"Nachwachsende Rohstoffe als Chance für den Mitteldeutschen Raum" lautet ein aktuelles Forschungsvorhaben der Technikwissenschaftlichen Klasse der hiesigen Akademie der Wissenschaften. Betrachten werden dabei die Potenziale der Landkreise Altenburger Land, Burgenlandkreis und Leipzig. Es geht um Technikfolgenabschätzung und Politikberatung.
Eine mögliche Empfehlung an die drei mitteldeutschen Landesregierungen könne sein, den Hanfanbau in der Region zu fördern. So blickt Professor Ulrich Stottmeister schon einmal an das Ende des Akademie-Vorhabens “Nachwachsende Rohstoffe als Chance für den Mitteldeutschen Raum (Technikbewertung und -gestaltung)”
Stottmeister ist Emeritus für Technische Chemie und Biotechnologie an der hiesigen Universität und gehört seit Mai 1996 der Sächsischen Akademie an. Und zwar als Mitglied von deren Mathematisch-naturwissenschaftlicher Klasse. Eine solche Expertenrunde ist eher die Ausnahme in der deutschen Akademienlandschaft, die überwiegend geistes- und sprachwissenschaftlich orientiert ist.
Doch Technik hat eine gesellschaftliche Bedeutung und trägt gesellschaftliche Verantwortung. Insofern macht eine Verortung eines technikwissenschaftlichen Diskurses an einer Akademie großen Sinn. Zumal, wenn es um die grundlegenden Fragen der Technikfolgenabschätzung und -gestaltung gerade beim Megathema Energie und Rohstoffe geht. Und noch dazu, wenn im traditionsreichen Ingenieurland Sachsen und dem mitteldeutschen Ballungsraum die Expertise reichlich vorhanden ist.Technikfolgenabschätzung stellt für Professor Stottmeister dabei die interdisziplinäre Klammer für die Zusammenarbeit der sehr unterschiedlichen technik- und naturwissenschaftlichen Experten dar. Deren Fachgebiete reichen – alphabetisch betrachtet – von Allokationstheorie bis Werkstoffkunde.
Für die Thematik der nachwachsenden Rohstoffe nannte Stottmeister beim jüngsten Akademie-Kolloquium als Leitplanken die politischen Ziele des Klimaschutzes und der Treibhausgasreduzierung, die Sicherung der Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung sowie die Sicherung von Wertschöpfung und Arbeitsplätzen in der Region.
Hält man an einer Selbstversorgungsquote an einheimischen Nahrungsmitteln von gut 88 Prozent fest, dann verbleiben in Sachsen und Thüringen maximal 30 bis 40 Prozent der Landwirtschaftlichen Nutzfläche für nachwachsende Rohstoffe, betonte Dr. Lutz Schiffer von dem Forscherteam. Auch sei sich die Fachgemeinde in Deutschland einig, dass der Beitrag der nachwachsenden Rohstoffe zur energetischen Nutzung nur noch moderat wachsen werde. Hier seien Sonne und Wind die besseren Alternativen.
“Boden ist nicht vermehrbar”, führte Schiffer als Hauptgrund an. Danach ändere im Grundsatz auch die Rekultivierung ehemaliger Bergbauflächen in der Region nichts.Die Forscher der Leipziger Akademie untersuchen für eine mitteldeutsche Potenzialanalyse die Landkreise Altenburger Land, Burgenlandkreis und Leipzig näher. Einen Vergleich der unterschiedlichen Landespolitiken etwa im Bereich der nachwachsenden Rohstoffe und der Energiepolitik gibt es dabei inklusive.
