Vögel und Schmetterlinge können offenbar mit dem Klimawandel nicht mithalten. Die Temperaturen haben sich in den letzten beiden Jahrzehnten in Europa schneller erhöht als beide Tiergruppen sich anpassen konnten. Das ergab eine Untersuchung, an der auch Forscher des Umweltforschungszentrums Leipzig/Halle beteiligt waren.

Das Fachmagazin “Nature Climate Change” hat die Ergebnisse am 8. Januar online veröffentlicht. Im statistischen Mittel lägen demnach Schmetterlinge 135 und Vögel sogar 212 Kilometer gegenüber der Temperaturerhöhung und der Verschiebung ihrer Lebensräume nordwärts zurück.

Dies ist der erste Beleg für einen ganzen Kontinent, dass der Klimawandel zu einer deutlichen Verschiebung der Lebensräume führt und Lebensgemeinschaften aus verschiedenen Tiergruppen auseinanderreißen kann. Für die Studie wertete das internationale Forscherteam Daten von ehrenamtlichen Beobachtungsnetzwerken aus, die aufgebaut sind wie das Tagfaltermonitoring Deutschland und die durch rund 1,5 Millionen Beobachtungsstunden erhoben wurden.

Die Autoren hatten für ihre Studie eine einfache Methode entwickelt, um abzubilden, wie bestimmte Tier- und Pflanzengruppen vom Klimawandel beeinflusst werden. Dazu entwickelten sie einen Index für die Durchschnittstemperatur, unter der Arten vorkommen. Für Vögel und Tagfalter wurde dieser Index aus über 9.000 bzw. über 2.000 Beobachtungsorten in Europa berechnet.

Für jede Art lässt sich daraus ein sogenannter “Species Temperature Index” (STI) berechnen. Nimmt man dann alle Arten an einem Standort zusammen, so bildet dann der Durchschnittswert der STIs aller Arten den “Community Temperature Index” (CTI). Wird nun dieser CTI nach einer gewissen Zeit wieder erhoben, lassen sich klimabedingte Veränderungen in den Artenzusammensetzungen relativ leicht messen.

In der hier vorliegenden Studie zeigten sich im Beobachtungszeitraum von 1990 bis 2008 deutliche Verschiebungen.
“Die Veränderungen im Community Temperature Index (CTI) sagen zwar nichts darüber aus, wie einzelne Arten vom Klimawandel beeinflusst werden, aber sie zeigen sehr gut das Gesamtbild des tatsächlichen Rückganges der kälteliebenden Arten, der Zunahme von wärmeliebenden Arten und der Summe aus beiden”, erläutert Dr. Vincent Devictor vom französischen Zentrum für wissenschaftliche Forschung (CNRS).

In den letzten beiden Jahrzehnten hat sich zum Beispiel der mögliche Lebensraum der Tagfalter in Europa im Mittel um 239 Kilometer nach Norden verschoben. Die Schmetterlinge sind dagegen statistisch gesehen nur 114 Kilometer nordwärts gewandert.

Noch größer ist die Kluft bei den Vögeln Europas: Hier steht einer Temperaturveränderung von 249 Kilometern lediglich eine Wanderung von 37 Kilometern gegenüber.

“Unsere Ergebnisse weisen nicht nur darauf hin, dass Vögel und Schmetterlinge nicht schnell genug dem Klimawandel hinterher ziehen können. Sie zeigen auch, dass die Lücke zwischen beiden Gruppen größer wird”, betont Chris van Swaay von der Niederländischen Schmetterlingsstiftung.

Für die einzelnen Länder sind die Ergebnisse dann freilich recht unterschiedlich: So hat sich die Durchschnittstemperatur der Lebensräume von Vogelarten in Tschechien kaum, in Schweden dagegen stark erhöht. Bei Schmetterlingen gab es in Großbritannien nur geringe, in den Niederlanden dagegen starke Veränderungen.

“Daten aus Deutschland, wie sie im Rahmen des Tagfalter-Monitoring (TMD) erhoben werden, dürften in wenigen Jahren dann auch ähnliche Analysen zulassen, waren hier aber noch nicht mit eingeflossen, da sie noch nicht lange genug vorlagen, um hier vergleichbar mit einfließen zu können”, erklärt PD Dr. Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) .

Gerade bei Vögeln sind die Ergebnisse überraschend. Kaum eine Tiergruppe ist so mobil und legt so weite Wege zurück. Die Erklärung dafür, dass sie trotzdem nicht “hinterher kommen”, ist dennoch einfach, meint Dr. Oliver Schweiger vom UFZ: “Dass Schmetterlinge im Schnitt auf europäischer Ebene schneller auf den Klimawandel reagieren als Vögel, könnte daran liegen, dass sie relativ kurze Lebenszyklen haben und sehr temperatursensibel sind, was ihnen ermöglicht, Temperaturveränderungen besser zu verfolgen, als Vögel es können.”

Trotzdem sind die Ergebnisse aus Sicht der Wissenschaftler alarmierend, denn Vögel und Schmetterlinge zählen zu den am meisten verbreiteten und mobilsten Tiergruppen. Die Verzögerung bei der Klimadrift könnte verschiedenste Lebensgemeinschaften auseinanderreißen, fürchtet Josef Settele: “Zum Beispiel sind viele Vogelarten bei ihrer Ernährung auf Raupen bestimmter Schmetterlingsarten angewiesen und könnten daher unter den Veränderungen leiden. Je spezialisierter eine Art ist, umso gefährdeter wird diese durch solche Verschiebungen sein. Die Raupen des Natterwurz-Perlmutterfalter (Boloria titania) sind beispielsweise auf den Wiesenknöterich (Polygonum bisorta) als Fraßpflanze angewiesen. Auch wenn es diese Schmetterlingsart vielleicht gerade noch so schaffen würde, mit den Temperaturen mitzuziehen – die Pflanze, von der sie abhängig ist, ist dagegen bei weitem nicht so mobil.”

Daneben zeigt die Studie aus Sicht der Wissenschaftler vor allem, wie wichtig die von ehrenamtlichen Beobachtern zusammengetragenen Daten zu den Veränderungen in der Natur sind und dass Vorhersagen für die Auswirkungen des Klimawandels auf Ökosysteme nur möglich sind, wenn die komplexen Veränderungen in den Strukturen und der Zusammensetzung der Lebensgemeinschaften über die ganze Nahrungskette hinweg erfasst werden.

Der Beitrag auf der Seite des Umweltforschungszentrums:
www.ufz.de/index.php?de=30100

Der Beitrag auf “nature.com”:
www.nature.com/doifinder/10.1038/nclimate1347

Das Tagfalter-Monitoring Deutschland (TMD):
www.tagfalter-monitoring.de

www.helmholtz.de

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