Zum ersten Stadtspaziergang nach Dessau und Wörlitz lud Kristina Kogel 2013 ein. Elf Jahre sind eine lange Zeit. Erst recht, wenn sich eine Stadt auf ein so eminentes Jubiläum wie den Umzug des Bauhauses 2025 nach Dessau vorbereitet. Nicht nur Weimar hat 100 Jahre Bauhaus gefeiert. Dessau tut es auch. Und so lädt die Stadt 2025 zu einer richtig satten Ladung Bauhaus-Erlebnis ein.
Waren 2013 schon alle existierenden Bauten aus der Bauhaus-Zeit Teil des Stadtspaziergangs, kam 2019 -direkt zum 100. Geburtstag des Bauhauses – das Bauhaus Museum Dessau hinzu, das seitdem ermöglicht, die Sammlung der Stiftung Bauhaus zu zeigen. Diese umfasst rund 49.000 Objekte und bildet nach Berlin die zweitgrößte Sammlung zur Bauhaus-Geschichte.
Dem kann man dann den ausgedehnten Spaziergang zu all den Bauten folgen lassen, die damals binnen kürzester Zeit errichtet wurden: das historische Arbeitsamt, das Bauhausgebäude, die Meisterhäuser, die Siedlung Dessau-Törten. Ab 1925 in einem Tempo errichtet, wie es heute für Neubauten kaum noch vorstellbar ist.
Als hätten alle gewusst, dass dem Bauhaus auch in Dessau nur eine kurze Zeit beschieden sein würde und einer progressiven Stadtregierung schon 1932 eine Nazi-Dominanz folgen sollte, die den Bauhaus-Mitstreitern auch in Dessau kein Bleiben mehr ließ.
Eine Mahnung
Eigentlich eine mahnende Geschichte für die Gegenwart, wie schnell eine progressive Gesellschaft von rechtsradikalen Politikern abgewickelt und zerstört wird. Und Grund genug darüber nachzudenken, warum heute schon wieder so viele Leute bereit sind, eine Partei zu wählen, welche die Demokratie und jeden Ansatz zu einer modernen Zukunft abzuwürgen vorhat.
Und die natürlich auf dem Mist gewachsen ist, den konservative Parteien nicht nur in Deutschland angehäuft haben, als sie mit neoliberalen „Reformprogrammen“ angefangen haben, den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft zu zerstören. Immer mit dem – falschen – Versprechen von mehr Wohlstand.
Natürlich erleben das viele Menschen heute als Bedrohung, fühlen sich in ihrer Existenz bedroht, werden mit rasant steigenden Energiekosten und Mieten konfrontiert, während ihre Arbeitsplätze unsicher werden. Und gerade deshalb ist der Bauhaus-Rundgang in Dessau so lehrreich, denn er zeigt gerade mit der Siedlung Dessau-Törten, dass eine der wesentlichen Bauhaus-Ideen eben auch das preiswerte Bauen für Familien mit niedrigen Einkommen war.
Dafür stehen exemplarisch die Laubenganghäuser, die seit 2017 offiziell zur Welterbestätte Bauhaus gehören. Hier wird gezeigt, dass man für Leute mit kleinen Einkommen praktisch, preiswert und trotzdem lebenswert bauen konnte.
Aber nicht nur das Bauhaus-Erbe in Dessau wurde seit 2013 bereichert. 2023 eröffnete in Dessau auch die neue Synagoge, die mit ihrem Namen an den berühmten, in Dessau geborenen Komponisten Kurt Weill erinnert. Nicht der einzige Berühmte, der einem auf dem Rundgang begegnet. In einem der Siedlungshäuser in Törten hat die Moses-Mendelssohn-Gesellschaft ihren Sitz, die hier auch eine Ausstellung zu diesem in Dessau geborenen Aufklärer zeigt. Der übrigens der Großvater von Felix Mendelssohn Bartholdy war und mit Lessing eng befreundet. Ihm diente Moses als Vorbild für das Schauspiel „Nathan der Weise“.
Ein Schloss für Luise
Ein Mann, der schon im 18. Jahrhundert thematisierte, wie wichtig Toleranz für eine friedliche Gesellschaft ist. Auch so ein hochaktuelles Thema. Über das man dann – auf der anderen Seite der Mulde – nachdenken kann, wenn man durchs Wörlitzer Gartenreich schlendert. Wo es übrigens auch ein Novum gibt, das 2013 noch nicht besichtigt werden konnte: Gemeint ist das 2023 eröffnete Haus der Fürstin, das Leopold III. 1789 für seine Gemahlin Louise Henriette Wilhelmine von Brandenburg-Schwedt bauen ließ. Eine Frau, die ihr Privatsekretär, der Dichter Friedrich Mathisson, zu den gebildetsten und geistvollsten Frauen ihrer Zeit zählte.
Leopold ließ für sie auch Schloss und Park Luisum errichten. Auch das kann man auf dieser kleinen Reise besichtigen, die am Ende mit lauter Schlössen endet – neben dem Luisum das Schloss Oranienbaum, Schloss Mosigkau, Schloss Georgium und Schloss Großkühnau. Jedes mit eigenem Park.
Womit sich der Kreis schließt – denn Station 3 war ja der Johannbau, das eigentliche Residenzschloss der Fürsten und also auch von Leopold I. von Anhalt-Dessau, dessen Denkmal als Station 2 auf dem Rundgang zu besichtigen ist, dem Alten Dessauer, wie ihn auch Fontane nannte, der als preußischer Feldmarschall zu Ruhm kam, in seinem kleinen Fürstentum aber vor allem deshalb geliebt wurde, weil er nicht nur die Folgen des Dreißigjährigen Krieges beseitigte, sondern das Ländchen durch kluge wirtschaftliche Reformen auch wieder sanierte.
Was ja dann die Grundlage wurde für die opulenten Schlösser und Parks, die später entstanden.
Es lohnt sich also, wieder mal nach Dessau zu fahren – mit aufmerksamem Blick für die erlebbare Bauhaus-Geschichte, für Schlösser und das Wörlitzer Gartenreich, das auch ein gewisser Goethe mehrmals besuchte.
Kristina Kogel „Dessau/Wörlitz. Stadtspaziergänge“ Lehmstedt Verlag, Leipzig 2024, 7 Euro.
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