Die Wahlen in Deutschland in diesem Jahr waren fast alle dominiert von lauter Friedens-Forderungen. Egal, ob auf kommunaler, Landes- oder Europa-Ebene. Das Thema spricht viele Wรคhlerinnen und Wรคhler an. Und Umfragen zeigen, dass sie immer wieder Forderungen nach Friedensverhandlungen mit Moskau unterstรผtzen. Manchmal wirkt es so, als hรคtte die deutsche Regierung gerade auf diesem Gebiet seit Jahren ihre Arbeit verweigert. Dabei ist das Gegenteil der Fall, wie Bastian Matteo Scianna in diesem Buch ausfรผhrlich dokumentiert.

Scianna ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Institut der Universitรคt Potsdam und die jรผngere deutsche Geschichte ist sein Hauptarbeitsfeld. Ein Feld, das manchmal darunter leidet, dass wichtige Dokumente noch nicht freigegeben sind โ€“ Protokolle von wichtigen Sitzungen, Telefonaten, bilateralen und multilateralen Treffen. Aber auch ihn trieb die Frage um: Stimmt denn das รถffentlich gemalte Bild?

Und was ist eigentlich mit den ganzen deutschen Politikern, die in den vergangenen Jahren immer wieder nach Moskau gereist sind, von Kohl รผber Schrรถder und Merkel bis zu Steinmeier? Was haben die da eigentlich getrieben, wenn sie nicht รผber Frieden und Deeskalation gesprochen haben? Haben die einfach alle nur das billige Gas und das billige russische Erdรถl im Kopf gehabt, so wie es ganz offensichtlich die Akteure der โ€žMoskau-Connectionโ€œ im Kopf hatten, als sie bei Wladimir Putin immer wieder vorstellig wurden?

Das ist ein nicht unwichtiger Aspekt, stellt auch Scianna fest. Aber er wollte es genauer wissen, was deutsche Politikerinnen und Politiker seit 1990 tatsรคchlich gesagt, gefordert und besprochen haben auf all den Ebenen, wo es um die Beziehungen zu Moskau ging. Das Bild vom โ€žSonderzugโ€œ hat er sich dabei bei Udo Lindenberg geborgt, weil es auch in Bezug auf die deutschen Beziehungen zu Moskau stimmt.

Die eben gleich mit dem Start der Deutschen Einheit auch von Dankbarkeit geprรคgt waren. Denn damit, dass die Sowjetunion der Deutschen Einheit so selbstverstรคndlich zustimmen wรผrde und bis 1994 den Abzug ihrer Streitkrรคfte vertraglich zusagte, konnte auch der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl nicht unbedingt rechnen.

Wie kann man Russland einbinden?

Mit Kohl begann das bis 2022 anhaltende deutsche Bemรผhen, Russland in die europรคische Sicherheitsarchitektur zu integrieren und das Land vor allem durch verstรคrkte Wirtschaftsbeziehungen nรคher an Europa zu binden und damit gleichzeitig den Demokratisierungsprozess in Russland zu befรถrdern. Ein Wunsch, der schon in der Jelzin-Zeit erhebliche Risse bekam.

Scianna zeigt vor das Ganze nicht einseitig, auch wenn er auf die Moskauer Archive in diesem Fall gar nicht zugreifen konnte. Aber wer die Nachrichten und Kommentare zu all den Gesprรคchen und Unstimmigkeiten zwischen Russland und Europa nicht ignoriert oder nur einseitig gefiltert hat, der weiรŸ, dass in der russischen Interpretation aller Ereignisse schon frรผh all die Tรถne auftauchten, mit denen am Ende auch Putin seine zunehmend regressive und aggressive Politik begrรผndete.

Im Grunde mit denselben Vorwรผrfen und Argumenten. Da spielte die Ukraine genauso frรผh schon eine Rolle wie der russische Vorwurf, die NATO wรผrde sich aggressiv immer weiter nach Osten ausbreiten.

