Sie erlauben uns einen Blick in eine längst vergangene Epoche. Genauer gesagt in das Erdzeitalter Devon, vor rund 400 Millionen Jahren. Gemeint sind Urzeitfische, sogenannte Quastenflosser. Lebende Fossilien, erst vor 75 Jahren entdeckt. Eine Sensation. Jetzt ist es einem internationalen Forscherteam, darunter auch Leipziger Forscher, gelungen, das Genom des Quastenflossers vollständig zu entschlüsseln.
Es war eine Sensation, als 1938 auf einem Fischmarkt in Südafrika eine unbekannte Fischart auftauchte. Wenig später stellte sich heraus, dass die Fischer ein lebendes Fossil an Land gezogen hatten – einen sogenannten Quastenflosser (Latimeria chalumnae). Bis dahin galt diese prähistorisch anmutende Fischart als längst ausgestorben. Mehr als 400 Millionen Jahre gibt es diese Tiere mit den charakteristischen Gelenkansätzen, die eine Mischung zwischen Flossen und Gliedmaßen darstellen. Die Quastenflosser gelten als Zeugen einer Entwicklungsphase der Erde, als sich alles Leben noch in den Ozeanen abspielte. Bisher war das Genom des Quastenflossers gänzlich unbekannt.
Ein internationales Konsortium, an dem auch Wissenschaftler der Universität Leipzig beteiligt waren, hat den genetischen Code der Tiere geknackt. Ihre Forschungsergebnisse haben sie in der renommierten Fachzeitschrift “Nature” veröffentlicht. “Ich betrachte die Mitarbeit an einem solchen großen Genomprojekt als Investition in zukünftige Forschungsaufträge”, sagt Bioinformatiker Prof. Dr. Peter Stadler von der Universität Leipzig, der gemeinsam mit vier weiteren Wissenschaftlern der Alma mater an dem dreijährigen Projekt mitgewirkt hat.
Das Genom des Quastenflossers enthält 2,9 Milliarden Buchstaben, also fast so viele wie das menschliche Genom. Das wissenschaftliche Konsortium habe in mühevoller Detailarbeit die Bedeutung dieser Buchstaben analysiert, erklärt Stadler. Sein Team hat speziell die nicht kodierenden Gene der Tiere untersucht – jene, die im Gegensatz zu den kodierenden keine Proteine produzieren. “In nicht kodierender Ribonukleinsäure steckt drin, wie das Zusammenspiel der Proteine funktioniert”, erklärt Stadler die überwachende und steuernde Funktion dieser Gene.
Die Auswertung der einzelnen Forschungsergebnisse von Wissenschaftlern aus aller Welt führte zu wichtigen Erkenntnissen über die evolutionäre Anpassung der Lebewesen vor Millionen von Jahren. “Der Quastenflosser ist von seinen Enzymen her extrem konservativ. Er hat sich sehr viel langsamer entwickelt als andere Tiere”, berichtet Stadler. Warum dies so ist, kann die Fachwelt nicht sagen. Aus dem gewonnenen Wissen über das Genom dieses vom Aussterben bedrohten Tieres können die Wissenschaftler nun zu neuen Erkenntnissen über die evolutionäre Anpassung der Landtiere kommen, die ursprünglich auch alle im Wasser lebten. Besonders der Übergang von den Flossen zu den Landextremitäten sei interessant.
“Der Quastenflosser schaut heute noch so aus wie die 400 Millionen Jahre alten Fischfossilien”, sagt der Experte. Im Gegensatz zu anderen Tieren ist er jedoch im Meer, seinem ursprünglichen Element – geblieben. Das Genom des Quastenflossers ist nicht das einzige, an dessen Entschlüsselung Prof. Stadler und seine Kollegen beteiligt waren. Auch der genetische Code der Truthähne und der Schweine wurde unter Mitwirkung der Leipziger Wissenschaftler geknackt.
Zuletzt hat Stadlers Arbeitsgruppe am Zuckerrüben-Genom geforscht. Die Analyseergebnisse werden gerade begutachtet. Von diesen im Erdalterum häufigen Fischen gibt es heute nur noch eine Art, den Urfisch Latimeria auch als Coelacanth bezeichnet. Obwohl dieser Quastenflosser über imposante 1,50 Meter lang wird, wurde er erst relativ spät in der Nähe der Komoren-Inseln vor der Südostküste Afrikas entdeckt. Die Latimeria lebt in 150 bis 400 Meter Tiefe im Bereich von felsigen Schelfgebieten. Der Quastenflosser ernährt sich hauptsächlich von anderen Fischen und wohl auch von Tintenfischen. Die Brust- und Bauchflossen sind sehr kräftig und so beweglich wie Laufbeine entwickelt.
Mit diesen vier “Beinen” kann sich die Latimeria auf dem felsigen Untergrund sowohl kriechend fortbewegen als auch schwimmen. Während fossile Quastenflosser als versteinerte Reste in weiten Teilen der Welt gefunden wurden und sowohl im Süß- als auch im Salzwasser gelebt haben, scheint die Latimeria nach bisherigen Funden nur einem kleinen Gebiet vor der südostafrikanischen Küste und besonders im Bereich der Komoren-Inseln vorzukommen. Man geht davon aus, dass es die Quastenflosser waren, die die Grenze zwischen Wasser und Land endgültig überwanden und damit jenen entscheidenden Entwicklungsweg eingeleitet haben, der zur Eroberung des Festlandes geführt hat.
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