Wenn man nur neugierig genug ist, findet man in einer Stadt wie Leipzig eine Menge Orte, die zu Lieblingsplätzen werden können. Und mit mehreren Stadtführern hat der Gmeiner Verlag auch schon dabei geholfen, solche Lieblingsplätze zu finden. Aber mit einer neuen Serie thematisiert der Verlag etwas, was Großstädtern immer wichtiger wird: die Möglichkeiten eines nachhaltigen Lebens.

Für Berlin, Wien und München gibt es solche Wegweiser schon. Für Leipzig hat sich jetzt Marisa Becker auf die Suche gemacht und 78 Orte ausgemacht, wo nachhaltiges Leben und Einkaufen in Leipzig heute schon möglich sind.

Für die freie Journalistin und Bloggerin ist das kein neues Thema, denn damit befasst sie sich schon seit Längerem in ihrem Podcast „Fairquatscht“, auf ihrem Instagram-Kanal und im 2019 gegründeten Online-Portal „Ekologiska Mag“.

Da kommt man herum und lernt Leute und Läden kennen. Denn natürlich geht es zumeist ums Einkaufen: Wo kann man wirklich guten Gewissens einkaufen? Wo gibt es fair und umweltfreundlich hergestellte Produkte? Gar aus eigener, regionaler Produktion? Wo können die Händler sagen, woher all das kommt, was im Regal steht? Und was drin ist und wie es hergestellt wurde?

Alles Fragen, die umweltbewusste Menschen längst umtreiben. Viele machen sich solche Gedanken. Aber oft fehlt schlicht der Wegweiser, der Tipp, der einem zeigt, wo man seine Vorstellungen von einem nachhaltigen Leben schon mal ausprobieren kann. Und in Leipzig gibt es schon eine ganze Reihe solcher Angebote, oft von jungen Leuten gegründet, die unzufrieden damit waren, dass es im klassischen Handel keine adäquaten Angebote gibt.

Fair, vegan, regional …

Angebote, die teilweise ganz niederschwellig beginnen – so wie die Tauschboxen am Limburger Steg oder am Lene-Voigt-Park. Oder die Botanischen Gärten der Uni Leipzig oder in Großpösna, die genauso ihren Platz im Buch gefunden haben wie der Kirchbruch bei Beucha oder der Nachbarschaftsgarten in Lindenau – der bis heute von weiterer Verdrängung bedroht ist.

Fast hat man es ja wieder vergessen, dass Leipzig vor 20 Jahren mal ein Experimentierfeld für die kreative Nutzung von Brachen war – wo an vielen Orten Projekte entstanden sind, die das Leben im Ortsteil angenehmer und aufregender gemacht haben. Etwas, was man heute noch am Bürgerbahnhof Plagwitz erleben kann.

Es geht nicht nur um Läden. Aber eben auch um diese. Denn so Mancher sucht oft vergeblich nach Kleiderläden, in denen man fair produzierte Kleidung kaufen kann, nach Gemüseläden, die regionale Ernte anbieten, nach Restaurants, die vegane Gerichte auf der Karte haben … letzteres ganz offensichtlich ein Wachstumssegment, trotz aller Jubelnachrichten aus deutschen Medien, dass die Deutschen wohl wieder mehr Fleisch vertilgen würden.

Das tun sie nämlich nicht. Im Gegenteil: Sie suchen nach reichhaltigen und leckeren Alternativen. Ob in der Plagwitzer Markthalle oder in der Naturbackstube in Connewitz, in der Vleischerei in Volkmarsdorf oder in einer Café-Bar in Stötteritz.

Immer wieder begegnet man dabei Leuten, die aus klassischen Berufen ausgestiegen sind und jetzt das machen, was sie sich immer gewünscht haben. Mal ist es eine Eisdiele in Gohlis, mal ein Kindermodeladen in Schleußig, mal ein Umstandsmodegeschäft in der Südvorstadt. Im Grunde ist das ganze Buch nicht nur eine Einladung, die verzeichneten Adressen zu besuchen, sondern auch selbst auf die Suche zu gehen.

Denn bei manchen Themen merkt man schon beim Blättern, dass es da noch mehr gibt. Man fährt ja jeden Tag dran vorbei mit Straßenbahn oder Fahrrad. Es lässt sich nachhaltig leben in Leipzig. Wenn man will. Und wenn man ausgetretene Pfade verlässt.

Anders denken übers Stadtleben

Oder wenn man einfach auch umdenkt im Kopf. Denn nachhaltig ist auch, wenn funktionstüchtige Produkte über Umsonst- und Tauschläden wieder neue Besitzer finden. Man muss nicht alles wegschmeißen. Vieles hat ein zweites Leben verdient oder kann auch wieder repariert werden. Denn das Schlimmste an unserer Konsumwelt ist der Schnell-Wegschmeiß-Faktor.

Und zwischendrin entdeckt Marisa Becker auch immer wieder Orte, an denen sich die Stadt auf andere Weise erleben lässt – einen Bauspielplatz in Plagwitz, eine Umweltbibliothek in Connewitz, ein Reparatur-Café in Lindenau. Und es bleibt auch nicht bei Leipzig. Ein Dutzend Tipps entführen die Leser auch ins Leipziger Umland, wo genauso nachhaltige Angebote entstehen, die zeigen, dass wir nicht im alten, gedankenlosen Trott weitermachen müssen – sei es das Alte Kranwerk in Naunhof oder Brot & Kees in Markkleeberg.

In kleinen Texten erklärt Marisa Becker, was an den von ihr vorgestellten Orten nachhaltig ist und den Ausflug lohnt. Es ist eine Einladung, die eigene Sicht auf die Stadt und ihre Umgebung zu verändern und selbst zu entdecken, wo überall es schon Angebote gibt, die ein anderes, umweltschonendes Leben möglich erscheinen lassen. Wo es Familienspaß mit richtiger Natur gibt und Orte, an denen man tatsächlich bewusst genießen kann und weiß, dass es mal kein Angebot aus der Retorte ist.

Nicht alle Stadteile sind gleichermaßen vertreten. Oft resultiert eine reichere Landschaft nachhaltiger Angebote auch aus der jüngeren Geschichte der Ortsteile, der Mischung der Bewohnerschaft und damit der Chance für neue Ideen, im Umkreis auch eine aufgeschlossene Kundschaft zu finden. Was zumindest möglich erscheinen lässt, dass einige bislang noch unterversorgte Ortsteile nachziehen werden.

Und künftige Ausgaben der „Lieblingsplätze“ noch dicker geraten könnten. Was eigentlich ziemlich sicher ist. Denn wer wachen Auges durch die Stadt läuft, weiß, wie viele überraschende Angebote sich oft in noch nie erkundeten Straßen verbergen. Das Buch ist eine Einladung, sich selbst auf die Socken zu machen. Und dabei vielleicht eine Welt zu entdecken, die sich vom Gewohnten auf manchmal sehr angenehme Weise unterscheidet.

Marisa Becker „Leipzig nachhaltig“ Gmeiner Verlag, Meßkirch 2025, 17 Euro.

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