Obwohl die Geschichte der NATO-Beitrittsverhandlungen eher vom Gegenteil erzรคhlt: dem Versuch der westlichen Staaten, die Beitritte osteuropรคischer Staaten hinauszuzรถgern und Lรคnder wie Georgien und der Ukraine mรถglichst keine Zusage zu machen. Obwohl die Lรคnder rund um das heutige Russland aus ihrer Vergangenheit wussten, wie aggressiv der russische Imperialismus auftrat. Und von den neueren Regierungen in Moskau fรผhlten sie sich alle zunehmend wieder bedroht, weil auch schon in der Jelzin-ร„ra wieder vom russischen Einflussgebiet geredet wurde und Lรคndern wie der Ukraine das Existenzrecht abgesprochen wurde.

Deutschland als Vermittler

Da wuchs Deutschland von ganz allein eine zentrale Vermittlerrolle zu, die Bundeskanzler wie Kohl und Schrรถder genauso versuchten auszufรผllen wie AuรŸenminister, etwa Genscher und Steinmeier. Mit dem Namen von Frank-Walter Steinmeier ist ja vor allem das Abkommen Minsk II verbunden, mit dem eine Deeskalation des 2014 durch Separatisten in der Ostukraine gezรผndeten Konflikts, in den Russland militรคrisch eingegriffen hatte, vertraglich gesichert werden sollte.

Wer heute behauptet, Deutschland hรคtte nicht versucht, mit Friedensverhandlungen den russisch-ukrainischen Konflikt zu lรถsen, leidet wirklich an extremer Vergesslichkeit. Auch was die Ergebnisse dieser Versuche betrifft ebenso. Putin unterlief die Vertrรคge einfach.

Minsk II war nicht der einzige Vertrag, den Moskau einfach zu Makulatur werden lieรŸ, wenn es gerade der nationalen Politik zuwider lief. Eher an Rande seiner umfassenden Recherche zeigt Scianna, dass dieses Hรผ und Hott der Moskauer Politik aufs engste mit den Weltmarktpreisen fรผr Gas und ร–l zusammenhรคngt. Stiegen diese Preise, konnte Moskau seine Konten fรผllen und lieรŸ postwendend auch seine Muskeln wieder spielen und hielt sich mit Drohungen auch nicht zurรผck.

Fielen sie und geriet die russische Wirtschaft ins Straucheln โ€“ wie in den 1990er Jahren und dann wider 2008 mit der Weltfinanzkrise, dann รถffneten sich scheinbar wieder alle Tรผren fรผr Verhandlungen. Und schlugen krachend wieder zu, wenn sich die Lage am Markt beruhigte.

So wie 2012, als Putin nach seinem Zwischenspiel als Ministerprรคsident wieder ins Prรคsidentenamt zurรผckkehrte und sofort wieder die Tรถne gen Westen verschรคrfte, nachdem unter Medwedew die Hoffnung gewachsen war, dass Russland wieder auf den Weg der Liberalisierung zurรผckkehren wรผrde.

Beschwichtigen mit Wirtschaftsversprechen

Scianna zeigt aber auch, dass Moskau in all den Jahren nie aufgehรถrt hatte, die einst zur Sowjetunion gehรถrenden Lรคnder als russische Einflusssphรคre zu betrachten und sich immer wieder in die Politik dieser Lรคnder einzumischen. Und wenn die Regierungen dort nicht nach Moskauer Pfeife tanzten, wurden die Truppen in Marsch gesetzt โ€“ so wie 2008 in Georgien.

Der Ton gegenรผber der Ukraine verschรคrfte sich schon 2004, als die dortige Orange Revolution das Land auf einen demokratischeren und europafreundlichen Kurs brachte โ€“ eine Entwicklung, die ja bekanntlich nicht geradlinig verlief und 2010 wieder den eher russlandfreundlichen Wiktor Janukowytsch ins Prรคsidentenamt befรถrderte. Seine Prรคsidentschaft endete praktisch, als unter ihm das Assoziierungsabkommen mit der EU abgeblasen wurde, was dann zu den massiven Protesten auf dem Maidan fรผhrte, die Janukowytschs Sturz zur Folge hatten.

Was Wladimir Putin den Ukrainern nie verzieh. Schon damals redete er von einem faschistischen Putsch. An dieser Wortwahl hat sich bis heute nichts geรคndert. Und es vergingen nur wenige Monate, bis russische Soldaten die Krim besetzen und sich dann massiv in die Konflikte in der Ostukraine einmischten.

