Was haben eigentlich die Wahlerfolge der Populisten mit der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland zu tun? Sind denn nicht „die da oben“ an allem schuld, dass sich so viele Leute in Wüteriche und Zornentflammte verwandeln? Eigentlich müssten gerade die Ostdeutsche wissen, wie heftig wirtschaftliche Transformationen aufs Gemüt schlagen. Aber kaum ein Mensch redet über die Folgen der Globalisierung und eine politische Ideologie namens Neoliberalismus. Es hätte nämlich auch ganz anders kommen können.
Denn es macht gewaltige Unterschiede, ob ein politisches System ausgerechnet mitten in der Zeit des triumphierenden Neoliberalismus und der entfesselten Globalisierung stattfindet oder in Zeiten, in denen Staatschefs noch überzeugt waren, dass man mit staatlichen Interventionen wichtige Industriecluster retten kann.
Womit wir schon mittendrin sind in der Analyse des österreichischen Ökonomen Nikolaus Kowall, der sich – unter Ökonomen eine echte Ausnahme – sehr wohl bewusst ist, dass Politik und Wirtschaft immer extrem aufeinander reagiert haben. Und dass die Politik in den vergangenen 100 Jahren gelernt hat, dass die Zufriedenheit der Menschen mit der Demokratie aufs engste mit der Schaffung stabiler wirtschaftlicher Verhältnisse zusammenhängt.
Und weil man die dramatischen Folgen der Globalisierung nicht versteht, wenn man die Vorgeschichte nicht kennt, erzählt Kowall diese Vorgeschichte natürlich. Angefangen mit den Lehren aus der Weltwirtschaftskrise von 1929 mit der gewaltigen Arbeitslosigkeit, die damals den Faschisten den Weg an die Macht eröffnete, über den Keynesianismus, mit dem – ausgehend von den USA – Politiker lernten, mit Staatsinterventionen die Krisen des Marktes zu mildern, bis hin zu jenem Tag, als die westliche Gesellschaften die falsche Abzweigung nahmen.
Die Droge Neoliberalismus
Jenem Tag, als Politiker wie Ronald Reagan in den USA und Margaret Thatcher in Großbritannien den Neoliberalismus zur Staatsdoktrin machten und als jene Phase begann, die mit Phrasen wie „schlanker Staat“, „Steuersenkungen“, „Deregulierung“ und „Privatisierung“ einhergeht, um nur einige zu nennen.
Vorher dominierte das Instrument der Staatsintervention: Regierungen stützten und beförderten vor allem Wirtschaftszweige, die sie für besonders wichtig und zukunftsfähig ansahen – von der Schwerindustrie bis zum Autobau. Die Unternehmen schufen nicht nur Millionen gut bezahlter Arbeitsplätze, sondern stärkten auch den Export des Landes.
Weil Kowall neben Deutschland vor allem Österreich in den Fokus nimmt, kann er diese einzelnen Etappen recht genau beschreiben. Etappen, die auch sichtbar machen, wie radikal die Handlungsmöglichkeiten auch einer sozialdemokratischen Regierung in Österreich schrumpften, als die Globalisierung nach und nach Fahrt aufnahm. Denn diese veränderte die Kräftegewichte radikal. Bis in die 1970er Jahre konnten Staaten ihre Wirtschaft aus eigenen Kräften steuern.
Mit Zöllen, Ausfuhrbeschränkungen, sozialen und ökologischen Standards usw. Auch die Hoheit über die eigene Währung gehörte dazu. Sie konnten Kapitalflüsse steuern oder auch untersagen. Und europäische Regierungen nutzten diese Instrumente auch ausgiebig, um ihre eigene Wirtschaft zu stärken und den Wohlstand im eigenen Land zu stärken.
Wahrscheinlich sind es Erinnerungen an diese „goldenen Zeiten der Demokratie“, denen viele Menschen nachhängen, die heute Populisten ihre Stimme geben. Auch weil Populisten etwas versprechen, was in den Zeiten eines Bruno Kreisky in Österreich und eines Willy Brandt in Deutschland für Millionen Arbeiter eine ganz normale Erfahrung war – die Erfahrung, zu einer respektierten und geachteten Gruppe zu gehören, geschützt durch eine starke Solidargemeinschaft und vertreten durch starke Gewerkschaften.