Die Region bietet “sehr gute naturräumliche und agrarwirtschaftliche Voraussetzungen” etwa der Biomassenutzung, stellte Schiffer heraus. Es handele sich hier um eine traditionsreiche Agrarregion mit ertragsstarken Böden und einer großbetrieblichen Struktur. Gleichwohl sei die Akzeptanz für Biogasanlagen in unmittelbarer Nachbarschaft mit Werten zwischen 35 und 40 Prozent – so Zahlen aus 2010 – eher gering ausgeprägt. Andere Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie in unmittelbarer Nachbarschaft treffen fast auf doppelt so hohe Akzeptanzwerte. Insofern dürften zu den 17 Biogasanlagen im Altenburger Land, den 23 Einheiten im Burgerlandkreis und den 19 im Kreis Leipzig kaum noch welche dazu kommen.
“Biogas ist eine aktuelle Option”, so Schiffer. Das gelte insbesondere für die dezentrale Energieversorgung. Diese Option schaffe Arbeitsplätze im Anlagenbau und der Landwirtschaft vor Ort. “Der Landwirt muss leben”, verwies Schiffer auf die gegenwärtigen preislichen und fiskalischen Anreize.Zugleich beschrieb Schiffer die drei Landkreise als Regionen mit “vielfältigen sozioökonomischen Zukunftsrisiken”. Als Belege führte er die gängigen Rankings über die Zukunftsfähigkeit der deutschen Landkreise an, bei denen die drei hiesigen immer sehr weit hinten einkämen. Auch weil der Bevölkerungsrückgang hier besonders drastisch ausfällt und weiter ausfallen wird.
Da kommt wirtschaftlichen Perspektiven in der Region eine besondere Bedeutung zu. Neben der Agrarwirtschaft geht es zugleich um die vor Ort traditionsreiche Chemieindustrie. Ohne den Grundstoff Kohlenstoff funktioniert Chemie nun einmal nicht. Doch dessen mineralischen Träger Erdöl. Erdgas und Kohle sind endlich. Nachwachsende Rohstoffe sind bekanntermaßen pflanzlicher Art und somit Kohlenstoffträger. Auch das ist ein Feld für die Forschung.
Stoffliche Verwendung vor energetische Verwendung, dafür plädierte auch Sören Tech in seinem Vortrag zu den Perspektiven der werkstofflichen Nutzung von Holz. Hier biete die Werkstofftechnik schon heute viele intelligente Lösungen an. Etwa in Deutschlands Leitindustrie, dem Automobilbau, und bei der Substitution von erdölbasierten Bindemitteln.
Das Gebot der Nachhaltigkeit erfordere eine “Kaskadennutzung” von Holz, so Tech weiter. Frühestens nach zwei Produktzyklen in stofflicher Nutzung sei aus seiner Sicht künftig eine energetische Nutzung von Holz, sprich: das Verfeuern, vertretbar.
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Den Konflikt zwischen ökologischer Nachhaltigkeit und ethischer Nachhaltigkeit bei der Nutzung nachwachsender Rohstoffe diskutierte im Rahmen des Kolloquiums Dr. Anke Mondschein. Streitig diskutiert wird die Thematik gemeinhin an der Frage, ob der Mobilitätsgewinn durch Biokraftstoffe in der Ersten Welt vor dem Hintergrund globaler Nahrungsmittelknappheit vertretbar ist.
“Es gibt keine gerechte Bioenergie in einer ungerechten Weltwirtschaft”, sagte Frau Mondschein apodiktisch. So würden EU-weit 61,6 Prozent des geernteten Getreides als Tierfutter verwendet und weitere 7,5 Prozent zu industriellen Zwecken. Nahrungsgetreide schlage mit 24 Prozent zu Buche. Selbst neben den Saaten mit 3,6 Prozent nehme sich der Anteil von 2,3 Prozent für die Erzeugung von Biokraftstoffen sehr bescheiden aus. Insofern seien gerade unsere Ernährungsgewohnheiten auf Nachhaltigkeit zu hinterfragen.
Auch würde Bioenergie schon heute nachhaltiger hergestellt als das Gros der Lebensmittel, so Mondschein weiter. Zudem bestünde aus ihrer Sicht der Schlüssel auf dem Weg zur Nachhaltigkeit in der drastischen Senkung des Energiebedarfs.
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