Was dann โ€“ siehe Minsk II โ€“ wieder etliche Sonderzรผge von Berlin nach Moskau auslรถste und weitere deutsche Versuche, die russische Aggressivitรคt irgendwie einzuhegen, indem man die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Lรคndern noch weiter verstรคrkte. Der Ostseepipeline Nordstream I folgte ja bekanntlich die Nordstream II, die die deutsche Abhรคngigkeit von russischem Erdgas noch weiter verstรคrken sollte. Und fรผr die sich Berlin gewaltigen ร„rger nicht nur bei den osteuropรคischen Partnern einhandelte, sondert auch in Washington, wo man sehr wohl begriff, wie erpressbar Deutschland damit durch Moskau werden wรผrde.

Der Versuch, den Bรคren friedlich zu stimmen

Das Problem in Berlin war bis zuletzt, dass die handelnden Politikerinnen und Politiker tatsรคchlich glaubten, mit ihrer Politik Moskau einhegen zu kรถnnen und mit einem Wladimir Putin einen verlรคsslichen Vertragspartner zu haben, gar einen โ€žlupenreinen Demokratenโ€œ, wie Gerhard Schrรถder tatsรคchlich einmal behauptete.

Wรคhrend Putin schon frรผh daran ging, die in den 1990er Jahren geschaffenen demokratischen Freiheiten Stรผck fรผr Stรผck zurรผckzubauen und so etwas wie eine โ€žgelenkte Demokratieโ€œ aus der Taufe hob, wรคhrend oppositionelle Parteien verboten wurden, Medien gleichgeschaltet und Bรผrgerrechtler zunehmend kriminalisiert wurden.

All die Initiativen, Putin zur Zurรผckhaltung und zur Rรผcksichtnahme zu bewegen und ihn irgendwie in den Europarat und die europรคische Sicherheitsarchitektur einzubinden, endeten im Grunde tatsรคchlich erst mit dem 24. Februar 2022, als Putin die russischen Truppen in die Ukraine einrรผcken lieรŸ und tatsรคchlich glaubte, er kรถnnte das Land binnen dreier Tage รผberrennen.

Scianna merkt natรผrlich auch an, dass nicht alle westlichen Staaten so zรถgerlich und blauรคugig waren wie Deutschland, das anfangs nur jene blamablen 5.000 Helme schicken wollte, um die Ukrainer in der Abwehr der russischen Truppen zu unterstรผtzen, wรคhrend Englรคnder und Kanadier schon Panzerabwehrwaffen schickten, weil sie die Erkenntnisse ihrer Geheimdienste und auch die der USA ernst nahmen, dass Putin der Ukraine jedes Selbstbestimmungsrecht absprach und nur auf die Gelegenheit wartete, รผber das Land herzufallen.

Russische Begleitmusik

Natรผrlich beleuchtet Scianna auch die deutschen Beziehungen zu Lรคndern wie Polen und den baltischen Staaten, die aus eigener Betroffenheit berechtigt vor der zunehmenden Aggressivitรคt Russlands warnten. In seinen ausfรผhrlichen Erรถrterungen wird auch deutlich, dass in der Russlandfrage all die Jahre immer unterschiedliche Linien durch die Lรคndergemeinschaft der EU verliefen und auch unterschiedliche Positionen in der NATO bestanden. Da kamen die unterschiedlichen historischen Erfahrungen der einzelnen Lรคnder mit Russland genauso zum Tragen wie die aktuellen wirtschaftlichen Abhรคngigkeiten.

Und Deutschland als ewiger Vermittler saรŸ auch immer wieder zwischen den Stรผhlen, rang um Kompromisse, die oft genug auch missinterpretierbar waren โ€“ etwa wenn es um Zusagen auf einen NATO-Beitritt der Ukraine ging oder die von den USA vorgeschlagene Map zu einem mรถglichen Beitritt in ferner Zukunft. Gerade Moskau brillierte damit, all diese Beschlรผsse immer wieder umzudeuten und in mediale Vorwรผrfen gegenรผber der als aggressiv markierten NATO umzumรผnzen.

