2023 bekam die Festung Königstein ein gewaltiges Geschenk: die Sammlung von Wolfgang Donath. 167 Gemälde, sieben Plastiken, Leuchter, Kaminuhren, Fayencen, Kommoden, Vitrinenschränke, Sitzmöbel, über Jahrzehnte durch den Dresdner Lehrer gesammelt. Und sie haben alle ein Thema: Sachsen. Und ganz zentral: das alte Dresden vor den Zerstörungen von 1945. Doch jahrelang suchte Donath vergeblich nach einer Institution, die seine Sammlung aufnehmen wollte.

Bis er dann 2022 Kontakt zur Festung Königstein aufnahm und mit André Thieme, dem Geschäftsführer der Festung Königstein gGmbH, jemanden fand, der nur zu gern bereit war, diese ganz besondere Sammlung in die Bestände aufzunehmen. Aufatmen für Wolfgang Donath, denn sein bisheriger Sammelort, die Räume im Torhaus von Schloss Albrechtsberg, musste er räumen. Der Sammlung drohte das Ende. Auf der Festung Königsstein wurde in einer Hauruckaktion Platz geschaffen für die gewaltige Sammlung, die Sammelstücke wurden katalogisiert und teilweise auch schon konservatorisch behandelt.

Und im Juni 2024 eröffnete dann erstmals eine Sonderausstellung mit Stücken aus Donaths Sammlung auf dem Königstein. Wer sich beeilt, kann sie in diesem Jahr noch besichtigen: Sie ist bis zum 3. November zu sehen. 2025 öffnet sie dann wieder ab April. Und natürlich heißt auch sie „Entlang der Elbe“.

Die Sehnsucht nach dem alten Dresden

So wie der dazu im Sax-Verlag erschienene Katalog, der natürlich auch die Geschichte der Sammlung erzählt. Er erzählt auch den zentralen Anlass für den heute 79-jährigen Sammler, sich so intensiv der Sammlung vor allem von Gemälden des alten Dresden zu widmen. Denn geboren und aufgewachsen ist Donath im Dresden der Nachkriegszeit, als die Ruinen der Altstadt längst beseitigt waren und riesige leere Flächen kaum noch ahnen ließen, wie schön das alte Dresden gewesen war.

Ein Dresden, das aber viele Dresdner Maler im 19. Jahrhundert und den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts immer wieder gemalt hatten. Maler, die man kaum einmal in den großen Museen findet, auch nicht in der Dresdner Gemäldegalerie.

Maler der „zweiten Reihe“, wie sie Andrej Pawluschkow in seinem Beitrag im Buch nennt, in dem er in groben Strichen erzählt, was heute fast vergessen ist, weil die moderne Kunstgeschichte sich fast immer nur auf neueste Trends und Stilrichtungen fokussiert – wie die Maler der Künstlervereinigung „Die Brücke“ oder die Maler der Neuen Sachlichkeit um Otto Dix.

Dieses Aufblühen moderner Kunstströmungen in Dresden war aber nur möglich, weil es um 1900 den Bruch mit der pompösen Malerei der Kaiserzeit gab, die bis dahin die Dresdner Kunsthochschule dominierte und auch von den Zeitgenossen schon als überholt und altbacken empfunden wurde. Die Erneuerung gelang erst mit der Berufung von Gotthardt Kuehl, Carl Bantzner und Otto Gussmann an die Akademie. Und besonders Kuehl wurde stilprägend, vertrat er doch den in Frankreich gepflegten Stil des Impressionismus.

Eingefangene Zeit

Und es überrascht nicht, dass viele der Gemälde, die Wolfgang Donath gesammelt hat, von diesem Stil geprägt sind – und zwar weit ins 20. Jahrhundert hinein, als die Kunstwelt schon längst wieder andere Stile und Kunstrichtungen feierte. Was unter anderem zur Folge hatte, dass die Arbeiten der in diesem Katalog versammelten Maler jahrzehntelang weder die Aufmerksamkeit der Sammler noch der Museen errangen. Obwohl sie – wie jeder beim Blättern sehen kann – von höchster Qualität sind.

Von historischem Wert sowieso, was Hans Friedrich in seinem Beitrag zum Ausschiffungsplatz deutlich macht, dem Strandabschnitt an der Elbe, an dem über Jahrhunderte Waren für Dresden von den Booten an Land gebracht wurden, den man heute aber nicht mehr als solchen erkennt, weil hier Ende des 19. Jahrhunderts eine Ufermauer gebaut wurde, an der heute eigentlich nur noch die Schiffe der Weißen Flotte anlegen.

Mehrere Maler haben dies Veränderungen in ihren Bildern festgehalten – wahrscheinlich nicht einmal, weil sie das alles dokumentieren wollten, sondern weil sie ihr Dresden in immer neuen eindrucksvollen Bildern und Perspektiven festhalten wollten. Das älteste Bild im Katalog stammt aus dem 18. Jahrhundert.

Einige Gemälde entstammen direkt noch der Zeit der Romantik. Aber der Großteil der Bilder wurde von jenen Malern der „zweiten Reihe“ gemalt, die zumeist im Umfeld der Akademie tätig waren und sich zeitweise zur Malergruppe der „Elbier“ zusammentaten. Auch dieser Gruppe ist fast vergessen, hat keine internationale Furore gemacht.

Das ist die Tragik jener Künstlergruppen, die sich einem bestimmten Ort verschrieben haben und nichts anderes wollen, als ihre Heimat mit höchster technischer Fertigkeit ins Bild zu bannen. Aus immer neuer, überraschender Perspektive, mit jeder Menge Liebe zu dramatischen Lichterspielen, faszinierenden Inszenierungen und einem Blick für die überwältigenden Räume, die sich in der Dresdner Elblandschaft bieten.

