Orchideenfächer”. Die so benannt sind, weil sie vordergründig ihre enorme Wichtigkeit für die Wirtschaft nicht beweisen können. Dass das Wissen um unsere Vergangenheit für die Gegenwart wichtig ist, ist einigen Politikern nicht einmal mehr als Ahnung beizubringen.

Vielleicht merken sie es, wenn sie die Chemnitzer Ausstellung sehen. Denn 90 Prozent aller archäologischen Forschung sind Wirtschaftsforschung. Sie beschäftigen sich mit den Artefakten und den Wirtschaftsweisen unserer Vorfahren. Nur in den geringsten Teilen geht es um die Jugendbücher mit ihren glitzernden Schatzlegenden.

“Sachsen erhält mit dem Museum eine dauerhafte Präsentation seiner archäologischen Landesschätze. Über 6.000 Exponate beleuchten auf drei Etagen die Menschheitsgeschichte von der Altsteinzeit bis ins frühe Industriezeitalter”, meldet das Archäologische Landesamt dazu. Und hat das Wort Schätze natürlich nicht vergessen.

“Die Eröffnung des Museums ist eines der wichtigsten kulturpolitischen Ereignisse des Jahres und ein kultureller Höhepunkt für den gesamten Freistaat”, erklärte vor Wochen auch Kunstministerin Sabine von Schorlemer. “Sachsen erhält mit dem neuen Museum im Herzen der Stadt Chemnitz eines der modernsten Archäologiemuseen Deutschlands und ist ein starkes Bekenntnis der Staatsregierung zu Bildung und Kultur in Sachsen. Identität und Selbstverständnis fußen auf dem Bewusstsein unserer Jahrtausende alten Kultur. Im Staatlichen Museum für Archäologie Chemnitz wird sich bald jeder mit seinen kulturellen Wurzeln auseinander setzen können. Aber auch die wechselvolle Zeitgeschichte dieses Hauses und seiner jüdischen Protagonisten wird abgebildet.”

Womit sie noch einen Punkt benannt hat: kulturelle Wurzeln.”Mit modernster, multimedialer Technik möchten wir unser Wissen vermitteln und ein breites Publikum begeistern”, erklärt Direktorin Sabine Wolfram. “Besonders freuen wir uns auf die schwebende Sachsenskulptur. Sie ist einzigartig in der deutschen Museumslandschaft und eines unserer Highlights.”

Die schwebende, oder auch kinetische Sachsenskulptur ist ein durch alle drei Etagen der Dauerausstellung fahrendes Landschaftsmodell von Sachsen. Stündliche Shows zeigen die sich im Laufe der Jahrtausende ändernde Landschaft. Im Foyer des Museums bieten Touchscreens dem Besucher die Möglichkeit, sich interaktiv mit der Archäologie zu beschäftigen oder sich Informationen anzeigen zu lassen – etwa Sachsens unterschiedliche Mundarten.

Das renommierte Stuttgarter Gestaltungsbüro “Atelier Brückner” zeichnet verantwortlich für die Szenografie der Dauerausstellung. Kreativdirektor Uwe R. Brückner verspricht: “Unser integratives Ausstellungskonzept wird einen neuen, zeitgemäßen und emotionalen Zugang zur Archäologie bieten. Gute Szenografie muss den Besucher informieren und faszinieren. Sie vereint Logik und Magie.”
“Am Auftaktwochenende wollen wir allen Beteiligten, Interessierten und Neugierigen ein ganz besonderes Programm mit einigen Überraschungen bieten”, sagt Sabine Wolfram.

Das Staatliche Museum für Archäologie blickt auf eine längere Entstehungsphase zurück. Eine erste Idee zu dem Landesmuseum am Standort Chemnitz wurde bereits 2002 formuliert. Ein Kabinettsbeschluss der Sächsischen Staatsregierung gab im Jahr 2006 den Startschuss für die Museumsplanung. Der Freistaat und die Stadt Chemnitz – Besitzerin des Gebäudes – unterzeichneten 2009 den Mietvertrag.

Ab 2010 fanden die Sanierungs- und Umbaumaßnahmen an dem ehemaligen Kaufhaus Schocken unter der Regie der zwei renommierten Architekturbüros Auer + Weber + Assoziierte aus Stuttgart sowie Knerer und Lang Architekten aus Dresden statt. Seit zwei Jahren präsentiert sich die Fassade des Gebäudes der Klassischen Moderne wieder so, wie sie der berühmte Architekt Erich Mendelsohn 1927 entwarf. Auftraggeber damals waren die Brüder Simon und Salman Schocken, die das Kaufhaus am 15. Mai 1930 eröffneten.

Doch bevor am 16. Mai das Staatliche Museum für Archäologie Chemnitz (smac) seine Pforten für die Öffentlichkeit öffnet, gibt es am Vorabend eine feierliche Eröffnung mit geladenen Gästen. Dabei sein werden unter anderem Ministerpräsident Stanislaw Tillich und die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Johanna Wanka. Die ebenfalls anwesende Wissenschaftsministerin Sabine von Schorlemer hofft, dass die Eröffnung ein “Ereignis von überregionaler Strahlkraft” wird, wie sie gegenüber dpa erklärte.

Ein solches ist es in jedem Fall für Studierende und Dozenten der Archäologie der Universität Leipzig, denn ab sofort können die archäologischen Funde des Freistaates wieder besichtigt werden.

Nun stellt sich jedoch ein Frage: Wer gräbt weiterhin Funde aus oder bearbeitet diese wissenschaftlich? Seit am 21. Januar 2014 die Schließung des Institutes für Klassische Archäologie an der Uni Leipzig bekannt gegeben wurde, steht die Zukunft dieser Einrichtung (und anderer der Universität Leipzig) und damit verbunden auch die des Studiengangs Archäologie der Alten Welt in Frage.

“Sollte an den Kürzungen festgehalten werden, so droht dem Freistaat Sachsen ein Nachwuchsproblem. Schon im Studium sind Kommilitonen beim Landesamt für Archäologie als Grabungshelfer tätig. Nach dem Abschluss werden sie oft als Grabungsleiter eingesetzt. Das gleiche Problem würde über kurz oder lang auch das Landesmuseum treffen. In Sachsen ausgebildete Kräfte wären dann Mangelware”, erklärt dazu der Pressesprecher des FSR Archäologie, Matthias Meinecke.

Der FSR Archäologie Leipzig lädt deshalb alle interessierten Bürgerinnen und Bürger am Donnerstag, 15. Mai, ab 15:30 ein, sich aktiv vor Ort, auf dem Stefan-Heym-Platz in Chemnitz, zu beteiligen und sich ein Bild über die Lage zu machen.

www.smac.sachsen.de

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