Ein Reservoir, auf das sozialdemokratische Parteien immer zurückgreifen konnte: Demokratie wurde in dieser Zeit für Millionen Malocher zu einer Erfahrung wachsenden Wohlstands und echter Teilhabe.
Konkurrenz der billigen Arbeitskräfte
Doch das änderte sich mit der Globalisierung radikal – es entstanden mächtige Welthandelsorganisationen, die die nationalen Wirtschaftsgrenzen niederrissen und den Freihandel zum Maß aller Dinge machten. Parallel öffneten riesige Regionen ihre zuvor abgeschotteten Märkte dem Welthandel – allen voran China.
1990 kamen dann auch noch die Länder Osteuropas hinzu, die vorher hinterm Eisernen Vorhang abgesperrt gewesen waren. Auf einmal gab es riesige neue Märkte mit billigen Arbeitskräften – und zu Tausenden nutzten westliche Konzerne die Gelegenheit, ihre Produktion zu verlagern, ganze arbeitsintensive Fabriken in Billiglohnländer zu verlagern. Alles nach knallharten Marktgesetzen.
Denn auf dem viel beschworenen Markt geht es immer auch im Produktionskosten. Wer billiger produzieren kann, kann die Konkurrenz vom Markt fegen. Erst recht, wenn er keine Rücksicht auf faire Löhne, Umweltstandards oder Arbeitnehmerrechte nehmen muss. Mitten in dieser Zeit kam ja auch die deutsch-deutsche Einheit mit der Rosskur für die nicht mehr konkurrenzfähige Wirtschaft der DDR. Wobei sich Kowall sicher ist, dass diese Marktanpassung auf die rabiate Art so 20 Jahre früher nicht stattgefunden hätte.
Dass der Treuhand derart freie Hand zum Abwickeln der kompletten DDR-Wirtschaft gegeben wurde, hat auch damit zu tun, dass die neoliberal geprägte Regierung Kohl überhaupt keine anderen Rezepte kannte. Sie konnte den „Markt“ nur neoliberal betrachten und tat das auch – und war damit auch unfähig zu sehen, welche politischen und mentalen Langzeitfolgen diese Rosskur haben würde.
Lange Zeit blind für die Schock-Strategie
Und es dauerte ja bekanntlich bis 2014, bis Philip Ther sein Buch „Die neue Ordnung auf dem alten Kontinent“ veröffentlichte, bis überhaupt einmal fachlich versiert beschrieben wurde, welche Folgen diese „Schock-Strategie“ (Naomi Klein) für die Länder Osteuropas hatte. Eine Strategie, die eigentlich nur eins zum Ziel hatte: Die Märkte dieser Länder mit aller Gewalt dem Zugriff des weltweit agierenden Kapitals zu öffnen.
Alles mit dem Versprechen, „der Markt“ würde ganz von allein Wettbewerb und Wohlstand erzeugen. Die Demokratie gab es dann nach den Lehrsätzen des Neoliberalismus quasi obendrauf. Die Welt könne gar keine andere Entwicklung nehmen. Und Francis Fukuyama stellte dann auch gleich noch die steile These vom „Ende der Geschichte“ auf.
All die neoliberalen Lehrsätze erwiesen sich in der Folgezeit als falsch. Viele Länder im Osten leiden bis heute unter den Folgen der „Schock-Strategie“. Und auch im Westen sind die dramatischen Auswirkungen längst zu sehen. Denn mit dieser Brachial-Liberalisierung der zuvor national definierten Märkte entstand etwas, was auch die Demokratien des Westens in LegitimationsNot brachte: ein entfesselter Standort-Wettbewerb.
Denn das heiligste Gut des Neoliberalismus ist der „Wettbewerb“. Ein Wettbewerb, der innerhalb der Märkte durchaus Sinn ergibt, wenn Unternehmen miteinander konkurrieren um die besten Produkte, den größten Markterfolg, die besten Technologien. Weshalb sich die neoliberalen Theorien nur auf einen Akteur auf dem Markt konzentrierten: den Konsumenten.