Eine Stadt im wechselnden Licht

Und natürlich auch einem Blick für die beeindruckende Kulisse der Stadt, die man so in alten Vorkriegsfotografien nicht finden wird. Dazu war die Kameratechnik damals noch gar nicht in der Lage. Mit Fritz Beckert schaut man über die lichterfüllte Dramatik der Elbe zur Altstadt oder auch aus der Vogelperspektive über die Dächer der Altstadt zur Frauenkirche.

Mit Rudolf Poeschmann und Karl Hübschmann schaut man über die grünen Landschaften am Elbufer zur klassischen Silhouette der Stadt. Immer wieder auch gibt es Bilder, die in den Anlagen des Zwingers entstanden – Arbeiten, wie sie für Schüler der Kunsthochschule genauso selbstverständlich waren wie Kopien in der Dresdner Gemäldegalerie.

Aber nicht nur Dresden war für Wolfgang Donath ein zentrales Sammelmotiv – genauso eindrucksvoll sind die Gemälde des alten Meißen mit der Albrechtsburg, die im 19. Jahrhundert noch lange nicht so aussah wie heute, denn seine hoch aufragenden Türme bekam der Dom erst zwischen 1903 und 1909, in einer Zeit, als man sich auch in Dresden erst so langsam wieder der Bedeutung der Albrechtsburg für die sächsische Geschichte bewusst wurde.

Die Maler aber umkreisten den Meißner Burgberg auf der Suche nach immer neuen Perspektiven auf die Burg und auf die Stadt. Und man sieht ihren Bildern an, dass mit dem Bewusstsein für die Geschichte auch der Blick für die sich verändernden Baulandschaften geschärft wurde. Denn vieles, was in diesen Bildern noch an alter Bebauung zu sehen ist, ist heute verschwunden – in Meißen etwa verdrängt durch den Ausbau der Leipziger Straße, die das Elbufer unterhalb der Burg drastisch veränderte.

Bilder einer anderen Zeit

Die Bilder beeindrucken also nicht nur durch die malerische Meisterschaft, sondern auch durch die Entdeckungen, die jeder machen kann, der das Heute mit den Landschaften des späten 19. Jahrhunderts vergleicht. Vielleicht sogar mit einem kleinen Gefühl des Verlustes, denn trotz aller farblichen Wucht, die manches Bild mit Dramatik erfüllt, hat man zwei sächsische Städte vor sich, die noch nicht vom Lärm des motorisierten Zeitalters erfüllt sind.

In Dresden sind es ab und zu ein paar Straßenbahnen, die mit ins Bild kommen. Züge und Dampfschiffe gehören schon zum Panorama. Aber Autos fehlen – und damit der Lärm dieser heute alle Städte dominierenden Gefährte, für die auch einst stille Straßen zu lauten Verkehrstrassen umgebaut wurden.

Aber das Wesentliche an Donaths Sammlung sind nun einmal diese Ansichten vor allem des unzerstörten Dresden, mit denen der Sammler auch seine Sehnsucht nach jener Stadt dämpfen konnte, die er selbst nie erlebt hatte. Und genau so kann man die Bilder heute auf der Festung Königstein betrachten, eintauchen in eine Zeit, die ganz unübersehbar noch anders tickte als die unsere.

Man sieht Frauen bei der Wäschebleiche am Elbufer, Pferdedroschken auf den Dresdner Straßen, Maler in der Gemäldegalerie, die Kopien für gut zahlende Kunden anfertigten. Manchmal sieht man auch gar keinen Menschen, weil Maler wie Siegfried Mackowsky oder Rudolf Poeschmann vor allem die eindrucksvolle Stadtsilhouette in den dramatischen Lichtinszenierungen der Jahreszeiten malen wollten – mal in sommerlicher Helle, mal im Zwielicht später Wintertage.

Dieser Katalog vereint alle in der Ausstellung „Entlang der Elbe“ gezeigten Gemälde und Ausstellungsstücke. Kleine Texte ordnen die Bilder zeitlich ein, erläutern wichtige Details, die in den Bildern zu entdecken sind, und versuchen die Ambitionen der Maler zu schildern.

Und weil alle diese Maler für gewöhnlich nicht genannt werden, wenn es um die Stars der sächsischen Malerei geht, gibt es am Ende zu allen Malern auch noch kleine Biografien. Auch wenn die Herausgeber wissen, dass es zu diesen Malern aus Dresden noch eine Menge Forschungsbedarf gibt. Mit Katalog und Ausstellung hat diese Forschung im Grunde erst begonnen. Aber beide zeigen eindrucksvoll, wie reich die sächsische Kunstwelt auch jenseits der großen Galerien ist.

Und wie schnell man vom Kunstmarkt „vergessen“ werden kann, wenn man nicht zu den gefeierten Stars der Stunde gehört.

Und dabei zeigen all diese Bilder, von welch beeindruckender Qualität diese Dresdner Malschule war. Und man ahnt auch, warum diese Maler lieber weiter mit impressionistischer Begeisterung ihre Stadt malten, als anderswo längst neue Stilrichtungen gefeiert wurden.

Denn auch und gerade so kann man seine Liebe zu einer Stadt zeigen – einer Stadt, die ihre faszinierendsten Seiten meist erst zeigt, wenn ein Maler sie mit dem Pinsel auf die Leinwanbd bannt.

Andrej Pawluschkow, Harald Marx, Hans Friedrich „Entlang der Elbe. Das alte Sachsen in Gemälden der Sammlung Wolfgang Donath“ Sax-Verlag, Beucha und Markkleeberg 2024, 19,50 Euro.

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