So langsam deuten sich die nächsten großen Wahlen an. Die Umfrage-Experten werden wieder nervös. Und auch in den Parteien fragt sich Mancher: Wer wählt uns eigentlich? Noch oder wieder oder eventuell? - Die alten Wählermilieus sind weitgehend aufgebrochen. Im Auftrag der Leipziger Medizinischen Psychologie unter Leitung von Prof. Dr. Elmar Brähler und PD Dr. Oliver Decker entstand jetzt eine neue Studie. Und wer will, kann sie sich am Donnerstag, 13. September, erklären lassen.
Im Zeitraum von Mitte Juni bis Mitte Juli 2012 wurden bundesweit rund 2.400 Wahlberechtigte im Alter zwischen 18 und 91 Jahren zu sozial- und medizinpsychologischen Themen befragt. Gängige Überzeugung ist, dass Selbstständige FDP wählen, Juristen die CDU und Angestellte die SPD. Wie die Studie zeigt, sind die Wählerprofile vielschichtiger. Manche Ergebnisse der Studie erfüllen die Erwartungen, andere wiederum sind bemerkenswert.
Wie ist das nun mit dem Haushaltseinkommen?
Die reichsten Wähler haben FDP und Grüne. Das haben auch schon vorhergehende Studien erbracht. Deutlich weniger Einkommen haben die Wähler von SPD und Linken. Die Einkommensunterschicht mit einem Einkommen unter 1.000 Euro monatlich ist verstärkt unter den Nichtwählern oder den Wählern der Piraten anzutreffen, aber auch unter den Wähler extrem rechter Parteien. Wobei es hier ein erhellendes Blitzlicht auf die bundesdeutsche Gesellschaft gibt: Unter den Wählern der Rechtsextremen findet sich eine sehr atypische Einkommensverteilung – nämlich sehr arme und sehr gut situierte Anhänger.
Bildung
Wähler mit einem formal hohen Bildungsabschluss trifft man nach wie vor besonders unter den Wählern der FDP und der Grünen an, neuerdings auch unter den Piraten-Wählern. Aber auch in der Gruppe der Unentschlossenen treten sie deutlich hervor.
Arbeitslosigkeit
Kein einziger Arbeitsloser in der aktuellen Studie will FDP wählen. Vielmehr geht ein Drittel der Arbeitslosen überhaupt nicht zur Wahl, 20 Prozent wählen SPD, nur 3,5 Prozent Rechts, aber auch die Grünen wollen nur knapp 6 Prozent wählen.
Durchschnittsalter
Wähler der Piraten-Partei haben mit durchschnittlich 34 Jahren die Grünen-Wähler an der Spitze der jüngsten Wähler abgelöst. CDU-Wähler sind mit 58 Jahren weiterhin die Ältesten.
Geschlechter
Der Eindruck, dass Piratenanhänger meistens Männer sind, täuscht. Unter den Wählern halten sich die Geschlechter annähernd die Waage, ebenso bei CDU und SPD. Männer sind deutlich stärker bei den Rechten, FDP und Linken vertreten, wohingegen Frauen eher für die Grünen stimmen, auch bei den Unentschlossenen und Nichtwählern sind sie überproportional vertreten.
Wahlanteil der Parteien nach Regionen
Bei den aktuellen Ergebnissen ist sehr auffällig, dass die SPD im Gegensatz zu vorhergehenden Jahren im Osten 10 Prozent weniger Anhänger hat als im Westen. Die Linke und die Gruppe der Nichtwähler ist im Osten stärker, im Westen finden Grüne und Piraten starke Zustimmung.
Stadt/Land
Die SPD wird freilich wieder mehr in städtischen Regionen gewählt, die Unentschlossenen wohnen eher im ländlichen Raum.Wahlberechtigte Migranten
Zu ihnen zählen sehr viele Russlanddeutsche und Migranten in der 2. Generation. Unter ihnen sind auffallend viele Nichtwähler, aber auch etwas mehr Wähler der Piraten. SPD und Grüne werden nicht mehr so stark präferiert von Migranten.
