Unsere Hirnaktivität ist einem ständigen Auf und Ab unterworfen. Beim Zuhören gleicht sich diese "Oszillation" den gehörten Klängen der Umwelt an. Forscher am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften haben nun gezeigt, dass die Kopplung von Klängen und Hirnwellen einen Einfluss darauf hat, wie wir hören.

Die Fähigkeit zu hören “oszilliert” regelrecht mit den Hirnwellen und wird mit ihnen besser oder schlechter. Der Einblick in diese Kopplung von Klängen, Hirn und Verhalten bietet neue Möglichkeiten, Hörerkrankungen besser zu verstehen.

Der Hirnrhythmus des Zuhörers synchronisiert sich mit dem akustischen Reiz, dadurch “oszilliert” seine Hörleistung.

Die Welt ist voller periodischer Phänomene. Ein gutes Beispiel ist unsere Aufmerksamkeitsspanne im Laufe eine Tages: Viele von uns fühlen sich morgens aufmerksamer; andere sind erst zu später Stunde fähig zu geistigen Höchstleistungen. Dieser Tag-Nacht-Rhythmus beeinflusst nicht nur unser Verhalten, sondern auch unsere gesamte Wahrnehmung. In den Neurowissenschaften existiert die Idee, dass auch die kleinsten Rhythmen in der Umwelt Rückkopplungen auf unser Gehirn und unser Verhalten haben könnten, selbst wenn sie sich innerhalb weniger Millisekunden abspielen.

Molly Henry und Jonas Obleser der Max-Planck-Forschungsgruppe “Auditive Kognition” sind dieser Idee nun gefolgt.

“Besonders faszinierend sind für uns die Auswirkungen solcher Rhythmen auf menschliche Sprach- oder Musikverarbeitung”, sagt Obleser. Man stelle sich beispielsweise den Singsang in der Sprachmelodie eines sprechenden Menschen vor. “Wir wollten wissen, ob das Hirn, wenn es eine Verbindung zu diesen melodischen Veränderungen herstellt, zum Beispiel kurze und flüchtige Laute wie den kleinen Unterschied zwischen ?d? und ?t? besser verstehen kann.”Im Experiment präsentierten die Forscher diese “flüchtigen Laute” als kaum hörbare, eine hundertstel Sekunde lange Pausen, die in eine Melodie von regelmäßig variierter Tonhöhe eingebettet waren. Während die Studienteilnehmer versuchten, die kurzen Pausen zu entdecken, maßen die Wissenschaftler die Hirnaktivität mit sensiblen Elektroden auf der Kopfhaut der Probanden.

So konnten sie zeigen, dass das Hirn mit dem Auf und Ab in der Tonhöhe der Melodie “mitgerissen” wurde – Hirnaktivität und Melodie zeigten den gleichen Rhythmus. Vor allem aber wurde die Fähigkeit der Studienteilnehmer, Pausen zu erkennen, periodisch mit dem Auf und Ab der Hirnaktivität besser und schlechter. Anhand der Hirnwellen konnten die Forscher sogar vorhersagen, ob eine Pause in der Melodie erkannt werden würde.

“Das langsame Auf und Ab der Hirnwellen wird Oszillation genannt”, erklärt Henry. “Sie reguliert unsere Fähigkeit, Reize zu verarbeiten.”

Das Hirn bereitet sich also scheinbar durch Rhythmen der Umwelt darauf vor, wichtige Informationen besonders gut weiter zu verarbeiten. In Zukunft wollen die Wissenschaftler die Erforschung solcher Hirnkopplungen an rhythmische Klänge nutzen, um die neuronalen Veränderungen bei Personengruppen mit Hördefizit noch besser zu verstehen.

Veröffentlicht haben die beiden Forscher ihre Ergebnisse am 12. November.

Quelle: Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften

www.cbs.mpg.de

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