Diese Begleitmusik hat eigentlich in den vergangenen 20 Jahren nie aufgehรถrt, ist mit dem รœberfall auf die Ukraine 2022 letztlich aber immer lauter und schriller geworden. Und wieder steht die deutsche Regierung mit ihrem Lavieren und Zรถgern in der Kritik. Und schwer fรคllt ganz offensichtlich die Einsicht, dass man all die Jahre nun einmal grรผndlich falsch lag in der Meinung, dass man mit Russland verhandeln kรถnnte wie mit jedem anderen Staat. Die Hoffnung der Moskauer Elite, Russland wieder zu einer maรŸgeblichen GroรŸmacht zu machen, die seit den 1990er Jahren immer wieder deutlich geรคuรŸert wurde, wurde schlichtweg ignoriert. Was Folgen hat, die Scianna dann im Nachwort bรผndig zusammenfasst.

Gescheiterte Utopie

โ€žDie Utopie der Verflechtung wurde alternativlos weiterverfolgt, ohne sich auf russische Sonderwege vorzubereiten. Es begann weder eine Eindรคmmungs- noch eine erweiterte Abschreckungspolitik. Man wollte Russland einbinden und ging deshalb immer wieder auf den Kreml zu โ€“ eine bewusste Risikoabwรคgung, die auch deutschen (Wirtschafts-)Interessen und der innenpolitischen Stimmung geschuldet warโ€œ, schreibt Scianna. Ergebnis: Ein Deutschland, das nie entschlossen handelte und Moskau dabei im Grunde das Signal sendete, man wรผrde (wieder) nichts tun, wenn russische Truppen in die Ukraine einrรผckten.

So animiert man Diktatoren, rรผcksichtslos loszumarschieren. Und pflegt eben auch das Bild, das heutige Stimmungsumfragen unter der deutschen Bevรถlkerung immer wieder abgeben: dass neue (Friedens-)Verhandlungen den Krieg beenden kรถnnten und dann ist alles wieder gut. Eine Haltung, die die direkte Betroffenheit der รถstlichen Nachbarn vรถllig ausblendet.

Und letztlich auch verdeckt, dass die Formel โ€žWandel durch Handelโ€œ an den Realitรคten gescheitert ist. Und zwar krachend und mit sehr teuren Folgen gerade fรผr Deutschland, das jahrzehntelang geradezu sรผchtig war nach billigem russischen Erdgas.

Und das fรผhrte oft genug zu vรถllig schrรคgen Aktionen โ€“ wie eben dem von Anfang an baufรคlligen Minsk II, mit dem aus deutscher Sicht vor allem verhindert werden sollte, Waffen in die Ukraine zu liefern โ€“ woran Berlin ja bis 2021 konsequent festhielt. Und das, obwohl Bundeskanzlerin Angela Merkel deutlich รคuรŸerte, dass man Putin nicht trauen kรถnne. Sie hatte ihm ja in die Augen geschaut und viele, sehr viele Gesprรคche mit dem Machthaber im Kreml gefรผhrt.

Der fehlende Plan B

Nur in eine adรคquate Politik der Abgrenzung und eine klare souverรคne Positionierung Deutschlands mรผndete das nicht. Oder um Scianna zu zitieren: Die deutschen Regierungen hatten nie einen Plan B im Umgang mit den Herrschern im Kreml.

Stattdessen lavierten sie und versuchten sich dann immer den neuen Gegebenheiten anzupassen. Ergebnis war dann ein stรคndiges Rรผcksichtnehmen auf Moskauer Befindlichkeiten. Scianna: โ€žEine deutsche Abschreckungspolitik lรคsst sich nur mit gutem Willen in der Sanktionspolitik erkennen. Man drohte dem Kreml mit Konsequenzen und bot gleichzeitig Lockerungen bei konstruktivem Verhalten an.

Die (โ€ฆ) Koalitionsregierung verfolgte deutsche Interessen, hatte jedoch keinen Plan B, wenn massiv gegen deutsche Interessen gehandelt wurde, sondern zog sich auf Moral zurรผck und forderte โ€˜europรคische Lรถsungenโ€™, rief die amerikanischen Freunde herbei und nahm russische Aggressionen beinahe fatalistisch als unabรคnderlich hin.โ€œ

Umfassend wie noch niemand zuvor beleuchtet Scianna diese auch durch ihre Anfรคnge nur zu verstรคndliche Politik deutscher Regungen dem vermeintlichen Partner in Moskau gegenรผber. Er zeigt aber auch, wie diese Vermittlerrolle am Ende zum Selbstbetrug wurde und wesentliche Fragen, die nun alle auf der Tagesordnung stehen, รผber Jahre ausblendete โ€“ Fragen des Selbstschutzes, der eigenen Souverรคnitรคt, der tatsรคchlichen europรคischen Partnerschaften und der notwendigen Abgrenzung gegenรผber einer Moskauer Administration, die bis heute nicht bereit ist, von alten GroรŸmachtvisionen Abschied zu nehmen.

