Irgendetwas stimmt derzeit nicht mit unserer Demokratie. Und auch nicht mit den Medien. Beides gehört zusammen. Ohne eine wirklich fundierte journalistische Berichterstattung funktioniert eine Demokratie nicht. Und so widmete sich die hier vorgelegte Studie des Zentrums Journalismus und Demokratie der Universität Leipzig genau dieser Frage. Denn eines haben auch schon frühere Befragungen gezeigt: Medienvertrauen hat weniger mit dem Vertrauen in die Medienmacher zu tun, dafür umso mehr mit der (gefühlten) Zufriedenheit mit den gesellschaftlichen Verhältnissen.

Es hat – wie die Autor/-innen dieses Buchse feststellen – mit dem „medialen Repräsentationsgefühl“ zu tun. Erkennen sich die Menschen wieder in dem, was die Medien berichten? Kommen ihre Sorgen und Themen vor? Wird darüber objektiv und umfassend berichtet? Oder haben sie das Gefühl, dass sie in der medialen Berichterstattung gar keine Rolle spielen?

61 Menschen in Sachsen haben die Interviewer für die Studie besucht und ihnen den Fragenkatalog zu Medien, Politik und Gesellschaft aufgerollt. Und die Ergebnisse überraschen nicht. Jedenfalls nicht diejenigen, die sich nun seit Jahren mit dem Zustand der Medien gerade in Ostdeutschland und Sachsen beschäftigt haben.

Denn damit Menschen sich in den Medien überhaupt wiederfinden können, muss es solche Medien überhaupt noch geben. „Besonders häufig (in neun Interviews) tauchte dabei der Vorwurf auf, der ländliche Raum werde vernachlässigt“, lautet eins dieser fast beiläufigen Ergebnisse der Befragung. Andere Interviewte monierten die fehlende Wahrnehmung ostdeutscher Interessen. Was auch die Herausgeber an Dirk Oschmanns Streitschrift „Der Osten: eine westdeutsche Erfindung“ erinnerte.

Ein Buch, das nicht grundlos zum Bestseller wurde. Bewirkt hat es trotzdem nichts. Die Botschaft kommt einfach nicht an. Was auch daran liegt, dass es tatsächlich kein wirklich starkes ostdeutsches Medium gibt, das im gesamtdeutschen Medienkonzert als solches wahrgenommen und respektiert wird.

Entleerte Räume

Wenn man die Studie als Journalist liest, sieht man diese Lücken. Und weiß auch, dass sie immer größer werden. Denn die Auflage der ostdeutschen Tageszeitungen sind allesamt im Sinkflug. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann sie sich in reine Online-Angebote verwandeln. Die Werbeeinnahmen sind schon vor Jahren eingebrochen. Redaktionen wurden überall ausgedünnt, im ländlichen Raum wurden reihenweise Redaktionsbüros geschlossen.

Obwohl alle es wissen: Die Menschen erleben die Demokratie immer vor Ort. Hier sehen sie, ob und wie Demokratie funktioniert. Oder eben auch nicht. Denn wenn niemand mehr engmaschig darüber berichtet, verschwindet die Demokratie hinter einer grauen Wand. Dann tut sich der Raum auf, in dem – rechtspopulistische – Akteure sich auf einmal als Heilsbringer anbieten und Phrasen von „Lügenpresse“ und „abgehobenen Eliten“ in die Welt setzen.

Es ist schon ein kleiner Streich, wenn diese beiden Begriffe es in den Buchtitel geschafft haben. Der rechtsradikale Topos „Lügenpresse“ wurde nur von einzelnen Interviewten benutzt. Und die „abgehobenen Eliten“ ist ein Topos aus der Politikforschung, mit dem das Misstrauen der Befragten beschrieben wird gegenüber Politikern, die in ihrem Berufspolitiker-Kosmos völlig abgehoben sind und nicht mehr mit dem Gesicht zum „Volk“ sprechen. Was immer man mit „Volk“ bezeichnen mag.

Was aber wieder mit einem rein journalistischen Problem zu tun hat – der existierenden oder eben nicht existierenden fundierten Berichterstattung über Politik und wie sie tatsächlich praktiziert wird.

