Es ist eine ganz eigenartige Studie, die das Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Uni Leipzig da jetzt gemeinsam mit drei deutschen Anlegerverbänden vorgestellt hat: eine Anlegerstudie. - Anleger, das sind die Leute, die Aktion kaufen und verkaufen. Manchmal mit Gewinn, manchmal mit Verlust. Und das Institut? Früher wurden da mal Journalisten ausgebildet.

Passiert heute immer noch im Lehrbereich Journalistik. Aber daher stammt die Studie nicht. Sie kommt aus dem Bereich Kommunikationsmanagement und Public Relations. Das ist was anderes. Wirtschaftsnah, wenn man es mal so bezeichnen will. Man merkt’s schon an der Wortwahl. Sie ist alles andere als klar.

“In Zeiten volatiler Kapitalmärkte profitieren Unternehmen von Privatanlegern, die Aktien halten und Anleihen zeichnen und so Stabilität schaffen”, heißt es auf der Website, die die Kommunikations-Experten extra für die Studie ins Netz gestellt haben.

Volatiler Kapitalmarkt? Stabilität? – Man merkt, dass man es hier mit PR-Leuten zu tun hat.

Das Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft hat – gemeinsam mit der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. (DSW), der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V. (SdK) und der Deutsche EuroShop AG – mehr als 500 Privatanleger in Deutschland befragt, die sich monetär in Aktien, Investmentfonds und/oder Unternehmensanleihen engagieren.

Natürlich ist die Studie interessant. Aber es sind nicht die per Pressemitteilung herausposaunten Ergebnisse, die interessant sind. Die sind eigentlich für den Papierkorb. Denn sie bestätigen, was man eigentlich erwartet hat: Die Anleger informieren sich über alle Kanäle, die zur Verfügung stehen. Je jünger sie sind, umso fleißiger werden die “neuen” Medien genutzt.

Spannender ist: Wer kauft denn eigentlich Aktien, nachdem drei Bundesregierungen wie blöd dafür geworben haben, weil sie sich einbildeten, in Amerika sei alles besser? Wer hat so viel Geld?

Das Bild ist alles andere als ein Querschnitt der Gesellschaft. Es ist eine besondere Spezies. 36 Prozent sind Pensionäre, 41 Prozent Angestellte und Beamte, 14 Prozent sind Freiberufler, 3 Prozent leben sogar ausschließlich von Kapitalgewinnen. Durchschnittsalter: 56 Jahre. 90 Prozent männlich. Und: Die Akteure haben im Schnitt 50 Prozent ihres Vermögens in Wertpapieren angelegt.

Und sie haben sehr wohl mitbekommen, dass einigen Partnern bei den Geschäften durchaus nicht zu trauen ist.

Im Wortlaut der Pressemitteilung: “Insgesamt besitzen Unternehmen im Vergleich der Informationsquellen eine relativ hohe Glaubwürdigkeit, die nur von Journalisten (Print und Online-Finanztitel, aber auch Online-Informationsportale) übertroffen wird. Banken und Finanzdienstleister müssen hingegen den größten Vertrauensverlust hinnehmen. Ihre Expertise wird von Privatanlegern kaum nachgefragt, um sich über Beteiligungen an Unternehmen zu informieren und Investitionsentscheidungen zu treffen. Analysten spielen für Privataktionäre ebenfalls eine untergeordnete Rolle.”

Das nennt man dann wohl eine Klatsche für die “Experten”.Und da schon mal nach den Anforderungen an die Informationsquellen gefragt wurde: Die sichere Einschätzbarkeit der Vertrauenswürdigkeit von Information steht ganz oben in der Anspruchsliste. 83,4 Prozent. Aber: 82,9 Prozent wollen diese Informationen auch noch kostenlos haben. 80,8 Prozent wollen die gleichen Informationen wie institutionelle Anleger und Analysten.

Und da das Internet seine Inhalte meist kostenlos preis gibt, holt man sie sich am häufigsten dort.

Bei der Frage nach der Nutzung der derzeit viel gepriesenen Social Media schmieren diese eigentlich ab. Während 90,5 Prozent der Anleger vertrauenswürdige Informationen aus dem Internet beziehen, sind nur 14,8 Prozent täglich in einer dieser Volksverknüpfungen. 47,1 Prozent der Anlieger gehen da überhaupt nicht hin.

Trotzdem lesen die Studienauswerter diese Aussage heraus: “Bei der Erfüllung der Informationsanforderungen von Privatanlegern können Online- und Social-Media-Kanäle zukünftig jedoch eine bedeutendere Rolle spielen.” Als wenn in den Social Medias andere Informationen unterwegs wären als auf den Seiten, auf denen sich die Aktienanleger sowieso schon regelmäßig aufhalten. Irgendwie hat sich bis nach Leipzig noch nicht wirklich herumgesprochen, mit welchen Inhalten die großen Netzwerke eigentlich arbeiten. Dass vor allem die unter 40jährigen sich dort tummeln, sagt nur was über ihr gelerntes Nutzerverhalten.

Zumindest die online gestellten Daten zur Vertrauenswürdigkeit der einzelnen Informationsquellen bestätigen die Aussage nicht: “Finanzjournalisten nehmen eindeutig die führende Rolle als Vermittler und Meinungsbildner ein”. Danach wurde augenscheinlich auch nicht gefragt.

Gefragt wurde nur nach der Wahrnahme der entsprechenden Angebote – und im Print-Bereich (Tagespresse, Wirtschaftsmagazine, Finanz- und Börsentitel) werden sie von den befragten Anlegern ganz klassisch vorrangig genutzt (in allen Altersstufen über 80 Prozent), gefolgt von Wirtschaftsendungen im Fernsehen (in der Regel über 60 Prozent) und Informationen von Anlegerschutzvereinigungen. Erst danach kommen die diversen Angebote im Internet.

Was den Journalisten in den nachgefragten Medien natürlich eine ganz besondere Schlüssel- und Machtfunktion zuweist.

Dass sie aber trotzdem noch eher als Orientierung akzeptiert werden als die emittierenden Finanzinstitute, das gibt zu denken.

Wer mehr wissen will, findet es hier: www.anlegerstudie.com

Informationen zum Leipziger PR-Lehrstuhl: www.communicationmanagement.de

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