Da denkt der Mensch. Und denkt noch, dass er denkt. Aber was denkt da eigentlich in ihm? - Eine spannende Frage, der auch die Forscher am Leipziger Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften nachgehen. Menschen, die ihren Kopf auch wirklich zum Denken benutzen, stolpern fast automatisch über diese Frage: Wie funktioniert das eigentlich?

Der menschliche Geist ist nicht nur dazu in der Lage, Dinge wahrzunehmen und Erfahrungen zu sammeln, sondern kann die eigene Wahrnehmung und Erinnerung zudem auch reflektieren und beobachten, in zweiter Instanz sozusagen.

Bisher war unklar, ob es sich hierbei um eine einzige oder zwei getrennte Fähigkeiten handelt. Nun haben Forscher unter der Leitung von Daniel Margulies vom Leipziger Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften erstmals die Gehirnareale für Wahrnehmungs- und Erinnerungsreflexion lokalisiert und festgestellt, dass beide nicht miteinander korrelieren. Dies wirft ein neues Licht auf unsere Fähigkeit zur Selbstbeobachtung.

Wohl jeder kennt das: Wir wissen, dass wir uns Namen schlecht merken können, selbst wenn wir uns direkt bei der Vorstellung einer neuen Person vornehmen, deren Namen unbedingt im Gedächtnis zu behalten. Oder wir ärgern uns darüber, Witze immer gleich wieder zu vergessen – beim nächsten neuen Witz achten wir bewusst darauf, ihn uns zu merken. – Auch wenn uns allen solche Gedanken gut vertraut sind und sie eher nebenbei abzulaufen scheinen, sind sie essentiell für effektivere Lernprozesse. Damit unser Denken nämlich Ergebnisse erbringt, die unsere Handlungen leiten können, muss unser Gehirn solche Denkprozesse steuern. Und dazu benötigt es die Fähigkeit, die eigene Funktionsweise reflektieren zu können.

Diese Fähigkeit, eigene Gedanken, Meinungen und Erinnerungen zu reflektieren – sich selbst zu beobachten – wird als Metakognition bezeichnet. Sie lässt sich in verschiedene Kategorien einteilen. Eine Art der Metakognition ist beispielsweise das Nachdenken über die eigene Wahrnehmung. Diese kommt dann zum Einsatz, wenn wir Wahrnehmungen aus unserer Umgebung, die wir zum Beispiel beim Spaziergang machen, einschätzen. Eine andere Art ist die Reflexion unserer Erinnerung, die dann aktiv wird, wenn wir unsere Erinnerung bewerten. Bevor ich beispielsweise zum Telefonhörer greife, frage ich mich, ob ich die Telefonnummer auswendig weiß.Die allgemeine Fähigkeit zur Selbstbeobachtung, das haben frühere Untersuchungen gezeigt, ist an den sogenannten anterioren präfrontalen Kortex (aPFC) geknüpft.

“Im menschlichen Gehirn ist diese Region, die sich an der Stirnseite befindet, ein ungefähr kreditkartengroßer Bereich”, erklärt Daniel Margulies, Forschungsgruppenleiter am MPI. “Es gab bisher vielfältige Hinweise darauf, dass dieser Gehirnabschnitt wesentlich die Selbstbeobachtung unterstützt.”

Bisher war jedoch noch ungeklärt, ob der aPFC einen in sich homogenen Bereich darstellt, der ganz allgemein die metakognitiven Prozesse unterstützt, oder ob er sich in einzelne Gebiete unterteilen lässt, die bestimmten Arten der Metakognition zuzuordnen sind. Mit ausgeklügelten Versuchen und Nutzung der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) haben die Wissenschaftler diese Frage jetzt beantworten können.

“Wir konnten zeigen, dass die Fähigkeiten, eigene Wahrnehmungen genau einzuschätzen und eigene Erinnerungen genau zu reflektieren, nicht miteinander korrelierten, sondern eigenständige Anlagen der Selbstbeobachtung sind”, sagt Margulies – und fügt hinzu: “Wir hätten eigentlich eine Korrelation erwartet, das Ergebnis war für uns überraschend.”

Bei der Studie wurden Probanden zunächst jeweils auf ihre individuellen Fähigkeiten, Wahrnehmung und Erinnerung zu reflektieren, untersucht. Anschließend überprüften die Wissenschaftler, wie persönliche Unterschiede in diesen Fähigkeiten mit den funktionellen Nervenverbindungen im untersuchten Hirnareal verknüpft waren. Sie fanden heraus, dass beide Fähigkeiten nicht nur getrennt voneinander ablaufen, sondern auch von verschiedenen Netzwerken innerhalb des aPFC unterstützt werden. Es ist deshalb gut möglich, dass eine Person Wahrnehmung und Erinnerung unterschiedlich gut beobachtet: “Jemand, der seine Wahrnehmungen nicht sehr genau beobachten kann, kann trotzdem in der Lage sein, seine Erinnerungen ganz hervorragend einzuschätzen”, erklärt Margulies.

Quelle: Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften

www.cbs.mpg.de

Direkt zum Beitrag mit Abbildungen: www.cbs.mpg.de/press/news/53

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