Die Lücke ist nicht nur eine Lücke. Die Lücke ist ein Abgrund. Wenn es die jeden Tag neugierig nachfragenden Lokal- und Regionaljournalisten nicht mehr gibt, die ihren Leser n erzählen, was Politik macht und wie sie funktioniert, tut sich der Raum für das Elitenbashing auf. Für Verschwörungstheorien, Mutmaßungen und Überforderungen. Und für Erwartungen, die eine ausgedünnte und kaputtgesparte Presse nicht mehr erfüllen kann.

Die noch dazu längst in einer aussichtslosen Position gegenüber den tatsächlich heute reichweitenstarken Medien steht – den sogenannten „Sozialen Medien“, die aber keine journalistische Arbeit leisten, dafür Lügen und Fakenews Reichweite verschaffen und längst zum Hauptspielplatz der heutigen Meinungsmache geworden sind. Hier informieren sich die meisten Leute. Hier radikalisieren sie sich. Echte, journalistisch erarbeitete Inhalte aber bekommen sie hier in der Regel nicht.

Abwesende Medien

Dafür toben sich hier jene Parteien aus, die keine Gelegenheit auslassen, gegen die „Lügenpresse“ und vor allem den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk zu wettern. Den sie gern abschaffen wollen. Das haben diese Politiker auch zum Bundestagswahlkampf auf ihre Plakate geschrieben.

Denen geht es nicht nur um den Rundfunkbeitrag. Denen geht es um das Ausschalten jenes kläglichen Rests halbwegs journalistischer Berichterstattung, den es in den „ländlichen Regionen“ noch gibt, wenn die Leute abends ihren Fernseher anschalten.

Doch just der Fokus auf den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk begründet viele der eigentümlichen Argumente, die auch in den Interviews zum Tragen kamen. So waren 16 Befragte überzeugt, „die Medien“ seien von der Politik abhängig oder von ihr gesteuert. Weitere 16 meinten, es gäbe eine symbiotische Beziehung zwischen Politik und Medien, weitere 13 vermuteten eine „Zusammenhang“.

Da fragt man sich schon: Wie konnte so ein Bild entstehen? Oder hängt das schlichtweg mit dem oben schon erwähnten Gefühl fehlender Repräsentation zusammen? Denn wenn – aufgrund fehlender Berichterstattung vor Ort – die „politischen Eliten“ geradezu hinter einem Nebelschleier verschwinden, dann merkt man gar nicht, dass gleichzeitig auch die Journalisten verschwunden sind.

In diesem Fall: ganz real. Sie sind nicht mehr da. Sie berichten nicht mehr vor Ort und scheinen nur noch „irgendwo da oben“ im Dunstfeld der Politiker herumzukreisen.

Lärmen für die Reichweite

Egal, wie man es betrachtet: Die ganze Studie ist im Grunde ein einziger Alarmruf, was den Zustand des sächsischen Lokaljournalismus betrifft. Der ist nicht nur erbärmlich. Er ist erschreckend. Aber nicht so, wie es die Befragten sehen, die teils auch von ihren negativen Erfahrungen mit den paar noch erreichbaren Journalisten berichten.

Auch wenn viele Befragte wahrgenommen haben, dass etliche Medien aufgrund ihrer prekären Lage einen Weg der Berichterstattung eingeschlagen haben, der der Demokratie überhaupt nicht gut bekommt – den der Überspitzung und Skandalisierung. Damit bekommt man zwar in der Welt der aufgeputschten Stimmungen mehr Aufmerksamkeit und vielleicht ein paar Euro mehr an den lächerlichen Werbeumsatzresten, welche die großen Plattformen im Lande übrig gelassen haben. Aber mit einer fundierten Berichterstattung über das, was im Lande wirklich wichtig ist, hat das nichts mehr zu tun.

Und dabei merkten mehrere Befragte an, dass sie sich mehr kritische Berichterstattung wünschen: „Wünsche an die Medien“. Mehr recherchieren und Offenheit in den Debatten herstellen, konstruktiver und positiver berichten. Was nicht neu ist. Die Autor/-innen fassen das in dem Wunsch nach dem schon länger diskutierten „konstruktiven Journalismus“ zusammen, der die Leser/-innen mitnimmt, wenn es um das Darstellen von Problemen und das Aufzeigen möglicher Lösungen geht.

Und sie zeigen auch, wie eng genau das mit dem Gefühl der Befragten zusammenhängt, dass es in unserer Demokratie an Repräsentation und Partizipation mangelt (37 der Befragten bejahten das) und dass es an Diskursoffenheit und Meinungsvielfalt fehlt (27 Nennungen).