Der wird regelrecht idealisiert und zum Maß aller Dinge gemacht. Mehr Konsum bedeutet mehr Umsatz, bedeutet mehr Gewinn, bedeutet mehr Wohlstand. Usw. Die ganze platte Formel, die den Menschen auf sein Konsumentensein reduziert und ihn gleichzeitig zum Konkurrenten aller anderen Marktteilnehmer macht. Nicht nur beim Konsumieren, wo es um Status und das Gefühl geht, „sich was leisten zu können“, das man sich redlich verdient hat. Sondern auch beim Kampf um gute Arbeitsplätze.
Denn jetzt konkurrierten eben nicht mehr nur Unternehmen gegeneinander. Eine Einsicht, die lange Zeit nicht begriffen werden wollte. Jetzt standen auf einmal ganze Staaten in Konkurrenz zueinander. Denn jetzt konnten sich die großen Unternehmen aussuchen, wo sie ihre Werke bauten – und mit ihren Standortentscheidungen konnten sie Länder gegen Länder, Regionen gegen Regionen, Städte gegen Städte in Konkurrenz zwingen – alle vor der fatalen Aufgabe stehend, den Unternehmen möglichst viele Zugeständnisse zu machen: Steuern senken, Umweltauflagen senken, Sozialstandards senken usw.
Konkurrenz der Billigjobber
Und dieses Konkurrenzdenken hat längst die ganze Gesellschaft erfasst. Denn jetzt waren lukrative Arbeitsplätze in der Industrie nicht mehr sicher. Ein neues Werk in China oder Bangladesch konnte binnen kürzester Zeit dafür sorgen, dass bislang erfolgreiche Unternehmen in Europa schließen mussten. Die Millionen Arbeitsplätze in der einstigen DDR wanderten nicht nur in westliche Bundesländer ab, wo Unternehmen ihre Produktion wieder hochfahren konnten. Sie wanderten auch nach Osteuropa und noch viel schneller nach Asien ab. Und gerade ostdeutsche Arbeiter lernten schnell, dass sie nichts anderes mehr waren als Verfügungsmasse auf einem Markt, auf dem sie auf einmal mit Billigjobbern in Fernost konkurrierten. Oder eben nicht konkurrierten, weil ihre Fabrik ohne Federlesen geschlossen wurde.
Und das hat längst auch die gesamte Gesellschaft des Westens erfasst. Das berühmteste Beispiel ist der amerikanische „Rust Belt“, einst eine sichere Bank der Demokraten – mit einst weltbekannten Unternehmen und stolzen, gut bezahlten Arbeitern. Heute aber das Synonym einer abgewrackten Industrie, die verödete Städte und verzweifelte Menschen zurückgelassen hat.
Das alles übrigens schon das Resümee eines Buches, das 1996 erschien: „Die Globalisierungsfalle“ von Harald Schumann und Hans-Peter Martin, auf das sich Kowall natürlich bezieht. Denn längst ist fast alles, was die beiden Autoren damals befürchteten, auch eingetreten. Die Globalisierung hat alle ihre Schattenseiten gezeigt. Gerade in der Corona-Zeit, als in China ganze Regionen für Monate in den Lockdown geschickt wurden und daraufhin ganze Lieferketten nach Europa ins Stocken gerieten.
Was übrigens bis heute nicht wirklich wieder in Ordnung gekommen ist. Die Probleme am Golf kommen hinzu. Die ganzen Lieferketten mit riesigen Containerschiffen erwiesen sich als höchst anfällig. Und offenkundig geworden ist auch, dass eine radikale Öffnung der nationalen Märkte mitnichten stabile Demokratien zur Folge hat. Das war nur die Illusion der frühen 1990er Jahre. Gerade Länder wie China zeigen, dass eine entfesselte Globalisierung (bislang) sehr gut Hand in Hand geht mit einer Diktatur, die ihre Bevölkerung komplett unter Kontrolle hat.
Es geht wieder um Souveränität
Phrasen, die auch in Deutschland lange Zeit wiederholt wurden wie ein Mantra – etwa „Wandel durch Handel“ – erwiesen sich als falsch. Stattdessen verstrickte sich Deutschland in Abhängigkeiten, die es in den Augen des russischen Diktators regelrecht erpressbar machte.
