Das Buch hat noch gefehlt. Denn wer hat sich schon alle Medienberichte von vor 20 Jahren aufgehoben? Damals wurde durchaus detailliert erzählt, warum das neue Museum der bildenden Künste genau da zu stehen kam, wo es heute steht. Und warum es so aussieht, wie es aussieht. Fragen, die so manchen Museumsbesucher beim Besuch natürlich beschäftigen. Nun gibt es Abhilfe. Gleich mit einer kleinen Reise in die Vergangenheit.
Denn das von Katrin Klietsch und Stefan Weppelmann herausgegebene Buch erzählt natürlich auch die Vorgeschichte. Jedes Museum hat so eine.
Meist beginnt sie mit ein paar betuchten und kunstsinnigen Bürgern, die sich eine schöne Sammlung zulegen – zum Beispiel eine Bildersammlung wie der Kaufmann Maximilian Speck von Sternburg oder eine Kunstsammlung wie die von Johann Thomas und Johann Friedrich Richter, die im 18. Jahrhundert im Bosehaus am Thomaskirchhof ihre Heimstatt fand.
Erwähnenswert deshalb, weil das auch gleichzeitig der Ort war, an dem sich ab 1763 die „Societät von Gelehrten, Schöngeistern, Künstlern und Kunstbeförderern“ traf, mit der das gemeinsame Engagement Leipziger Bürger für die Kunst begann.
Auch wenn dann der Wunsch, eine öffentlich zugängliche Einrichtung zu schaffen, in der die gesammelte Kunst allen Interessierten zugänglich wäre, erst mit dem 1828 gegründeten Verein der hiesigen Kunstfreunde und dem1837 gegründeten Leipziger Kunstverein wirklich Gestalt annahm, die sich zusammentaten, um ein Leipziger Kunstmuseum auf die Beine zu stellen.
Einen ersten festen Ort gab es ab 1848 im Westflügel der Ersten Bürgerschule, die damals noch auf der Moritzbastei stand. Eine Übergangslösung, bis dann 1856 bis 1858 mit Geld aus dem Nachlass des Kaufmanns Adolf Heinrich Schletter das Museum der bildenden Künste am Augustusplatz gebaut wurde. Das hatte Schletter zur Bedingung gemacht und gleich auch noch seine eigene Kunstsammlung der Stadt vermacht.
Aus Interims ins neue Haus
Die Vorgeschichte des heutigen Museums ist dann schnell erzählt. Denn das Museum am Augustusplatz wurde ja im Zweiten Weltkrieg zerstört. Die Kunstsammlung war zum Glück ausgelagert und fand dann in den Folgejahrzehnten immer neue Interims – erst im Naturkundemuseum, dann im ehemaligen Reichsgericht und zum Schluss im Handelshof, wohin die Sammlung ausweichen musste, weil das Bundesverwaltungsgericht ins Reichsgerichtsgebäude einzog.
Aber da war auch schon klar, dass Leipzig nach Jahrzehnten wieder ein eigenes Kunstmuseum bekommen sollte, für das man den Sachsenplatz als Standort auserkor, wo im Zweiten Weltkrieg ein komplettes Stadtquartier durch Bomben zerstört worden war.
Der moderne Museumsbau sollte hier den Aufschlag bilden, wieder ein erlebbares Quartier zu schaffen. Den Architekturwettbewerb 1997 gewann das Architektenbüro Hufnagel, Pütz, Raffaelian. 1999 wurden die zwischenzeitlichen Bauten des Sachsenplatzes abgerissen, im selben Jahr durften die Archäologen hier Stadtgeschichte bis ins 12. Jahrhundert hinab ausgraben. 2000 wurde der Grundstein gelegt und 2004 im Dezember konnte das Museum dann in seinem neuen Gebäude eröffnen. Auch wenn noch die vorgehängte Glasfassade fehlte. Die kam dann drei Jahre später.
Aber wer das Museum besucht, steht durchaus manchmal ratlos da in einer Architektur, bei der sich die Architekten etwas gedacht haben. Und das erläutert Katrin Klietsch in diesem Buch Ebene um Ebene, Durchgang um Durchgang, Durchblick um Durchblick.
Und das nicht nur als Trockenübung, denn das, was sich die Architekten gedacht haben, machen die dem Band beigegebenen großformatigen Fotos – insbesondere von Alexander Schmidt – auch sichtbar. Sodass selbst die Bilder eine Einladung sind, auf die stille Schönheit von „Muschelkalk, Sichtbeton, Eichenholz, gehüllt in eine gläserne Fassade“ aufmerksam zu werden.
Versteckte Ebenen
Wobei es nicht nur beim Bauwerk bleibt, sondern auch die Gestaltung der Ausstellungsräume in ihrer Funktionalität erläutert wird und – für Besucher natürlich nicht wahrnehmbar – die Geheimnisse der Zwischenebenen erklärt werden, in denen die eigentliche Arbeit der Museumsleute stattfindet – von der Forschung bis zur Restaurierung der Kunstwerke.
Es ist ein Buch, das auch den Leipzigern wieder vor Augen führt, wie dieser Museumsbau als funktionaler Teil der Innenstadt konzipiert wurde. Und es lädt natürlich ein, dieses mittlerweile ringsum von Randbebauung eingerahmte Architektur-Kleinod wieder wahrzunehmen und genauer zu betrachten. Es überragt zwar die umliegende Bebauung, sodass der Schriftzug des Museums auch vom Markt aus gelesen werden kann.
Aber um den Bau tatsächlich von Nahem zu betrachten, lohnt es sich, einfach einen der vier verschiedenen Zugänge ins Geviert zu nutzen und dabei mitten in der City einen Ort der Stille zu entdecken. Und vielleicht Lust zu bekommen, eine der Sonderausstellungen im Untergeschoss oder die Dauerausstellung.. im zweiten und dritten Geschoss zu besuchen. Gern mit Treppensteigen auf eindrucksvollen Treppenparcours. Und einem Kaffee im Erdgeschoss zum Ausklang, bevor es wieder hinausgeht ins Gewühl der Stadt.
Katrin Klietsch und Stefan Weppelmann (Hrsg.) „Architektur. Das Museum der bildenden Künste“ E. A. Seemann, Leipzig 2024, 25 Euro.
Keine Kommentare bisher