Lieschgras, Glatthafer und Knäuelgras, Gänseblümchen, Löwenzahn und Sauerampfer - eine durchschnittliche Wiese hat weit mehr zu bieten als einfach nur "Gras". Doch welchen Unterschied macht es, ob eine Wiese aus einer oder 60 verschiedenen Pflanzenarten besteht? Welche Auswirkungen hat die Artenvielfalt auf die Stoffkreisläufe und Prozesse innerhalb des Ökosystems? Und was bedeutet der Verlust einzelner Arten für das System Wiese?
Das erforscht seit 2002 ein internationales Team von Botanikern, Zoologen, Biogeochemikern, Bodenkundlern, Physiologen und Genetikern aus der Schweiz, Frankreich, den Niederlanden und Deutschland auf dem Versuchsfeld der Friedrich-Schiller-Universität Jena, dem “Jena-Experiment”. Wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) jetzt mitgeteilt hat, wird das Großprojekt, an dem auch Wissenschaftler der Universität Leipzig beteiligt sind, für weitere drei Jahre mit rund 7 Millionen Euro gefördert.
Die Wiesen dienen als Modellsystem, um allgemeine Prozesse in ökologischen Systemen zu verstehen. Auf einem etwa zehn Hektar großen Gelände in der Saaleaue wachsen in rund 585 Versuchsparzellen künstlich zusammengestellte Graslandschaften: von der Monokultur mit nur jeweils einer Pflanzenart bis hin zur Wiese aus 60 verschiedenen Gräsern, Kräutern und Leguminosen. Damit ist das “Jena-Experiment” eines der weltweit größten Biodiversitätsexperimente und das am längsten bestehende in ganz Europa.
Es stellt auch eine wichtige wissenschaftliche Plattform des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig dar: “Eine umfassende Quantifizierung von Zyklen wichtiger chemischer Elemente sowie die Untersuchung von über- und unterirdischen Prozessen werden genutzt, um all jene Mechanismen aufzudecken, die den Biodiversitätseffekten zugrunde liegen”, erläutert iDiv-Direktor Prof. Dr. Christian Wirth.
Der Leipziger Professor für Spezielle Botanik und funktionelle Biodiversität und seine wissenschaftliche Mitarbeiterin Dr. Alexandra Weigelt forschen bereits seit Jahren im Jena-Experiment. In der nächsten Antragsphase betreuen sie zwei Projekte, eines zur Quantifizierung von struktureller Diversität per Analyse von Digitalbildern und eines zur Dynamik von Wurzeln.
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Für die kommende Förderperiode bis 2016 wollen die Jenaer Ökologen und ihre Kooperationspartner die seit 2002 erhaltenen Erkenntnisse in aktuelle Fragestellungen integrieren. “So lässt sich inzwischen sehr genau sagen, welche Ökosystemprozesse von der Artenvielfalt beeinflusst werden”, erläutert Prof. Dr. Nico Eisenhauer von der Uni Jena. “In der nun beginnenden Projektphase wollen wir herausfinden, warum das so ist”, sagt der Professor für Terrestrische Ökologie, der in der kommenden Phase für das Experiment in Jena verantwortlich ist. So liegen beispielsweise vielfältige Daten vor, die den Zusammenhang zwischen Biodiversität und Produktivität des Ökosystems belegen. Diesen Zusammenhang gelte es nun im Detail zu erklären.
Dazu haben die Forscher im “Jena-Experiment” neue Experimentierflächen angelegt. Auf diesen 3,5 mal 3,5 Meter großen Flächen variiert nicht allein die Vielfalt der Pflanzenarten, sondern es wurden auch die Eigenschaften der Pflanzen berücksichtigt. “Wir haben die Pflanzen anhand ihrer Wachstums- und Entwicklungsdaten etwa danach kombiniert, dass sie sich möglichst gut in der Ressourcenaufnahme und in ihrer zeitlichen Dynamik ergänzen”, so Eisenhauer. Untersuchen wollen die Ökologen in den kommenden Jahren unter anderem die Nährstoffkreisläufe und die Interaktionen der Pflanzen- und Tierarten auf und im Boden. Außerdem ist die Synthese aller Daten in einer umfassenden Datenbank vorgesehen.
Seit Beginn des “Jena-Experiments” im Jahr 2002 haben die Ökologen rund 14.000 Variablen gemessen. Rund 80 Prozent der gesammelten Daten sind inzwischen ausgewertet und stehen jetzt der weltweiten Biodiversitätsforschung zur Verfügung. Über 100 wissenschaftliche Publikationen sind seither entstanden, darunter in renommierten Fachmagazinen wie “Nature”, “PNAS” oder “Ecology”. 23 Nachwuchswissenschaftler haben in dieser Zeit ihre Doktorarbeiten im “Jena Experiment” angefertigt und abgeschlossen.
Quelle: Universität Leipzig
www.uni-leipzig.de
www.idiv-biodiversity.de
www.the-jena-experiment.de
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