Soziale Beziehungen tragen maßgeblich zum biologischen Erfolg des Menschen bei. Über ihre Entstehung und die ihnen zugrunde liegenden Mechanismen ist jedoch wenig bekannt. Das Hormon Oxytocin spielt dabei aber eine Schlüsselrolle. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig haben die Oxytocin-Werte im Urin frei lebender Schimpansen gemessen.

Menschen und einige andere Säugetiere bauen zu nicht verwandten Erwachsenen kooperative Beziehungen auf, die mehrere Monate oder Jahre dauern können. Aktuellen Studien zufolge ist daran das Hormon Oxytocin beteiligt.

Um herauszufinden, ob es zwischen dem Teilen von Futter und der Ausschüttung des Hormons bei unseren nächsten Verwandten einen Zusammenhang gibt, haben Roman Wittig und seine Kollegen vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie 79 Urinproben von 26 frei lebenden Schimpansen aus dem Budongo Forest in Uganda gesammelt und analysiert. Die Forscher fingen die Proben innerhalb der ersten Stunde nach dem beobachteten Verhalten (Futter teilen oder Futter essen ohne zu teilen) auf, denn nur innerhalb dieses Zeitfensters ist das Oxytocin im Urin nachweisbar.Das Ergebnis: Der Oxytocin-Spiegel im Urin von Schimpansen, die mit anderen Gruppenmitgliedern Futter geteilt hatten, war wesentlich höher als bei denen, die, obwohl in Gesellschaft, Essen nicht teilten. “Dabei spielte es keine Rolle, wer Futter gegeben und empfangen hat oder ob die Tiere miteinander verwandt waren oder nicht. Auch ob sie Kooperationspartner waren oder nicht oder ob sie Fleisch oder anderes Futter miteinander teilten, hatte keinen Einfluss auf die Oxytocinwerte”, sagt Wittig.

Darüber hinaus stellten die Forscher fest, dass der Oxytocin-Spiegel nach dem Teilen von Nahrung sogar noch höher war als nach der gegenseitigen Fellpflege, einem häufigen kooperativen Verhalten unter Schimpansen. Das könnte bedeuten, dass das Teilen von Futter einen noch stärkeren positiven Effekt auf den Aufbau und Erhalt von sozialen Bindungen hat als die Fellpflege.

“Futter mit anderen zu teilen könnte ein Schlüsselverhalten für den Aufbau sozialer Beziehungen unter Schimpansen sein”, sagt Wittig. “Da es für Spender und Empfänger gleichermaßen von Vorteil ist, ist dieses Verhalten möglicherweise sogar ein Auslöser oder ein Anzeichen für den Beginn einer kooperativen Beziehung.”

Die Forscher vermuten, dass das Teilen von Nahrung möglicherweise neurobiologische Mechanismen aktiviert, die ursprünglich der Festigung der Mutter-Kind-Bindung während des Stillens dienten. “Zunächst entstand dieser Mechanismus, um die Mutter-Kind-Bindung über das Abstillen hinaus zu festigen”, sagt Wittig. “Die Funktion, kooperative Beziehungen zwischen nicht miteinander verwandten Individuen aufzubauen und zu erhalten, könnte dann später hinzugekommen sein.”

Die lateinischen Wurzeln des Wortes Kumpan (“com=mit”, “panis=Brot”) deuten unter Umständen auf einen ähnlichen Mechanismus beim Aufbau von Freundschaften beim Menschen hin. Ob der Oxytocin-Spiegel beim Menschen nach dem Teilen einer Mahlzeit tatsächlich höher ausfällt als beim “alleine Essen”, wird Gegenstand zukünftiger Studien sein.

Quelle: Sandra Jacob / Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie

www.eva.mpg.de

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