Lehrer lieben das Wandern. Jedenfalls war das früher so. Da waren Wandertage Höhepunkte im Schulalltag und Lehrer liefen zur Hochform auf, wenn sie ihren Schützlingen die Landschaft ihrer Heimat zeigten. Das ist lange her. Aber Thomas Nitschke ist, was das betrifft, ein echter Lehrer. In der Freizeit schnappt er sich seinen Rucksack und erläuft sich die Welt rings um Leipzig. Wissend: Wer zu Fuß geht, sieht mehr.

Gerade erst hat er ja zum zweiten Mal den sächsischen Teil des Jakobsweges erwandert und sich dabei seine Gedanken über das Gehen, das Pilgern, Menschenbegegnungen und einen ganzen Teil der Kulturphilosophie gemacht. Und dabei auch ein bisschen verglichen, wie sich Sachsen seit 2012 verändert hat. Man lernt ja auch Leute kennen unterwegs, kommt ins Gespräch, findet offene oder verschlossene Türen. Und man macht sich Gedanken darüber, was nun wirklich wichtig ist – und worüber man sich nicht wirklich aufregen sollte.

Gern auch mit der ganzen Familie

Für diesen Outdoor-Wanderführer hat er 22 gut erlaufbare Wanderungen in und um Leipzig zusammengestellt. Ein Büchlein, das all jenen helfen dürfte, die es (noch) nicht gewohnt sind, sich die Welt auf Schusters Rappen zu erschließen. Obwohl sicher eine Menge Leute eine Ahnung haben, wie viel sie verpassen, wenn sie immer nur motorisiert unterwegs sind. Es sind auch etliche Wanderungen dabei, die man problemlos mit der ganzen Familie, mit Kind und Hund erlaufen kann.

Wobei Nitschke acht Wanderungen direkt in Leipzig und in seiner Umgebung zusammengestellt hat, Wanderungen auf Wegen, die eigentlich geradezu einladen, hier im fröhlichen Schritttempo durchs grünere Stadtgebiet zu laufen. Aber das tun ja nur wenige Zeitgenossen. Und dabei eignen sich die Routen sehr gut, auch einmal Teile des Stadtgebietes zu erkunden, die eher abseits der viel befahrenen Straßen liegen.

Etwa auf zwei Wanderungen entlang der Parthe – denn wer hat sich das Partheland eigentlich schon einmal zu Fuß erschlossen? Von Borsdorf bis Taucha zum Beispiel – wo natürlich auch schon mehr zu sehen ist als ein bescheidenes Flüsschen. Das Haus zum Beispiel, in dem Wilhelm Liebknecht seine Verbannungsjahre aus Leipzig verbrachte. Oder Panitzsch mit seiner Wehrkirche oder Taucha selbst mit seinem Stadtpark. Und auf der zweiten Parthe-Wanderung geht’s dann von Taucha bis nach Schönefeld.

Die anderen Wanderungen in und um Leipzig rücken den Cospudener See ins Bild, das Torhaus in Dölitz, das Küchenholz oder das Leutzscher Holz. Nitschke zeigt aber auch, wie sinnfällig eine Wanderung von Dölitz bis zum Johannepark ist – und man ist fast die ganze Zeit im Grünen und am Wasser unterwegs. In Leipzig kann es eigentlich nicht sein, dass es einem am Wochenende langweilig werden kann.

Auf zum nächsten Regionalzug

Und wer früh aufsteht und in den nächsten Regionalzug springt, der lernt noch viel mehr schöne Landschaft westlich, südlich und östlich von Leipzig kennen. Orte darunter, die man als echte Kleinode tatsächlich ganz für sich entdecken kann – den Geopfad von Droyßig nach Zeitz etwa, Zeitz selbst mit seinen Kellern, das Tal der Schwennigke bei Pegau, den Floßgraben oder – auf einer echten Philosophentour – den Wanderweg vom Südende des Kulkwitzer Sees nach Lützen. Dort, wo das heimelige Dörfchen Röcken liegt, wo Friedrich Nietzsche geboren und auch beerdigt wurde.

