Der menschliche Körper ist ein Wunderwerk. Zusammengesetzt aus lauter wundersamen Teilen, die auf erstaunliche Weise funktionieren. Man denkt nur nicht dran, wenn man so vor sich hin lebt und oft genug Dinge tut, die diesem Wunderwerk regelrecht schaden. Und als Kind weiß man es natürlich auch noch nicht. Aber Fragen hat man da jede Menge und so manche Eltern sind völlig überfordert. Denn: Wie funktioniert zum Beispiel das Herz?

Oder: „Wie schafft es dein Herz, dein ganzes Leben lang zu schlagen?“ Und warum schlägt es eigentlich? Warum pocht es manchmal wie wild? Warum ist es so schlimm, wenn es mal Pause macht? Alles Fragen, die Marja Baseler und Annemarie van den Brink in diesem Buch aufgreifen. In zwei anderen Büchern haben sie sich mit dem Darm und dem Gehirn beschäftigt, die ganz kindgerecht natürlich „Die Kackwurstfabrik“ und „Das Hotel zum Oberstübchen“ hießen.

Denn irgendwie muss man ja anschaulich machen, was da in diesen seltsamen Bauteilen vor sich geht, aus denen wir zusammengesetzt sind. Und die alle funktionieren müssen, damit es uns gut geht.

Ohne Herz geht gar nichts mehr

Für das Herz fiel den beiden Niederländerinnen die Burg als mögliches Bild ein. Wahrscheinlich wegen der Kammern und Klappen, aus denen das Herz besteht. Nur dass eben das, was in dieser von Tjarko van der Pol illustrierten Geschichte passiert, im realen Leben nicht passieren sollte – dass die Burg Herzberg eines Tages von der Außenwelt abgeschnitten wird.

Ein fetter Felsen zertrümmert die Zugbrücke. Niemand kommt mehr raus oder rein. Und ganz schnell geht in der Burg der Holzvorrat zur Neige, mit dem die große Burgheizung befeuert wird. Und dann gibt es auch bald nichts mehr zu essen. Denn das kommt ja aus dem Dorf vor der Burg jenseits des Burggrabens.

Ohne ein Dorf, das Äpfel, Gemüse, Mehl und Fleisch liefert, ist so eine Burg ganz schnell am Ende. Dann müssen die Burginsassen hungern. So wie die Zellen unseres Körpers verhungern, wenn das Herz keine Nährstoffe und keinen Sauerstoff mehr schickt. Ganz abgesehen davon, dass es in Wirklichkeit gar nicht so aussieht, wie alle Welt ein Herzchen malt, sondern viel komplizierter. Sonst würde das ja mit dem Blutkreislauf nicht funktionieren.

Die Kinder, die mit der Burg Herzberg ihr Herz entdecken, lernen so auch schon mal die wichtigen Nachbarn des Herzes kennen – Darm und Lunge, woher Nährstoffe und Sauerstoff kommen. Und damit lernen sie auch, dass alles in unserem Körper fein aufeinander abgestimmt ist. Und wir vielleicht am besten doch auf unseren Körper hören sollten.

Auf unser Herz sowieso, das uns ja durch sein Klopfen auch verrät, ob es gesund ist oder ob wir gewaltig etwas falsch gemacht haben – zu viel Süßkram gegessen, zu wenig herumgetobt, zu wenig an der frischen Luft gewesen. Manchmal haben Eltern eben recht, wenn sie uns ermahnen und uns erklären, dass jede Menge Eis und Kuchen verdammt ungesund sind.

Das Herz und unsere Gefühle

Aber unser Herz pocht eben auch bei den seltsamsten Gelegenheiten heftiger – wenn wir uns zu sehr aufregen, wenn wir uns fürchten oder wenn wir uns so riesig freuen, dass wir fürchten müssen, gleich springt es uns aus der Brust. Und natürlich ist da noch das Ding mit der Liebe. Und in dieser Geschichte sind Mila und Amor ganz doll verliebt. Sie erleben das Abenteuer in der Burg Herzberg gemeinsam. Und natürlich auch, wie ihre Herzen klopfen.

Es gibt ja so viele Sprüche über das Herz, die im Buch auch fast alle vorkommen. Dem Herz wird vieles zugeschrieben, was eigentlich in unseren Köpfen passiert. Aber weil die großen Gefühle fast alle mit einem wild klopfenden Herzen zu tun haben, stimmen die Sprüche dann doch wieder irgendwie. Bis hin zum gebrochenen Herzen, dem schweren Herzen, dem Herzflattern usw.

Der eine hat ein leichtes Herz, der andere ein großes. Manche beherrschen die Sprache des Herzens, andere haben den Schlüssel zum Herzen anderer Menschen.

Rings um die Geschichte gibt es lauter kleine Texte, die erklären, was unser Herz wirklich tut. Und warum es sich meist so auffällig verhält, wenn uns etwas Aufregendes passiert. Warum wir dann knallrot werden oder vor Aufregung nicht schlafen können. Aber wer aufmerksam liest oder hinhört, bekommt mit, dass es wirklich keine dumme Idee ist, das eigene Herz ernst zu nehmen und lauter Dinge zu tun, die unserem Herzen guttun. Und das sind größtenteils gar keine so schlechten Dinge – wie Lachen, Toben, durch den Wald laufen und ganz tief einatmen.

Ein ganz besonderer Muskel

Hinterher kennt man sein Herz viel besser und hat auch gleich noch einen Sack voller Ratschläge, wie man sich und seinem Herzen Gutes tun kann. Und natürlich geht auch die Geschichte gut aus, auch wenn es in Burg Herzberg erst einmal fürchterlich kalt wird.

Aber da sich die Bewohner ein Herz fassen und alle mithelfen, wird auch der gewaltige Felsbrocken bewältigt, der die Burg von der Außenwelt abschottet. Da er aber im Burggraben gelandet ist, fehlt trotzdem ein Bild im Buch, das so viele kennen: Da fällt einem doch ein Stein vom Herzen.

Aber indirekt streckt es ja darin, dass alle erleichtert sind und auch ihr Herz erleichtern können. Was irgendwie wieder ein Bild zurzeit ist, wo ein Haufen Leute vergessen zu haben scheinen, dass man leichten Herzens besser durchs Leben kommt. Und dass man sich nicht alles zu Herzen nehmen sollte, was passiert. Schon gar nicht all die Dinge, an denen man sowieso nichts ändern kann.

Da ist es viel besser, sich Freunde zu suchen, mit denen man zusammen schwere Steine beiseite räumen kann. Mal abgesehen davon, dass man dann auch noch an der frischen Luft ist und das Herz sich über die viele Bewegung freut. Denn es ist nun einmal ein Muskel, der sich manchmal ein bisschen anstrengen will und zeigen, was er für Kraft hat. Dann bleibt er nämlich in Übung und das Leben macht mehr Spaß.

Und das merken wir auch, wenn das Herz eifrig mehr Blut durch Venen und Arterien pumpt. Dann spüren wir so richtig, dass wir am Leben sind.

Marja Baseler & Annemarie van den Brink „Burg Herzberg. Bitte klopfen!“ Klett Kinderbuch Verlag, Leipzig 2024, 16 Euro.

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