Lea hat ein Problem. Ein Problem, das wir alle kennen. Auch wenn das ja eigentlich nur bildlich gemeint ist, wenn wir morgens vรถllig zerstreut sind und klagen: Wo hab ich nur meinen Kopf! Aber was passiert, wenn der Kopf tatsรคchlich weg ist? Richtig weg? Auch vorm Spiegel. Also nichts mit Haare kรคmmen und Zรคhneputzen. Kein leckeres Frรผhstรผck. Und schon bekommt die Sache eine richtig dramatische Wendung. Und Lea ist berechtigterweise verzweifelt.

Das stelle man sich nur vor. Und Elias Hauck hat es sich mal richtig vorgestellt. Er lebt in (West-)Berlin, ist seit 21 Jahren Teil des Zeichner-Duos Hauck & Bauer. Und nun wollte er sein erstes Kinderbuch machen. Was vermuten lรคsst: Da steckt mindestens auch ein Kind dahinter. Genau so eins, das morgens ganz durcheinander ist, einen Haufen Dinge im Kopf hat und nicht weiรŸ, was zuerst machen und wie das alles gedeichselt kriegen.

Und die Eltern hรถren nicht mal zu. Oder geben sich ganz so wie Leas Papa in diesem Buch: vรถllig ungerรผhrt wie Thomas Mann. Da dรผrften sich etliche Eltern wiedererkennen. Es sagt sich ja so leicht: Das ist nur eine Phase, Kind. Das geht vorรผber.

Eine absolut schreckliche Tragรถdie

Fรผr Thomas Mann stimmt das. Aber aus der Perspektive des Kindes ist es falsch. Nichts geht da vorรผber. Alles ist endgรผltig und absolut. Das wird nie wieder gut. Nie wieder!

Und zu Recht hat Lea das Gefรผhl, dass sie einfach nicht ernst genommen, der Ernst der Lage einfach nicht erkannt wird.

Hinter diesem Buch muss ein Kind stecken. Die Geschichte ist einfach zu wahr, auch wenn sie der Igel erzรคhlt, der nicht nur ein schรถnes Vorwort beigesteuert hat, sondern in jedem Bild auch anwesend ist. Heimlich, ganz klein. Einer muss ja Zeuge sein, wenn so ein Drama passiert und Papa einfach nicht aus der Ruhe zu bringen ist. Das geht vorรผber!

Nichts geht vorรผber. Denn auch wenn der Kopf weg ist, ergreift die Verzweiflung trotzdem die ganze Lea. Und sie macht sich fรผrchterliche Gedanken, was sie falsch gemacht haben kรถnnte, was nun passiert, wie sie sich nun drauรŸen sehen lassen kann, wo sie doch keiner sieht. Und wo ist ihr Kopf! Da reicht doch nicht, dass Papa einfach sagt: Das wird schon wieder!

Der Kopf ist weg, schwebt vielleicht sogar im Universum irgendwo.

Immer ist der Kopf weg

Natรผrlich macht sich Lea auf die Suche nach ihrem Kopf. Papas Beruhigungspille, dass das alles nicht so schlimm ist, hilft ja nicht. Es hilft nur, selber loszuziehen und den armen Kopf zu suchen โ€žwie ein Rezept fรผr Kรคsekuchenโ€œ. Natรผrlich wird gereimt. Elias Hauck hat auch eine diebische Freude daran, die ganze Geschichte in frechen Reimen zu erzรคhlen.

Und weil sich manche komischen Sachen so schรถn reimen, kommt manchmal drolliges Zeug dabei heraus. Und gerade weil es so drollig ist, merkt man, wie bitterernst diese Geschichte ist. Und wie Papa Elias ganz bestimmt mindestens einmal, wenn nicht hundertmal mitgelitten hat, wenn sein geliebtes Kind mal wieder seinen Kopf verloren hat.

Das geht doch allen so. Das wissen die GroรŸen, die kleine Menschlein beim Aufwachsen beobachtet haben. Und sich alle Mรผhe gegeben haben dabei, wie ein Fels in der Brandung zu sein. Abgeklรคrt wie Thomas Mann. Denn es hilft ja nichts. Die nรคchste Katastrophe kommt ja sowieso. Und der nรคchste wilde Morgen, an dem ein verzweifeltes Kind seinen Kopf sucht.

Am Ende dรผrfen die kleinen Leser des Buches (oder die Knirpse, denen es Papa mit inniger Freude vorgelesen hat) selbst mithelfen, dass die arme Lea ihren Kopf wiederbekommt.

Und weil das dem Autor und Illustrator so einen SpaรŸ gemacht hat, kรผndigt er schon mal an, dass die nรคchsten sechs Bรผcher mit dem Igel als Erzรคhler schon in Arbeit oder fast fertig sind. Man kann sich am Ende also schon weiter freuen auf das nรคchste Buch. Und Lea ist รผberglรผcklich, dass sie ihren Kopf wieder hat. Denn wenn man keinen Kopf hat, das ist wirklich schlimm.

Elias Hauck โ€žWo ist mein Kopfโ€œ Voland & Quist, Berlin und Dresden 2024, 16 Euro.

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