Geradezu klassisch sind die Weinrouten im Weinanbaugebiet an Saale und Unstrut, die Nitschke in seinen Wanderungen nach Freyburg, Naumburg und Laucha empfiehlt. Jede einzelne Wanderung säuberlich mit Distanz, Schwierigkeitsgrad und Wanderdauer beziffert und natürlich mit Hinweisen zu Rast und Gastlichkeit versehen. Denn wer wandert, bekommt auch Hunger und Durst. Und oft sind die Gaststätten am Weg selbst Attraktionen.

Aber selbst Orte wie Meuselwitz legt Nitschke den Wanderern ans Herz – und in diesem Fall mit herzlicher Empfehlung, sich des Schriftstellers Wolfgang Hilbig zu erinnern, der hier im Bergbau seine Brötchen verdiente, während er „nebenbei“ seine dichterischen Texte verfasste.

Bei Borna und Rötha kann man Teile es südlichen Neuseenlandes erkunden, bei Naunhof und Brandis „Felder und Wälder“, also ein Stück grüne Landschaft, die bei vielen Leipzigern fast schon vergessen ist. Eine Rundtour um Grimma – mit Kloster Nimbschen und dem Dorf Höfgen – ist geradezu ein Leipziger Ausflugs-Klassiker.

Schildbürger, Kohlhaas und Jakobsweg

Während die Wanderung von Doberschütz nach Schildau für alle lohnt, die der felsenfesten Überzeugung sind, dass die Schildbürger auch heute nicht ausgestorben sind. Im Gegenteil – es scheint eine Menge Leute zu geben, die sich absichtlich doof stellen, wenn sie mal Verantwortung übernehmen sollen. Und genauso literarisch wird es auf einer Tour durch die Dübener Heide, wo man keinem Geringeren als dem berühmten Michael Kohlhaas begegnet.

Und auf der Strecke von Wurzen nach Machern geht Nitschke mit seinen Lesern wieder auf einem Stück Jakobsweg. In der roten, der schweren Kategorie, befindet sich übrigens kein einziger der vorgeschlagenen Wanderwege. Immerhin ist die Landschaft um Leipzig ja relativ flach, sodass man meist auch mit Kinderschar und Kinderwagen gut vorankommt.

Man kann sich dabei auch auf GPS-Tracks verlassen. Aber Thomas Nitschke hat die Touren so detailliert erklärt, dass man sich auch komplett auf das Büchlein stützen kann. Außerdem sind die Routen, wo es auch offizielle Wanderwege sind, gut ausgeschildert.

Und geheimnisvoll wird es irgendwie auch, wie Nitschke einlädt: „Außerhalb der Ortschaften, da wo einsame und verwunschene Pfade den Wanderinnen und Wanderern eine Ahnung des Vergangenen schenken, führen Wege durch dunkle Wälder, zumeist aber führen sie über weites, flaches Land, um schließlich vor pittoresken Häusern mit schiefen Fensterläden zu enden.“

Ganz so schlimm ist es nicht. Manchmal landet man dann eher vor einer Parkgaststätte wie im Clara-Zetkin-Park, einem Schloss wie in Lützschena oder an der idyllisch gelegenen Domholzschänke. Auf das, was sich zu sehen lohnt, weist Nitschke in kleinen grünen Kästen hin. Und wer sich auch noch das richtige Wetter dazu aussucht, wird jede Menge Gelegenheit haben, lauter schöne Fotos von einer letztlich sehr reizvollen Landschaft zu machen.

Thomas Nitschke „Outdoor Wanderführer Leipzig und Umgebung“ 2.,überarbeitete Auflage, Conrad Stein Verlag, Welver 2024, 14,90 Euro.

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