Es geht vielen so im modernen Arbeitsalltag. Sie wollen sich auf ihre Arbeit konzentrieren, stecken schon mittendrin in einer schwierigen Programmierung, einem Text, einer wichtigen Unterhaltung - da dröhnt die ganze Zeit eine Baustelle, ein Hubschrauber brettert über die Häuser, ein Motorradfahrer mit frisierter Maschine hält vorm Haus. Kann es sein, dass viel schlecht Durchdachtes auch mit all diesen Störungen zu tun haben? Ein Forschungsergebnis aus Leipzig deutet darauf hin.
Veröffentlicht wurde es am 5. September in der Zeitschrift “Journal of Neuroscience”. Dabei ging es zwar schwerpunktmäßig um Menschen, deren Hörvermögen eingeschränkt ist. Aber das Hören hat bei allen Menschen mit dem Kurzzeitgedächtnis zu tun. Und dessen Kapazitäten sind beschränkt.
Forscher am Leipziger Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften haben nun die Bestätigung gefunden, dass akustisch widrige Bedingungen im Gehirn die gleichen begrenzten Ressourcen verbrauchen, die wir auch für unser Kurzzeitgedächtnis benötigen. Für Menschen mit Hörstörungen, die Sprachsignale oft dauerhaft verzerrt oder mit störendem Rauschen wahrnehmen, könnte das bedeuten, dass sie unter permanenter kognitiver Doppelbelastung stehen.
Jeder kennt das: Bei hohem Geräuschpegel, etwa auf einer lauten Party, ist es anstrengend, einer Unterhaltung zu folgen.
Wissenschaftler der Max-Planck-Forschungsgruppe “Auditive Kognition” um Dr. Jonas Obleser haben nun eine mögliche Erklärung für dieses Phänomen gefunden.
Im Experiment spielten die Forscher Testpersonen Zahlen vor und baten sie, diese für kurze Zeit im Gedächtnis zu behalten. Sowohl die Länge der Zahlenfolgen als auch die Qualität des Sprachsignals wurde dabei variiert. Nach etwas über einer Sekunde wurden die Probanden gefragt, ob eine bestimmte Zahl vorgekommen war – eine relativ leichte Aufgabe, bei der die Teilnehmer auch unter den schwierigeren Bedingungen in über 90 Prozent der Fälle richtig lagen.
Das eigentliche Interesse der Forscher galt den sogenannten Alpha-Wellen im Gehirn. Diese rhythmischen Schwingungen der Hirnaktivität gelten als Maß dafür, wie “beschäftigt” das Kurzzeitgedächtnis ist. Die Alpha-Wellen wurden während des Experiments mit Hilfe der Magnetenzephalografie gemessen.
Wie erwartet waren sie umso stärker, je mehr Zahlen abgespeichert werden mussten. Überraschenderweise war die Alpha-Intensität jedoch ebenso abhängig davon, wie hoch oder niedrig das Sprachsignal aufgelöst war. Je schwieriger die Zahlen zu verstehen waren, desto mehr Alpha-Aktivität trat auf. Schlechte Akustik verbraucht demnach die gleichen kognitiven Ressourcen, wie das Speichern des sprachlichen Inhaltes selbst.
“In diesem Experiment war es noch nicht so, dass die Probanden an ihre Grenzen stießen”, sagt Obleser. “Aber das Kurzzeitgedächtnis hat ein natürliches Limit, und wenn zu anspruchsvollen Inhalten hinzukommt, dass die Worte selbst schwer zu verstehen sind, könnte das zu einer schnelleren Überlastung führen.”
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Dann würden wir im Gespräch den Faden verlieren oder uns die letzte Ziffer der Telefonnummer nicht mehr merken.
Was übrigens auch ein neues Licht auf die moderne Informations- und Reizüberflutung wirft: Alle Botschaften und Signale, mit denen man täglich zu tun bekommt, müssen durchs Kurzzeitgedächtnis, beanspruchen Gehirnkapazitäten Was auch auf die Lärmbelastung in Großstädten zutrifft. Wie hoch darf sie überhaupt sein, um ein einigermaßen ungestörtes Arbeiten in der Stadt zu ermöglichen?
Dass einige Mitmenschen durch die modernen Technologien selbst schon Hörbeeinträchtigungen davongetragen haben, macht ihnen das Leben und Arbeiten in diese Umgebung nicht leichter.
Die wachsende Gruppe von Menschen mit Hörschäden und Gehörlose mit sogenanntem Cochlea-Implantat könnte die Mehrbelastung des Kurzzeitgedächtnisses besonders treffen, da sie Sprache dauerhaft unter akustisch widrigen Bedingungen wahrnehmen, stellen die Max-Planck-Forscher fest. In weiteren Studien wollen die Forscher nun genauer untersuchen, wie sich die Belastungen auf Hirnebene auswirken.
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