Und gleichzeitig verschärften sich die Krisen, die schon in den 1970er Jahren deutlich beschrieben wurden: die Rohstoffkrise, die Klimakrise, die Artenkrise usw. Denn da sich „der Markt“ nun einmal nur auf Profite und Konsum konzentriert und in der permanenten Steigerung der Produktion sein einziges Allheilmittel sieht, fallen alle Probleme, die bei einer derart entfesselten Wirtschaftsweise entstehen, hinten runter. Der Markt hat dafür kein Sensorium. Also blendet er sie aus, externalisiert sie und verspricht den Konsumenten (gegen jede Logik), dass es immer so weiter gehen wird.
Und da ist man jetzt bei Kowall, der sein Buch eben nicht nur nutzt, um zu beschreiben, wie der Neoliberalismus (und mit ihm die Globalisierung) ab den 1980er Jahren die Regie übernahm, den einst wirksamen Staatsinterventionismus aushebelte und die Regierungen der Demokratien zunehmend auf wirtschatfspolitischem Gebiet entmachtete. Er geht auch auf die negativen Folgen und die Grenzen der Globalisierung ein, die längst sichtbar geworden sind.
Und im zweiten Teil des Buches zeigt er, dass das einigen Politiker/-innen inzwischen sehr bewusst geworden ist. Gerade im Zusammenhang mit der Klimakrise, die nun einmal zu radikalen Veränderungen zwingt, wenn wir unsere Welt nicht völlig verbrennen wollen.
Und das Erstaunliche ist: Gerade in der EU entdeckt Kowall mittlerweile eine ganze Reihe von Programmen, mit denen die EU-Kommission das wieder zum Leben erweckt, was einmal das originäre Werkzeug nationaler Regierungen war. Denn anders als die Einzelstaaten der EU ist die Gesamt-EU ein Player auf den internationalen Märkten, den auch China und die USA ernst nehmen müssen. Wenn die EU Produktstandards setzt, müssen alle Länder, die mit der EU Handel treiben wollen, diese Standards respektieren. Was sie auch tun.
Vier wirtschaftliche Grundfreiheiten
Und deshjalb bekämpft auch ein Diktator wie Putin die EU mit aller Macht und unterstützt jede populistische Partei, die die EU spalten und verzwergen will. Und das nicht, weil die EU politisch ein Schwergewicht wäre. So ist sie ja gar nicht gestrickt. Das vergessen selbst Leute nur zu gern, die für die europäische Idee kämpfen. Tatsächlich ist die EU mit ihren vier Grundfreiheiten bis heute zuallererst ein wirtschaftlicher Zusammenschluss der europäischen Staaten – und gerade deshalb eine Macht.
Mit der Freiheit der Waren, Dienstleistungen, Arbeitskräfte und des Kapitals war sie sogar ein sehr frühes Modell für (eine kleine) Globalisierung. Aber – auch das kann Kowall feststellen – für einige Staaten wie Österreich war der EU-Betritt ein regelrechter Schub für die eigene wirtschaftliche Performance.
Und gleichzeitig ist dadurch eben ein ökonomisches Schwergewicht entstanden, dessen Entscheidungen gewaltige Auswirkungen auch auf die Weltmärkte haben. Und so langsam scheint die EU-Kommission auch zu lernen, wie man genau diese Macht auch nutzen kann, wichtige Standards bei Umweltschutz, Produktsicherheit usw. zu setzen. Kowal führt diese Programme alle auf.
Und natürlich rennen Politiker neoliberaler Parteien Sturm gegen diese Programme, kämpfen für die Interessen fossiler Konzerne, deren Management seine weltzerstörerische Produktion nicht ändern will – auch getrieben von der kurzatmigen Gier der Aktionäre, die aller viertel Jahre fette Ausschüttungen sehen wollen, die sich aber nicht die Bohne für das langfristige Überleben eines Konzerns oder gar der Menschheit interessieren.
Aber genau das könnte sich jetzt ändern, so Kowall. Denn längst sind alle Länder an dem Punkt angekommen, dass ihre Regierungen begreifen, dass sie jetzt wieder mit wirklich mutigen Investitionen in die Wirtschaft eingreifen müssen, um sie ökologisch und nachhaltig umzubauen. Milliardensummen müssen in Energiewende und Kreislaufwirtschaft investiert werden. Ganze Branchen müssen komplett umgebaut werden.