Wer genau liest, merkt, dass die ganzen Rufe nach (neuen) Friedensverhandlungen so nicht funktionieren werden. Es gibt im Kreml schlicht keinen Verhandlungspartner, mit dem man vertrauensvoll รผber Frieden reden kann.

Bastian Matteo Scianna โ€žSonderzug nach Moskauโ€œ C.H. Beck, Mรผnchen 2024, 34 Euro.

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Es gibt 3 Kommentare

Ihre schwungvolle Rezension, lieber Autor, lรครŸt mich in der รœberzeugung zurรผck, daรŸ der Buchautor Scianna nicht unbetrรคchtlich nach Ihrem Geschmack schreibt. Welche Ideen hat der Buchautor, und welche haben Sie denn, in Europa wieder zum Frieden zu finden?

Ich gehรถre nicht zu den Leuten, die anderen Lรคndern mit interessensgeleiteten Instituten oder Organisationen die Demokratie und unsere Art zu Leben beibringen wollen. Von f*em*n_st:scher AuรŸenpolitik mal ganz zu schweigen. Ich finde es gut, wenn Lรคnder Mittel finden, diese Einflussnahme zu unterbinden, falls sie denn das Bedรผrfnis nach Abschottung haben. Und so kann von mir aus auch RuรŸland innenpolitisch unterbinden, dass seine Bรผrger freiheitlich in Meinungs- und Pressefreiheit leben. Zu lesen und zu hรถren bekommen, was dort passiert, wenn man ein weiรŸes Blatt Papier auf dem Roten Platz in die Hรถhe hebt bedauere ich sehr und mรถchte auf keinen Fall so leben, aber ich wรผrde dort auch nicht einen Christopher Street Day installieren, โ€œdamit die es lernenโ€.
Es kann ja so sein, dass man dieses groรŸe Land mit seinen Eigenarten nicht so lenken kann, wie unseres. Sollen sie es halt prรคsidial und zentralistisch lenken. Aber warum zur Hรถlle muss man dann als nach innen autoritรคr auftretender Staat auch kleinlich nach auรŸen greifen und nach irgendwelchen Inselchen in der Nachbarschaft greifen, รผber kleine Lรคnder wie Georgien, oder auch nur Landstreifen dieser Lรคnder, streiten und seine Energie darin verschwenden, seinen verzweigten Beamtenapparat fรผr immer weitere EinfluรŸzonen einzusetzen? Gehรถrt die innere Fรผhrung des Landes vielleicht folgerichtig zur AuรŸenpolitik solcher Lรคnder?
โ€“
โ€œPolen in die NATO drรผckenโ€โ€ฆna schรถn, es ist wenigstens mal eine andere Erzรคhlung als โ€œdie NATO hat sich alles einverleibt und ist nach Osten gewandertโ€. Ungefรคhr so toll wie Sonneborns Einlassungen zu Kriegstreiber-Firmen.
โ€“
Angenommen, Sie haben Recht und es stimmt, dass die Entwicklungen in der Ukraine mit viel Geld und EinfluรŸnahme US-seitig forciert oder von mir aus gar gesteuert wurden. Wofรผr ist diese Erzรคhlung gut? Zur Rechtfertigung von RuรŸlands Landnahme und dem 2022 begonnen Krieg?

