Bei Mäusen beeinflussen die Arten der Darmbakterien den Hormonspiegel, den Stoffwechsel, die Immunantwort und damit die Entwicklung von Diabetes Typ 1, berichtet ein internationales Forscherteam in der Online-Ausgabe von "Science", an dem das UFZ mit Analysen des Stoffwechsels beteiligt ist. Diese Ergebnisse könnten Hinweise liefern, weshalb Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose und Gelenkrheumatismus bei Frauen häufiger auftreten als bei Männern.

Zwar ist bekannt, dass sowohl genetische als auch umweltbedingte Faktoren zur individuellen Anfälligkeit für Autoimmunerkrankungen beitragen, aber die Wechselwirkungen zwischen Darmbakterien und der Entwicklung von Diabetes Typ 1 sind bisher noch nicht eindeutig geklärt.

Beim Typ 1 der Diabetes mellitus sorgt das körpereigene Immunsystem dafür, dass die Bauspeicheldrüse nicht mehr ausreichend Insulin produziert. Ohne das Insulin kann jedoch der Energielieferant Glukose nicht mehr richtig verarbeitet werden. Die Folge: Der Zuckerspiegel im Blut steigt gefährlich an. Umgangssprachlich wird Diabetes daher oft auch einfach Zuckerkrankheit genannt. An dieser Variante leiden etwa fünf Prozent der Diabetes-Erkrankten. Sie kann sowohl im frühen Kindesalter als auch im späten Erwachsenenalter auftreten und zählt zu den Autoimmunerkrankungen, die auf einer Überreaktion des Immunsystems gegen körpereigenes Gewebe beruhen.

Für die jetzt veröffentlichte Studie untersuchte das internationale Forscherteam um Prof. Jayne Danska von der University of Toronto sogenannte “NOD”-Mäuse, die Typ-1-Diabetes entwickelten. Diese besondere Zuchtform wird seit den 80er Jahren in der experimentellen Diabetes-Forschung als Tiermodell für den Typ-1-Diabetes eingesetzt. Typischerweise sind die Weibchen viel anfälliger als Männchen, die möglicherweise durch einen höheren Testosteronspiegel geschützt sind. Dieser Unterschied verschwand aber, wenn die NOD-Mäuse unter keimfreien Bedingungen aufgezogen wurden. Die Forscher übertrugen vor Ausbruch der Krankheit die Darmbakterien von männlichen Tieren in Weibchen und stellten fest, dass die Weibchen dann gegen eine Vielzahl von Typ-1-Diabetes-Symptome geschützt waren. Eine Unterdrückung der Aktivität des Testosterons kehrte diese schützende Wirkung jedoch um.
Am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig wurden die Folgen der transplantierten Darmbakterien auf den Stoffwechsel der Mäuse per Massenspektrometrie untersucht. Auf die sogenannte Metabolomik hat sich das Department um Prof. Dr. Martin von Bergen spezialisiert: “Für uns war es besonders spannend, zu sehen, wie die Billionen an Mikroorganismen, die Säugetiere als Untermieter im Verdauungstrakt beherbergen, den Hormonspiegel und damit auch das geschlechtsspezifische Verhalten und den Stoffwechsel des Wirts beeinflussen. Das bedeutet, ob jemand als Alphatier oder Omegatier auftritt, könnte auch damit zusammenhängen, welche Bakterien sie oder er beherbergt”, erklärt Prof. von Bergen.

“Die biologische Vielfalt in unserem Inneren und deren Effekte auf unsere Gesundheit sind im Hinblick auf die Gesamtheit der umweltbedingten Einflüsse eine bisher wenig erforschte Welt, in der es noch viel zu entdecken geben wird.” Diese Arbeiten an der Schnittstelle zwischen Gesundheitsforschung und mikrobieller Ökologie sollen in den nächsten Jahren am UFZ fortgesetzt werden, um die Auswirkungen der inneren Besiedlung auf chronische Erkrankungen besser verstehen zu können.

Weitere Arbeiten sind notwendig, um zu untersuchen, ob die jetzt veröffentlichten Erkenntnisse auch beim Menschen gelten. Zum Beispiel könnten sie von größerer Bedeutung für geschlechtsspezifische Krankheiten wie Gelenkrheumatismus und Multiple Sklerose sein als für als Typ-1-Diabetes, die bei Männern und Frauen etwa gleich häufig trifft. Die Autoren der Studie hoffen, dass es künftig einfacher wird, Säuglinge und Kinder mit einem hohen Risiko für Autoimmunerkrankungen zu identifizieren. Ebenfalls noch eine Vision ist das Ziel der Wissenschaft, später einmal über die Darmflora den Ausbruch dieser Krankheiten zu verhindern oder zu verzögern.

Quelle: Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Tilo Arnhold

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