Die alten Lieder der Angst
Nichts ist so bekloppt wie die aktuelle Finanzpolitik von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), der das Land mit der „Schuldenbremse“ paralysiert, statt jetzt die Milliarden für den Umbau der Wirtschaft einzusetzen. Mal ganz zu schweigen davon, dass das auch noch ein gewaltiges Konjunkturprogramm wäre. Wobei die EU auch längst Programme aufgelegt hat, überlebenswichtige Produktion, die nach Fernost abgewandert ist, wieder in die EU zurückzuholen – man denke an die Pharmaindustrie, die in der Corona-Zeit ihre absolute Abhängigkeit von China und Indien erlebt hat. Oder an die Chip-Industrie, bei der Europa extrem von China abhängig ist.
Und dabei werden auch eine Menge neue Arbeitsplätze entstehen, ist sich Kowall sicher. Es gibt also einen Riesenstrauß an Chancen auch für die Arbeitnehmer. Doch stattdessen stimmen auch die Politiker von CDU, CSU und FDP wieder in das alte Angstmachen der neoliberalen Jahre an, mit dem sie die Ängste der Arbeiter geschürt haben, sie könnten in die Sanktionssysteme von „Hartz IV“ abstürzen.
Ängste, von denen natürlich die Populisten profitieren. Denn all diese Verlustängste, die permanente Angst, im Wettbewerb Jeder gegen Jeden zu verlieren, sind Wasser auf die Mühlen der Populisten, die den Leuten versprechen, künftig werde nur noch Politik für sie allein gemacht.
Was natürlich Schwindel und Blödsinn ist. Europa ist längst ein Kontinent der extremen Arbeitsteilung und kann nur bestehen, wenn alle gemeinsam an einem Strang ziehen und die Stärke des gemeinsamen europäischen Marktes ausspielen. Europa ist der Kontinent, der tatsächlich als erster die sozial-ökologische Transformation schaffen kann.
Demokratielogik und Marktlogik
Aber dafür braucht es Investitionen und Menschen, die wieder verstehen, dass sich gerade etwas ändert und die alten Wirtschaftsmodelle gerade krachend in die Knie gehen – wenn man allein an die Dauerkrise in der deutschen Autoindustrie denkt. Statt jetzt den Blick auf echte Zukunftsbranchen zu richten, singen die konservativen Politiker das alte Lied von der Spritverbrennung, ohne zu begreifen, dass sie damit auf ein totes Pferd setzen und wieder nur neue Ängste verbreiten.
Vielleicht ist Kowall ein bisschen zu optimistisch. Aber er zeigt zumindest, dass die Transformation in der EU längst begonnen hat. „Erst die Handlungsfähigkeit der EU ermöglicht die Rückkehr wirtschaftspolitischer Eingriffe“, schreibt Kowall. „Europa ermöglicht es, Augenhöhe zwischen Demokratielogik und Marktlogik wieder herzustellen. Damit lässt sich auch das demokratische Versprechen wieder einlösen, Politik für die große Mehrheit zu machen.“
Denn nichts war in der neoliberalen Phase so schädlich wie die Deregulierung der Märkte, die nun einmal selbst aus ihrem eigenen Verständnis heraus nicht in der Lage sind, Probleme wie Klimakrise und Rohstoffkrise zu lösen. Der Wettbewerb aller gegen alle macht blind. Und ohne kluge Interventionen der Staaten wird Wirtschaft der Gesellschaft nun einmal nicht wieder dienstbar gemacht. Stattdessen gilt – nicht einmal mehr hinterfragt von vielen radikalen Politikern– das Primat der Wirtschaft über die Politik.
Mit all den katastrophalen Folgen, die heute nachvollziehbar Ängste auslösen. Das kann sich ändern, zeigt Kowall in seinem Buch. Es gibt Wege aus der Globalisierungsfalle.
Nikolaus Kowall„Raus aus der Globalisierungsfalle“ Verlag Kremayr und Scheriau, Wien 2024, 25 Euro.
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