Erwartbares Werk vom einem KAS Jรผnger der am Weitzel (โ€žWir brauchen Soldaten als Kรคmpfer und Krieger, mรผssen das Kriegshandwerk wieder lernen.โ€œ) Institut tรคtig ist. Wurde das Bild vom โ€žSonderzugโ€œ wirklich bei Udo Lindenberg geborgt, oder eher beim Transatlantiker Eckart von Klaeden (โ€œKein Sonderzug nach Moskauโ€ 2008)? Aber schon das Narrativ von irgendwelchen Bildern schwankt. Die eine Seite hรคlt (wie der Autor) Frieden nur durch Waffenlieferungen, Sanktionen und Eskalation fรผr erreichbar. Die andere Seite verzichtet auf die gewรคhlten Mittel der erstgenannten Seite und bevorzugt Diplomatie und Deeskalation. Aber ja, die Streitkrรคfte RuรŸlands zogen 94 vertragskonform ab, im Gegensatz zu den bis heute in der BRD stationierten US Streitkrรคften. Was Demokratisierung in RuรŸland in den 90ern bedeutete (Massenverarmung + Ausbeutung) haben viele Russen vielleicht nicht ganz vergessen. Wie der โ€œaggressiveโ€ Putin seine Rede vorm Bundestag endete, hat der Autor sicher auch in Erinnerung. Die NATO ist also รถstlich expandiert, obwohl โ€œBeitrittsverhandlungen eher vom Gegenteil erzรคhlenโ€? Darauf muss man erstmal kommen. Entscheidend war es Polen in die NATO zu drรผcken. Als Bonbon gab es ja dann auch die EU Mitgliedschaft. Aktuell auch schรถn zu sehen wie die Tradition mit den Russenhassern Radosล‚aw Sikorski und seiner Ehefrau und Lifestyle Historikerin Anne Applebaum auf- und fortgesetzt wurde / wird. Wer heute behauptet, Deutschland hรคtte ernsthaft versucht, mit Friedensverhandlungen den russisch-ukrainischen Konflikt zu lรถsen, leidet wirklich an extremer Vergesslichkeit. Die Aussagen von Merkel + Hollande nach ihren Amtszeiten zu Minsk 2 lassen da wenig Zweifel. Und all die braven Bรผrgerrechtler, die wie so hรคufig letztlich von irgendeiner US Quelle finanziert werden, wurden (sicher teils auch massiv zu unrecht) in RuรŸland verboten. Ja, da versteht der Kreml keine Kritik. Man mรถchte hinzufรผgen: hat er vielleicht noch nie. Da schwingt man dann schon mal lieber die Streitaxt, mit all dem Blut daran. Hatten aber die ukrainischen Streitรคxte ihrerseits die eher russisch affine Ostukraine nicht schon vor 2022 weggenietet? Richtig, ein entscheidender Punkt war der Maidan Putsch, provoziert von der EU (z.B. laut Kissinger u.a). Biden, McCain und Nuland (mit dem Geldsรคckel) haben in Kyiv hรผbsch gewunken โ€“ dem Frieden zuliebe. Zbigniew Brzeziล„ski konnte das noch miterleben. Bravo. Heute winkt man mit Waffen, aber solang es nicht die eigen Leute trifft, was solls. Und immer wieder das Narrativ vom Kremldiktator, namentlich PUTIN damit es wirklich jeder versteht. Ist zwar wissenschaftlicher Unfug (kein seriรถser Forscher bescheinigt eine Diktatur weltweit), aber wenn es hilft โ€“ passt scho. Der einzige der einem Diktator รคhnelt trรคgt ab und zu Fanon. OK, โ€œWandel durch Handelโ€œ mag an Ideologien und GroรŸmachtgelรผsten aller gescheitert sein. Die BRD trifft es besonders realitรคtsnah. Wer genau liest, merkt, dass die ganzen Rufe nach (immer neuen) Waffen so nicht funktionieren werden.
Aber keine Angst Lokfรผhrer Bastian Matteo Scianna. Beim Zustand der DB kommt man nichtmal mehr (rechtzeitig?) bis Gleiwitz.
Ach und liebe LZ, da ihr ja keine Hetzer seid, und Bรผcher รผber RuรŸland nicht aus allein von Russenhassern verfassten, gar einseitigen Perspektiven (z.B. von Autoren vorzugsweise aus GB usw. oder eben jenes hier) empfehlt, ist es sicher kein Problem mal die Gegenseite in Buchempfehlungsform (und wenn es nur die AI, oder die blockfreie Welt ist) zu Wort kommen zu lassen ๐Ÿ˜‰

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