Forschung und Lehre in Leipzig erfreuen sich nationaler und internationaler Anerkennung. Jüngstes Beispiel ist der Leipziger Kardiologe Prof. Dr. Holger Thiele. Der leitende Oberarzt der Klinik für Innere Medizin und Kardiologie des Herzzentrums Leipzig. Im Rahmen der 79. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK), die vom 3. bis 6. April in Mannheim stattfand, wurde er mit dem mit 5.000 Euro dotierten Andreas-Grüntzig-Forschungspreis geehrt.

Thiele überzeugte die Jury mit der IABP-SHOCK II-Studie, der größten bisher durchgeführten Studie im kardiogenen Schock mit insgesamt 790 an der Studie beteiligten Patienten. Diese Studie zeigte, dass durch den in den Leitlinien beschriebenen Einsatz einer speziellen Pumpe in der Hauptschlagader, der sogenannten intraaortalen Ballonpumpe (IABP), bei kardiogenem (vom Herz ausgelöst) Schock nach akutem Herzinfarkt keine Verringerung der 30-Tage Sterblichkeit erzielt werden kann.

Die Studienergebnisse wurden im New England Journal of Medicine veröffentlicht, einem der renommiertesten medizinischen Fachjournale. Ungefähr fünf bis zehn Prozent der Patienten mit einem akuten Myokardinfarkt (Herzschlag) entwickeln einen kardiogenen Schock, welcher noch immer den Hauptgrund für die Sterblichkeit von Patienten mit Herzinfarkt darstellt. Die Sterblichkeit liegt hier zwischen 40 und 50 Prozent, obgleich in den letzten Jahrzehnten mittels der modernen Medizin eine stetige Verringerung erreicht werden konnte. Derzeitige internationale Leitlinien empfehlen bisher den Einsatz einer IABP zur Verbesserung der Herzdurchblutung durch Unterstützung des Blutdruckes und zur Entlastung der Herzarbeit.

Die IABP ist eines der ältesten kardiologischen Medizinprodukte und wurde seit fast 50 Jahren millionenfach eingesetzt. Bisher fehlte aber der Nachweis, dass durch diese Pumpe eine Verringerung der Sterblichkeit erreicht werden kann. Auch die IABP-SHOCK II-Studie mit ihrem enorm großen Datenvolumen bestätigte dies nicht. Sie wird damit die zukünftigen Leitlinien beeinflussen und die Bedeutung der IABP im Schock weiter zurück drängen. Der Grüntzig-Forschungspreis geht somit bereits das zweite Jahr in Folge nach Leipzig.

Im Vorjahr punktete PD Dr. Steffen Desch, Oberarzt der Klinik für Kardiologie im Herzzentrum Leipzig, mit seinen Ausführungen zum “randomisierten Vergleich eines polymerfreien Sirolimus-freisetzenden Stents mit einem polymerbasierten Paclitaxel-freisetzenden Stent bei Patienten mit Diabetes mellitus”. “Ich sehe in dem Preis eine Anerkennung der bisherigen Arbeit. Mit dem Abschluss dieser größten deutschlandweiten Studie im kardiogenen Schock legten wir einen Meilenstein in der Behandlung des kardiogenen Schocks”, erläutert Prof. Dr. Thiele die Bedeutung des Forschungspreises.Gleichzeitig ist die Verleihung für ihn ein Ansporn, die Behandlung des kardiogenen Schocks weiter zu verbessern. Die nächste Großstudie, dieses Mal mit Ausweitung auf andere europäische Länder, mit dem Ziel der Evaluation der optimalen Strategie der Ballonaufdehnung ist gerade gestartet. “Im Fokus steht auch diesmal, dass wir durch wissenschaftliche Daten zeigen können, wie wir die nicht zufriedenstellende hohe Sterblichkeit weiter senken können”, so Prof. Dr. Thiele.

Der Grüntzig-Forschungspreis, verliehen durch Boston Scientific, einem Anbieter für medizintechnische Lösungen, wird seit 2002 im zweijährigen Rhythmus und seit 2007 jährlich anlässlich der Eröffnungsveranstaltung der Jahrestagung der DGK verliehen. Ausgezeichnet werden klinisch tätige Mediziner, deren wissenschaftliche Arbeiten sich mit Fragen der interventionellen Koronartherapie (eingreifende Herzbehandlung) beschäftigen, unter besonderer Berücksichtigung der Reduzierung der Restenose (Verengung von Blutgefäßen). Mit dem Preisgeld sollen innovative Projekte unterstützt werden. Ein unabhängiges Preisrichterkuratorium wählt die besten Arbeiten. Der Vorstand der DGK entscheidet anschließend über die Preisvergabe.

Der Grüntzig-Forschungspreis ist nach dem Kardiologen Prof. Dr. Andreas Grüntzig benannt, der 1977 die erste Ballondilatation (Methode zur Aufdehnung krankhaft verengter Blutgefäße) eines Koronargefäßes am Menschen durchführte. Er eröffnete damit der interventionellen Kardiologie und speziell der Revaskularisation (Wiederherstellung von Blutgefäßen) der Koronarien eine neue Dimension, die ihn weltbekannt machte. Die neue Therapieoption erfuhr eine beispiellose Resonanz und führte zu einem grundlegenden Strukturwandel der Kardiologie. Der in Dresden geborene Mediziner absolvierte sein Abitur in Leipzig und wirkte bis zu seinem Tode 1985 als Professor für Medizin und Radiologie an verschiedenen Universitäten in den USA.

www.herzzentrum-leipzig.de

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