Und wer soll das herstellen, wenn nicht die so gern beschworene „vierte Gewalt“, die längst zum zahnlosen Tiger geworden ist, weil es dazu nun einmal eine Menge fleißiger Journalisten braucht, die den Themen auf den Grund gehen? Die sie auffächern und aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten. Erst so entstehen Gesamtschauen, in denen sich die Nutzer auch wiederfinden können.

Verlorene Vielfalt

Denn natürlich verflacht Journalismus, wenn weniger Leute losgehen, um ein Thema auszuleuchten. Und weniger Menschen gefragt und porträtiert werden. Das ergibt dann das, was in der Studie als wesentliche Gründe für das „Misstrauen in Journalismus“ benannt werden – „politische Tendenzen und Einseitigkeiten in der journalistischen Berichterstattung“.

Was an aktuellen Groß-Themen wie der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg festgemacht wird. Und man ahnt dabei, dass die Befragten in Wirklichkeit nur wenige Medien konsumieren und die tatsächliche Breite der Berichterstattung gar nicht mehr wahrnehmen, weil sie sich in immer mehr Online-Angeboten regelrecht zerfasert. (Und von Algorithmen verschluckt wird.) Es läuft nirgends mehr wirklich zusammen. Und die großen Medien können diese Vielfalt nicht mehr abbilden.

Das ist dann natürlich der Spielraum für die in der Studie auch angeführten „alternativen Medien“, die mit journalistischer Ernsthaftigkeit allesamt nichts am Hut haben, aber ihre Reichweiten dazu nutzen, „Meinungen“ zu pushen. Und das spiegelt sich längst auch in Wahlergebnissen wider. Denn die „alternativen Medien“ haben längst verstanden, dass man mit Meinungen und geschürten Emotionen viel mehr Reichweite erreicht als mit sachlichem und profundem Journalismus.

Und so spiegelt die Studie im Grunde nicht nur das – zu großen Teilen nur zu berechtigte – Missbehagen der Befragten an der sächsischen Medienlandschaft – samt ihren nach wie vor vorhandenen hohen Ansprüchen an das, was Medien leisten sollten. Sie zeigt im Grunde, welche Schäden in der Medienlandschaft längst entstanden sind und wie hoch die Erwartungen der Befragten an das nach wie vor ist, was Medien eigentlich leisten sollten.

Sollen und Können

Aber was die verbliebenen Medien eben – mit ausgedünnten Redaktionen und Lokalteilen – nicht mehr leisten können. Und – da widerspreche ist dem Fazit der Autor/-innen zu widersprechen – Medienjournalismus, Medienbildung und Bürgerjournalismus sind dafür nicht die Lösung. Sie sind bestenfalls Trostpflaster, ändern aber nichts am Grundproblem: Dass eine funktionierende Demokratie auch funktionierende und personell gut ausgestattete Medien braucht. Ohne sie gibt es für die Bürger kein Gesamtbild ihrer Gesellschaft, dafür riesige „Funklöcher“ und das daraus folgende Gefühl, nicht mehr wahrgenommen und damit auch nicht mehr repräsentiert zu werden.

Und dass das nur mit mehr professionellem Personal geht, deuten die Autor/-innen zumindest an, wenn sie im Fazit feststellen: „Mistrauen in Medien, Politik und Demokratie hat nicht die eine Ursache, sondern ein Ursachenbündel. Erfolgreich dagegen zu arbeiten, erfordert ebenfalls ein Maßnahmenbündel, das personelle und zeitliche Ressourcen verschiedener Institutionen beansprucht.“

Oder einmal so formuliert: Kommunikation in einer demokratischen Gesellschaft braucht gut bezahlte Journalistinnen und Journalisten, die die Basis für diese Selbstverständigung der Gesellschaft herstellen. Wo das nicht passiert, kommt alles ins Kippen und das Misstrauen greift um sich. Von den zunehmenden Erwartungen an das, was „die Medien“ zu leisten hätten, ganz zu schweigen. Denn dass da meist niemand mehr ist, der das leisten könnte, das will ganz offenbar niemand so richtig wahrnehmen.

Judith Kretzschmar, Markus Beiler, Uwe Krüger, Florian Döring „Von Lügenpresse und abgehobenen Eliten“ transcript Verlag, Bielefeld 2025, 35 Euro.

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Der Artikel zu der durchaus interessanten Studie ist offensichtlich völlig unkritisch zur eigenen Arbeit und durchschaubar selbstgefällig.

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