Auch im 21. Jahrhundert ist die Chirurgie immer noch ein Kunsthandwerk, das Geschick, Gefühl und jahrelange Erfahrung erfordert. Das soll auch so bleiben. Doch wird moderne Hochtechnologie dem Chirurgen der Zukunft sein Handwerk revolutionär erleichtern. Davon konnte sich OB Burkhard Jung am Donnerstag, 8. März, im Hightech-OP-Saal des IRDC in der Käthe-Kollwitz-Straße während einer durchgeführten HNO-OP überzeugen.
Das IRDC (International Development Center for Surgical Technology – Internationales Entwicklungszentrum für Chirurgische Technologie) ist in Europa auf seine Weise einmalig, wie Gero Straus, Direktor des IRDC und Vorstand für Entwicklung am Innovation Center Computer Assisted Surgery – (ICCAS – Innovationszentrum für Computerunterstützte Chirurgie), anmerkt: “Die Chirurgie wird in den kommenden zehn Jahren über zwei große Themen entschieden: Automation in der Operation und in der Organisation.”
Im Prinzip gehe es darum, so der Mediziner, dass die chirurgische Operation die Beschränkungen der mechanisch verstärkten Hand überwinden muss. Gero Straus: “Chirurgie muss autonom unterstützt werden. Die Konzentration alleine auf Verbesserung der bekannten Parameter Sicht und Instrumente wird allenfalls schrittweise gelingen. Die Organisation muss die Prozeduren vereinheitlichen, standardisieren und automatisieren. Dabei sind neue Geschäftsmodelle zu schaffen. Aber in beiden Fällen sind Dogmen und Widerstände zu überwinden. Wer jedoch beide Aspekte zur Realität macht, wird langfristig gewinnen.”Seit 2009 arbeiten Forscher der Universitäten Leipzig und München gemeinsam mit Medizintechnik-Spezialisten aus der Wirtschaft im IRDC am chirurgischen Arbeitsplatz der Zukunft. Diesbezüglich lobte Prof. Georg Straus die ausgezeichnete Zusammenarbeit zwischen IRDC, Uni und Wirtschaft: “So etwas findet man woanders in dieser Form nicht. In Tübingen zum Beispiel ist das nicht möglich, jeder verteidigt seine eigenen Pfründe.”
Das und der Standort Leipzig an sich mache das Projekt so attraktiv. Die Kommandobrücke (Surgical Deck) des Chirurgen sollte man sich am besten wie das Cockpit eines modernen Jets vorstellen, so Gero Straus: “Hoch auflösende Monitore sorgen für mehr gestochen scharfe Bilder und für mehr Sicherheit bei der OP. Mit hochpräziser Steuerungstechnik und automatischen Warnsystemen im Hintergrund navigiert der Operateur noch genauer und sicherer durch empfindliches Gewebe, vorbei an Blutgefäßen und Nerven. Perfekt implementierte Informationssysteme zeigen in Echtzeit detaillierte Informationen zum Patienten wie Vitalparameter sowie Bilder aus dem Körperinneren.Der vom IRDC entwickelte OP-Saal ist aber noch viel mehr. Auf Abruf stehen elektronische Patientendaten oder dreidimensionale CT- und MRT-Aufnahmen bereit. Zudem ist der OP vernetzt. So lassen sich zum Beispiel externe Experten zuschalten. Damit gehört Leipzig zu den Vorreitern einer Hightech-Revolution im Operationssaal, an der Entwickler international arbeiten. Die ersten Einsatzgebiete des “Surgical Deck” wurden am Donnerstag live vorgeführt und liegen im Bereich der Fachdisziplinen Hals-Nasen-Ohren-Chirurgie, Neurochirurgie sowie Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie.
Am Beispiel einer Nasen-OP, bei der dem Patienten Polypen entfernt wurden, konnte sich OB Jung von der Effizienz des hochmodernen OP-Saals überzeugen: “Das ist schon sehr beeindruckend, was hier geschaffen wurde.”Zu den beeindruckenden Entwicklungen gehört auch die Software “Surgeonic”, die aus der schier unendlichen Fülle digitaler Daten zum Patienten und zum OP-Verlauf eine intelligente Verknüpfung vorbereitet. Dazu gehört ein automatisches Abstandswarn- und Kollisionsvermeidungssystem. Auf Wunsch unterstützt die Navigations- und Überwachungstechnik des weltweit ersten “Surgical Management and Guidance Systems” den Chirurgen bei komplizierten oder ermüdenden Abschnitten der Operation. Gero Straus: “Wie ein ‘Autopilot’ assistiert das System besonders in schwierigen Phasen eines Eingriffs und schlägt Alarm, wenn es kritisch wird und vorher festgelegte Grenzen überschritten werden.”
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Wie schon gesagt, zeigte sich das Stadtoberhaupt beeindruckt von den Entwicklungen beim IRDC, was letztendlich auch die Absicht von Gero Straus ist, der die Präsentation der ersten OP im IRDC nutzte, um Werbung in eigener Sache zu machen und seine Wünsche äußerte: “Wir wissen, dass es in Leipzig eine sehr aktive und gut geförderte Biotechnologie gibt. Das ist auch gut so, da will ich nicht falsch verstanden werden. Aber man sollte die Förderung der Medizintechnik nicht ausschließlich auf diese Disziplin beschränken. Wir würden uns auch Unterstützung bei der Anwerbung von Niederlassungen und Mitarbeitern wünschen. Des weiteren schlagen wir eine gemeinsame Initiative im Sinne eines Clusters für Medizintechnik etwa als ‘Medical Valley’ vor und würden uns die Unterstützung bei Stiftungsstipendien wünschen.”
“Das,” so der Oberbürgermeister mit einem vielsagenden Seitenblick auf die anwesende Journalistenschar, “können wir sicher viel besser unter vier Augen besprechen.”
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