Die Kinder, die jetzt ins Bilderbuchalter kommen, wachsen in eine Welt hinein, die anders sein wird als die ihrer Eltern und Großeltern. Auch wenn Wetterextreme heute schon für die Erwachsenen das erlebte Normal sind. Wenn auch meist nur am Fernseher, auch wenn die Wetterkatastrophen auch vor Deutschland nicht Halt machen.

Der verheerende Starkregen in Polen, Tschechien und Österreich hat die Entwicklung wieder für alle sichtbar gemacht. Damit hat der Klett Kinderbuch Verlag gar nicht gerechnet, als er dieses Bilderbuch drucken ließ.

Es bereitet ein Thema für die Kleinen auf, mit dem selbst die Großen ganz offensichtlich eine Menge Probleme haben (siehe die vielen falschen Reaktionen vor und nach der Flut im Ahrtal). Fast alles in großen Wimmel-Bildern. Nur die kleinen Leute in den Wimmelbildern kommentieren alles, was gerade geschieht.

Auch am Dienstag, 14 Uhr, als die Welt scheinbar noch in Ordnung ist. Doch sie ist nicht in Ordnung. Das erzählt nicht nur Diplom-Meteorologe Sven Plöger in einem kleinen Vorwort, das zeigt auch schon die erste Umschlagseite, die deutlich macht, was am sonnigen Dienstag alles schon falsch ist.

Lauter Dinge nämlich, an denen Groß und Klein für gewöhnlich gedankenlos vorbeigehen. Denn warum sollte man sich Gedanken um Starkregen und Hochwasser machen, wenn diese nur alle paar Jahrzehnte auftauchen? So selten, dass meist mehrere Generationen vergehen, bis es wieder wie aus Badewannen schüttet. Aber was früher in riesigen Abständen unter ganz seltenen Wetterlagen passierte, wird mit der sich aufheizenden Atmosphäre immer alltäglicher.

Und es trifft auf Städte, die für diese Extreme nicht gebaut sind. In denen Erwachsene noch immer so gedankenlos agieren, als könnte nicht schon die nächste Regenwelle die Stadt in eine braune Brühe tauchen.

Gefährliche Gedankenlosigkeit

Die Kinder lernen also gleich mal bildhaft, was viele Erwachsene gedankenlos immer noch falsch machen – von kahlen Hängen und zu engen Brücken über Häuser und Zeltplätze mitten im Überschwemmungsgebiet bis zu zubetonierten Plätzen und Straßen. Lauter Dinge, die eine Überschwemmung nicht nur erleichtern, sondern auch verheerend machen.

Aber wer denkt schon daran, wenn die Sonne scheint? Am Dienstag ist noch alles in Ordnung, gibt es Vanilleeis und Spiegelei. Am Mittwoch aber kommt der große Regen und ruckzuck tritt das Flüsschen, das durch die Stadt fließt, über die Ufer. Da hört man dann erstmals das „Auweia! Ob das gut geht?“

Aber da ist es schon zu spät. Da beginnt das große Rennen. Und zumindest die Klugen schleppen schon Sandsäcke. Denn der Regen soll noch Stunden dauern. Und das bedeutet eben das, was man mittlerweile aus so vielen Nachrichten zu Überschwemmungen kennt: Eine dunkle Brühe überschwemmt die Straßen, die Keller, den Campingplatz. Von den kahlen Hängen fließt der Schlamm ungebremst in die Tiefe. Autos saufen ab und die Feuerwehr kommt nicht hinterher, die Menschen aus den Häusern zu retten.

Das Falscheste, was Eltern an dieser Stelle sagen können, ist: „Bei uns kann das nicht passieren.“

Zeit zum Handeln

Denn genau das hat bisher die ganze Gedankenlosigkeit bestimmt, die dazu führte, dass wir nicht nur die Atmosphäre aufgeheizt haben, sodass Wetterkatastrophen immer häufiger werden. Sie hat auch dazu geführt, dass Felder und Hänge kahl sind, folglich rauschen die Wassermassen einfach in den Fluss. Und in der Stadt ist man auf die Flut nicht vorbereitet, beginnt nun hektisch zu retten, was zu retten ist. Aber die Keller laufen trotzdem voll. Und die Leute, die den Regen nicht ernst genommen haben, müssen jetzt von den Dächern gerettet werden.

Es sind die Stunden der Retter, die gar nicht retten müssten, wären nicht so viele andere Leute leichtsinnig und gedankenlos gewesen. Den kleinen Menschlein, die diese Bilder sehen, dürfte auch ein bisschen angst und bange werden. Aber sie lernen auch etwas, was sie im Leben brauchen werden: Dass es zu spät zum Handeln ist, wenn die Flut erst einmal in den Straßen steht.

Aber das ist natürlich nicht das schmutzige Finale. Denn wenn die Flut abgelaufen ist, kommen die Tage der Aufräumer und Helfer. Da wird Schlamm geschaufelt, werden Keller leergepumpt. Jeder hilft, wo er kann. Aber es kommt auch ein riesiger Berg von Müll zusammen, den das Wasser weggeschwemmt hat.

Und ein letztes Bild zeigt dann, was die Bewohner der kleinen Stadt alles geändert haben, klüger geworden durch die Flut. Denn hier wird sichtbar, wie man eine Stadt besser vorbereitet auf eine Zeit, in der Starkregen und andere Wetterextreme immer häufiger werden.

Zeit, die Großen zu nerven

Ein Jahr später gibt es etwas zu feiern. Man hat zusammengestanden in der Not. Und in der Eimerkette haben alle gemerkt, wie stark man ist, wenn alle mit anpacken. Und vielleicht sind es die Kinder, die dieses großformatige Bilderbuch in die Hände bekommen, die demnächst alle Erwachsenen nerven, wenn sie merken, dass die überhaupt nicht dran denken, ihre Stadt wetterfest für die Zukunft zu machen. Und es ist gut, wenn sie nerven und sich nicht entmutigen lassen.

Denn Fluten wie die im Ahrtal 2021 haben nun einmal gezeigt, wie dumm und blind sich viele Erwachsene stellen, wenn es selbst ums Bauen in einem engen Flusstal geht. Die Ahrtal-Katastrophe war vorhersehbar. Dumm nur, dass hinterher wieder fröhlich mitten ins Überschwemmungsgebiet gebaut wird.

Man kann also nicht davon ausgehen, dass Erwachsene irgendetwas aus Katastrophen lernen. Also braucht es nervende Kinder, die wissen, worum es geht. Und dass man vorher dafür sorgen kann (und muss), dass es im Fall eines Wetterextrems nicht so schlimm wird. Und wahrscheinlich müssen sie viel nerven, denn schwerhörig sind Erwachsene auch nur zu gern, wenn es um ihren geliebten Trott geht und das windelweiche „Das haben wir schon immer so gemacht“.

Das nämlich funktioniert nicht mehr in einer Welt, in der immer mehr Energie in der Atmosphäre dafür sorgt, dass es auch in Deutschland immer öfter zu bedrohlichen Wettererscheinungen kommt.

Bille Weidenbach „Hätte, hätte, Eimerkette“Klett Kinderbuch Verlag, Leipzig 2024, 18 Euro.

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