Konfessionen
Über 60 Prozent der Linken-Wähler sind konfessionslos, was sich mit der regionalen Verteilung im Osten deckt, wo nach wie vor die meisten Konfessionslosen anzutreffen sind. Auch bei den Rechten dominieren die Konfessionslosen. Katholiken bevorzugen die CDU/CSU und meiden rechtsextreme Parteien, FDP und die Linken. Protestanten präferieren eher die SPD und meiden ebenfalls rechtsextreme Parteien, die Linken und die FDP.
Sorge um den Arbeitsplatz
Bei diesen Antworten ist augenfällig, dass die Anhänger der Piratenpartei wohl in sehr prekären Verhältnissen leben und große Sorgen um den Arbeitsplatz haben. An der zweiten Stelle stehen hier gleichauf die Linken und die Nichtwähler. Die wenigsten Sorgen machen sich CDU-Wähler, interessanter Weise gleich gefolgt von den Wählern rechtsextremer Parteien.
Subjektiver Gesundheitszustand
Vor Wählern der Grünen und FDP berichten die Wähler der Piraten den besten Gesundheitszustand. Das kann seinen Grund darin finden, dass bei dieser Partei die jüngsten Wähler vertreten sind. Auch der hohe Bildungsgrad spielt bei diesem Aspekt eine prominente Rolle. Nichtwähler, CDU/CSU und Rechte-Anhänger berichten einen schlechten Gesundheitszustand.
Ängstlichkeit und Depressivität
Nichtwähler beschreiben sich auffallend ängstlich, gleich gefolgt von den Wählern rechtsextremer Parteien. Am wenigsten ängstlich geben sich die FDP-Wähler und die Unentschlossenen, die noch nicht wissen, wen sie wählen sollen und länger abwägen. Nichtwähler und Rechte-Wähler zeigen eine ausgeprägt depressive Grundstimmung. Am wenigsten depressiv ist die Stimmung der Piraten-Wähler.
Kontakt zu Ausländern
Wer in Familie, Nachbarschaft oder Beruf Kontakt zu anderen Nationalitäten hat, wählt weniger extrem Rechts oder Links, sondern vermehrt die Grünen und vor allem die Piraten.
Mediennutzung
Klassische Medien wie Zeitung, Radio, Fernsehen oder Telefon werden von den Piraten-Wählern und den Nichtwählern, aber auch von den Wählern rechtsextremer Parteien am wenigsten genutzt, von FDP- und CDU/CSU-Wählern am stärksten. Die neuen Medien Smartphone, Computer und Internet sind eine Domäne der Piratenwähler, aber auch der Grünen- und FDP-Wähler, währenddessen Rechte, CDU/CSU und SPD-Anhänger eher abstinent sind. Das gleiche Bild ergibt sich bei der Onlinenutzung.
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Zusammenfassend sehen Prof. Brähler und PD Dr. Decker folgende Auffälligkeiten in den aktuellen Studienergebnissen: “Die Piraten-Partei hat vornehmlich junge Anhänger, die in prekären Situationen leben, aber mit gutem Gesundheitszustand, außerdem zählen überraschend viele
Frauen zu ihnen. Die Anzahl derjenigen, die angeben, rechtsextreme Parteien zu wählen, ist zurückgegangen, Menschen mit Sorge um ihren Arbeitsplatz scheinen sich umorientiert zu haben. Allerdings kann hier auch Antwortverhalten im Sinne einer sozialen Erwünschtheit eine Rolle spielen.”
Auch bei den FDP-Wählern gibt es deutliche Veränderungen: Die Arbeitsplatzbesorgten wählen sie nicht. Die FDP hat wieder ein klares Wählerprofil als eindeutige Klientelpartei, nämlich die Reichen. SPD und Linke werden eher von den weniger Betuchten gewählt. Die Unentschlossenen scheinen sehr selbstsicher zu sein – im Gegensatz zu den Nichtwählern mit einer ausgeprägten depressiven Grundstimmung.
Termintipp
Die Studie wird am Donnerstag, 13. September, bei einer Veranstaltung unter dem Titel “Die Parteien und das Wählerherz” in der Veranstaltungsetage der Friedrich-Ebert-Stiftung in Leipzig (Burgstraße 25) erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Veranstaltung beginnt um 18 Uhr.
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